Akzeptanz der DVD-Technologie für PCs bleibt hinter den Erwartungen zurück

24.04.1998

MÜNCHEN: Die DVD-Anbieter machen mobil. Nicht nur die zweiten Generation ihrer DVD-ROM Laufwerke zeigten sie auf der diesjährigen CeBIT, gleich ein ganzes Sortiment beschreibbarer DVD-Laufwerke (DVD-RAM) wurde der Öffentlichkeit präsentiert. Ob dieser Schachzug dazu beiträgt, die bislang geringe Akzeptanz der DVD-Technologie zu erhöhen und das Manko fehlender DVD-Titel zu kompensieren, bleibt abzuwarten.Freundliches Interesse, aber wenig Kaufbereitschaft kennzeichnet derzeit den DVD-Markt in Deutschland. Wer nach der Erfolgsgeschichte der CD-ROM-Technologie einen schnellen und nahtlosen Übergang auf die DVD-ROM-Technologie erwartet hat, wurde bisher enttäuscht. Die Liste möglicher Ursachen für das zurückhaltende Käuferverhalten ist lang, die Ursachen vielschichtig. Der vergleichsweise hohe Preis, das Fehlen sinnvoller, für den interaktiven Computereinsatz entwickelter DVD-ROM Anwendungen und nicht zuletzt der neu entfachte Streit um einen verbindlichen Standard für beschreibbare DVDs. Argumente, die nicht gerade dazu beitragen, die Akzeptanz der DVD-Technologie auf breiter Front zu steigern. Mit Unterstützung seitens der PC-Hersteller dürfen die DVD-Anbieter derzeit auch nicht rechnen. Der Trend zum Low-cost-PC mit Zielpreisen deutlich unter 1.000 Dollar, läßt keinen Spielraum für die Integration von DVD-ROM-Laufwerken.

DVD-Laufwerkspreise geben nur langsam nach

Bereits die zweite Generation ihrer DVD-ROM-Laufwerke stellten die meisten Hersteller auf der diesjährigen CeBIT in Hannover vor. Trotz leicht rückläufiger Preise liegen die Kosten von DVD-ROM-Laufwerken nach wie vor etwa um den Faktor 2,5 über dem von CD-ROM-Laufwerken. Will der Anwender die wichtigste Funktion, sprich die Videofähigkeit des DVD-ROM-Laufwerks nutzen, muß er noch tiefer in die Tasche greifen. Durch den Kauf des notwendigen MPEG-2-Boards erreicht der Preis einer DVD-Lösung letztendlich einen Wert, der um den Faktor 5 über dem eines aktuellen CD-ROM-Laufwerks liegt.

Nach Ansicht vieler potentieller Kunden ist das zuviel Geld, um die Möglichkeit zu haben, eine Handvoll Spielfilme, statt wie bisher bequem von der Wohnzimmercouch, jetzt auf dem Bildschirm seines PCs zu betrachten. Daß auf CD gepreßte Spielfilme nicht ausreichen, neue Absatzmärkte im Computerbereich zu generieren, mußten in der Vergangenheit bereits die Anbieter von CD-I- und CD-Video-Filmen feststellen. Daß auch eine deutlich verbesserte Qualität der Bild- und Tonwiedergabe an dieser Tatsache nichts ändert, ist eine Erfahrung, die jetzt auch die Anbieter von DVD-ROM-Laufwerken machen müssen.

Sinnvolle, für den PC-Einsatz entwickelte DVD-Anwendungen sind immer noch Mangelware. Schätzungsweise 50 Spielfilme im DVD-Video-Format bilden derzeit das Gros der in Deutschland erhältlichen DVD-Anwendungen. Prognosen gehen davon aus, daß die Zahl der verfügbaren Spielfilme im DVD-Format bis zum Jahresende auf etwa 250 Titel steigen wird.

