TK-Handel optimistisch

All-IP-Umstellung auch 2019 noch gut fürs Geschäft

Peter Marwan lotet kontinuierlich aus, welche Chancen neue Technologien in den Bereichen IT-Security, Cloud, Netzwerk und Rechenzentren dem ITK-Channel bieten. Themen rund um Einhaltung von Richtlinien und Gesetzen bei der Nutzung der neuen Angebote durch Reseller oder Kunden greift er ebenfalls gerne auf. Da durch die Entwicklung der vergangenen Jahre lukrative Nischen für europäische Anbieter entstanden sind, die im IT-Channel noch wenig bekannt sind, gilt ihnen ein besonderes Augenmerk.
Die Umstellung der Deutschen Telekom auf All-IP-Anschlüsse war für den Fachhandel ein Umsatz-Turbo. Sie wurde zwar Ende 2018 planmäßig abgeschlossen, aber auch 2019 winkt noch lukratives Folgegeschäft.

Die Telekom hat ihr Ziel, die Umstellung auf All-IP bis Ende 2018 abzuschließen, weitgehend erfüllt. Der Fachhandel sieht das vielfach mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Einerseits sorgte der Endspurt bei der All-IP-Umstellung noch einmal für einen Schub bei der Nachfrage nach Beratung, Produkten und Dienstleistungen. Zum anderen stellt sich die Frage, was 2019 noch zu tun bleibt. Viele befürchten, dass sich bei den Kunden nach der Umstellung eine gewisse Projektmüdigkeit einstellt.

"Die All-IP Umstellung wird Distribution und Fachhandel auch 2019 noch begleiten", glaubt Martin Hümmecke, Director Specialty Solutions bei Ingram Micro.
"Die All-IP Umstellung wird Distribution und Fachhandel auch 2019 noch begleiten", glaubt Martin Hümmecke, Director Specialty Solutions bei Ingram Micro.
Foto: Ingram Micro

Die gute Nachricht zuerst: Insgesamt gehen Experten in der deutschen ITK-Distribution davon aus, dass das Thema All-IP zumindest im ersten Halbjahr 2019, womöglich aber auch das ganze Jahr oder sogar darüber hinaus, noch Geschäftsmöglichkeiten bietet. Diese Einschätzung wird mit unterschiedlichen Argumenten begründet.

Den aktuellsten Zahlen der Bundesnetzagentur zufolge (vom Mai 2018) gibt es in Deutschland noch gut 80.000 PMx-Anschlüsse. Etwa drei Viertel davon gehören Kunden der Deutschen Telekom. Sie sind in Bezug auf die All-IP-Umstellung eine Ausnahme, wie Klaus Müller, Leiter Strategische Entwicklung und Transformation bei der Telekom Deutschland Geschäftskunden, bereits im Mai 2018 auf einer Veranstaltung in München erklärte.

"Andere Netzbetreiber haben die Umstellung noch nicht in Angriff genommen", erklärt Tobyas Meyer, Key Account Manager Netzvermarktung bei ENO. Dadurch bietet sich dem Fachhandel bei Nicht-Telekom-Kunden noch ein breites Betätigungsfeld.
"Andere Netzbetreiber haben die Umstellung noch nicht in Angriff genommen", erklärt Tobyas Meyer, Key Account Manager Netzvermarktung bei ENO. Dadurch bietet sich dem Fachhandel bei Nicht-Telekom-Kunden noch ein breites Betätigungsfeld.
Foto: ENO

Die zweite Ausnahme sind Firmen mit einem Single-Play-Anschluss - also einer einfachen Telefonleitung - für Sonderdienste wie Aufzugnotruf, Brandmelder, EC-Cash-Terminals, Hausnotruf oder das Auslesen von Zählern aus der Ferne. Zwar gibt es auch dafür Lösungen, die mit IP laufen, oder ist die Umstellung auf Mobilfunktechnologien möglich.

Lesetipp: Wie Systemhäuser von All-IP profitieren

Der Konzern räumt diesen Kunden aber etwas mehr Zeit ein. Erstens stören diese Dienste im All-IP-Netz kaum, zweitens ist der Umstieg oft mit erheblichem internen Aufwand verbunden. In beiden Fällen sind Know-how und Dienstleistungen des Fachhandels gefragt. Allerdings müssen die aktiv angeboten werden, denn viele Firmen denken bei der Umstellung der Telefonie nicht zwangsläufig an diese Aspekte.

All-IP-Umstellung ist noch voll im Gang

"Die Telekom wird zum einen die Umstellung nicht komplett abgeschlossen haben, zum anderen haben andere Netzbetreiber die Umstellung noch nicht in Angriff genommen. Zusätzlich haben viele Kunden ihre alte ISDN-Technik behalten und betreiben diese mittels Wandler weiter. Hier besteht also noch ein hohes Potenzial für die Umstellung auf UCC", erklärt Tobyas Meyer, Key Account Manager Netzvermarktung bei ENO.

"Viele Altsysteme werden heute mit Gateway-Boxen VoIP-fähig gemacht", betätigt Rolf Mittag, Vorstand der ITAS