Derweil stellt sich die Entwicklung bei DVD-ROMs für den Computereinsatz weniger positiv dar. Nach Aussage von Jan Oosterveld, Senior Director Philips Corporate Strategy DVD, befanden sich Ende 1997 weltweit gerade einmal 80 echte DVD-ROM-Titel in der Entwicklung. Die Schwierigkeiten, mit denen die DVD-Softwareentwickler zu kämpfen haben, sind vielfältig. Wurden sie jahrelang durch den Kampf der mächtigen Filmindustrie um einen klar definierten DVD-ROM- Standard blockiert, sind es jetzt Inkompatibilitäten zwischen DVD-ROM-Laufwerken und MPEG 2-Video-Boards, die ihre Arbeit erschweren.

Ein Ende 1997 von Intel durchgeführter Test von 40 DVD-ROM-Titeln auf 25 mit unterschiedlichen DVD-ROM-Laufwerken und MPEG-2-Boards ausgerüsteten Systemen lieferte nach Aussage von Oosterveld deprimierende Ergebnisse. Zwei Drittel derjenigen DVD-Anwendungen, die Videosequenzen enthielten, zeigten Inkompatibilitäten auf. Selbst bei fünf Prozent der DVD-ROM-Titel ohne Videosequenzen traten Fehler auf. Als Konsequenz einigten sich alle Beteiligten auf die Einrichtung unabhängiger, sogenannter "verification services", die die Kompatibilität zwischen DVD-ROM-Titeln und unterschiedlicher DVD-Peripherie testen und sicherstellen sollen.

Bedeutung von DVD-ROM Titeln wird in Frage gestellt

Während das Thema Kompatibilität trotz aller Widrigkeiten lösbar erscheint, stellt sich den Entwicklern von DVD-ROM-Anwendungen ein grundsätzliches und weitaus gravierenderes Problem. Zum einen müssen die Softwareunternehmen umfangreiches "Video-Know-how" aufbauen, zum anderen erfordert die Realisierung videobasierender DVD-ROM-Anwendungen hohe Investitions- und Produktionskosten. Abgesehen davon, daß viele kleine "Kreativ-Unternehmen" diese Beträge nicht oder nur mühsam aufbringen können, müssen die Kosten später wohl oder übel an den Kunden weitergegeben werden. Ob der Käufer, speziell im preissensitiven Massenmarkt, bereit ist, für die qualitativ hochwertig aufbereitete DVD-Informations- beziehungsweise -Unterhaltungsanwendungen deutlich mehr zu zahlen als für traditionelle CD-ROM-Anwendungen, scheint zweifelhaft. Zunehmend skeptisch betrachtet deshalb Philips-Direktor Oosterveld die Situation bei DVD-ROM-Titeln. Anders als bei CD-ROMs oder selbst bei DVD-Filmen, wo der Verkauf von Laufwerken und Playern durch das umfangreiche Angebot relativ preiswerter Titel vorangetrieben wird, können DVD-ROM-Titel aufgrund ihres hohen Preises seiner Meinung nach den Verkauf von DVD-ROM-Laufwerken nur wenig oder gar nicht unterstützen. Für ihn gilt es daher, nach Wegen zu suchen, die Attraktivität der DVD-Technologie für den Computeranwender auf andere Weise zu steigern.

Krach um Standard für beschreibbare DVDs

Mehrfachnutzen" lautet das Motto, das den PC-Benutzer dennoch zum Einstieg in die DVD-Technologie animieren soll. Eine Strategie, die offensichtlich inzwischen eine ganze Reihe von DVD-Laufwerksanbietern verfolgt. Das Resultat ist ein breites Angebot von multifunktionalen, beschreibbaren DVD-Laufwerken wie DVD-R, DVD-RAM oder DVD+RW, das auf der diesjährigen CeBIT der Öffentlichkeit präsentiert wurde.

Welch hohe Bedeutung DVD-Hersteller beschreibbaren DVD-Technologien künftig zutrauen, wird an einer Tatsache besonders deutlich: Hatten sich die Anbieter bei der DVD-ROM und später bei der DVD-R noch nach langwierigen Verhandlungen auf einen gemeinsamen Standard geeinigt, stehen hinsichtlich eines Standards für mehrfach beschreibbare DVDs die Zeichen auf Konfrontation.

Nicht weniger als drei untereinander inkompatible beschreibbare Technologien buhlten auf der CeBIT um die Gunst der Kunden. Als

Konkurrenten stehen sich Panasonic, Toshiba und Hitachi mit ihrer DVD-RAM sowie Hewlett-Packard, Sony, Philips, Ricoh, Verbatim und Yamaha mit der DVD+RW gegenüber. Komplettiert wird das Durcheinander

durch NEC, die mit der MMVF-Technologie einen eigenen Weg gehen. Aufgrund der bestehenden Kräfteverhältnisse und der Tatsache, daß man bei der Realisierung des Produktes zeitlich hinter den beiden Hauptkontrahenten zurückliegt, wird der NEC-Vorschlag voraussichtlich eine eher untergeordnete Rolle spielen.

DVD+RW-Allianz startet CD-RW-Offensive

Während erste DVD-RAM- Laufwerke von Hitachi, Toshiba und Panasonic bereits ab Mai zu Endkundenpreisen von etwa 1.400 Mark verfügbar sein sollen, ist mit DVD+RW-Laufwerken nach Aussagen von Sony frühestens im Herbst zu rechnen. Um die Zeit bis zur eigenen Produktverfügbarkeit zu überbrücken und offensichtlich auch, um möglichst wenig potentielle Kunden an die DVD-RAM Anbieter zu verlieren, hat sich die DVD+RW-Allianz etwas einfallen lassen. Sie startete anläßlich der CeBIT eine groß angelegte Offensive zugunsten der CD-RW-Technologie.

"Die Nachfrage von PC-Industrie und Endverbrauchern nach CD-RW hat unsere Erwartungen bei weitem übertroffen", meint Mikel Dodd, Chairman und CEO bei Philips Optical Storage. "CD-RW ist die perfekte Lösung für die vollkompatible Speicherung und gemeinsame Nutzung von Daten. Es ist eine bewährte Technologie, die eine preisgünstige Antwort auf die Anforderungen darstellt, die PC-Applikationen an Wechselmedien stellen." Als Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung aller DVD-RAM Interessenten kann die Äußerung von Tadatoshi Sakamaki, Direktor und General Manager der Disc Media und Systems Products Division bei Ricoh, verstanden werden. "Kompatibilität ist ein grundlegendes Marktbedürfnis und daher ein Schlüsselfaktor für Wachstum und Erfolg in der Zukunft."

Noch einen Schritt weiter geht Toru Takeda, General Manager in der Computer Peripherals Division bei Sony. "Wir sind davon überzeugt, daß es einen lohnenden Markt für CD-RW-Laufwerke gibt, die DVD-ROM- Disks lesen können, und rechnen fest damit, daß ein derartiges Produkt in Zukunft erhältlich sein wird. In absehbarer Zukunft wird CD-RW die attraktivste Lösung für Datenaustausch und persönliche Datensicherung sein."

DVD-Anbieter setzen auf Zweckoptimismus

Daß die Initiatoren mit ihrer CD-RW-Offensive offene Türen einrennen, steht außer Frage. Von zwei Millionen in 1997 auf mehr als 15 Millionen im Jahr 1999 soll der globale Markt von CD-RW-Produkten nach Ansicht der Experten wachsen. Ein Trend, den auch Henning Mayer, Absatzmanager Storage bei der Computer 2000 GmbH in München, bestätigt. Mit einem Anteil von 60 Prozent zu 40 Prozent haben CD-RW-Laufwerke in seinem Unternehmen traditionelle CD-R-Brenner bereits überholt. Er rechnet mit einem Preisrutsch innerhalb der nächsten drei Monate, und damit, daß sich die Preise von CD-RW immer mehr denen von CD-Rs annähern.

Ob diese Entwicklung dazu beiträgt, das Interesse an der DVD-Technologie zu steigern, oder vielleicht doch den mündigen Verbraucher eher dazu verleitet, ernsthaft über den Sinn

der DVD-Technologie nachzudenken, bleibt abzuwarten.

Abseits solcher Gedankengänge gibt sich die DVD-Branche - zumindest offiziell - optimistisch: "Angesichts der vollen CD-ROM-Kompatibilität der zweiten DVD-ROM-Generation und der deutlich gestiegenen Anzahl von DVD-ROM-Anwendungen (?) sind wir sicher, daß wir 1998 den endgültigen Durchbruch der DVD-ROM am Markt erleben werden", zieht Klaus Kipp, General Manager der Multimedia Division bei Pioneer ein positives Resümee. Nach seiner Einschätzung erhielt die DVD-Technologie auf der CeBIT einen kräftigen Auftrieb.

"Das Speichern ist nun mit einem Cent pro Megabyte sehr günstig geworden, aber der wesentliche Unterschied zwischen dem DVD-RAM- Laufwerk und anderen Low-cost Wechselspeichersystemen besteht darin, daß sie den Zugang zur DVD-Welt freimachen, von der wir erwarten, daß sie die PC-Landschaft über die nächsten Jahre grundlegend verändert", erläutert Nick Sundby, Optical Storage Product Manager bei der Hitachi Europe Ltd. Bereits bis zum Jahr 2000 soll nach Hitachi-Angaben der weltweite Markt für DVD-Laufwerke auf mehr als 70 Millionen Stück angestiegen sein. Der Anteil der DVD-RAM-Laufwerke an dieser Menge soll 30 Millionen Einheiten betragen.

Mit einem DVD-Upgrade-Kit, bestehend aus DVD-ROM-Laufwerk und einem MPEG-2-Board zu einem Endkundenpreis von 599 Mark versucht Creative Labs, dem Markt neue Impulse zu geben. Ein Schritt in die richtige Richtung, aber nicht ausreichend meint Stefan Klima, Program Manager CD-ROM bei der Computer 2000 GmbH, und weist darauf hin, daß der Durchbruch bei CD-ROM erst erfolgte, als die Preisgrenze von 300 Mark unterboten wurde.

Während viele innerhalb der Computerbranche positive Synergien von der gerade anlaufenden Einführung der DVD-Video-Disk in der Unterhaltungselektronik erwarten, gibt es auch hier skeptische Stimmen. Anders als in Japan, wo bereits mehr als 1.000 DVD-Video-Titel auf dem Markt sind, oder den USA wo Angebot und Nachfrage spürbar ansteigen, ist die Resonanz bei den deutschen Video-Duplizierern geteilt. Derweil die einen ihre Produktionsstätten auf die DVD vorbereiten, reagieren andere mit deutlicher Zurückhaltung. "Unser Geschäft ist der Massenmarkt. Von ein paar Technik-Freaks, die sich jetzt einen DVD-Player kaufen, können wir nicht leben", faßt Michael Panknin, Chef der Rank Videoservices in Willstätt, seine Einschätzung zusammen. Peter Cujé von Eurotape in Berlin zweifelt ebenfalls an einer schnellen Ablösung der VHS-Kassette durch die DVD. "Abwarten" lautet denn auch sein Motto. "Wir haben die Kunden. Und wenn die es wollen, verlassen in spätestens drei Monaten die ersten DVDs unser Werk." Darauf, daß der Durchbruch der DVD-Technologie im PC-Bereich noch etwas auf sich warten läßt, deutet auch ein weiterer Umstand hin. Wurde in der Vergangenheit von den meisten Anbietern das 32fach-Laufwerk als letzte Generation innerhalb der CD-ROM-Entwicklung genannt, präsentierte NEC auf der CeBIT bereits das 40x Modell. (sd)

DVD-L10 von Panasonic: Portabler Videoplayer und Gameboy in einem. Zu einem Preis von 2.999 Mark soll das Gerät bereits ab Mai verfügbar sein.

Panasonic DVD-RAM Laufwerk LF-D101: Nicht nur alle DVD- und CD-Medien, auch PD-Cartridges kann das Panasonic DVD-RAM- Laufwerk lesen.

DVD-ROM-Laufwerk von Pioneer: Das Gerät ist mit Slot-in-Technologie ausgestattet. Es bietet einen Datendurchsatz von 3,3 MByte/s im DVD- und 20fache Lesegeschwindigkeit im CD-ROM-Betrieb.

DVP-S 715 von Sony: Mit dem DVP-S 715 präsentieren die Japaner ihren ersten DVD-Player für den europäischen Markt.

Hitachi-Manager Sundby: Mit der DVD-RAM möchte das Konsortium bestehend aus Hitachi, Toshiba und Panasonic vollendete Tatsachen bei beschreibbaren DVD-Technologien schaffen.

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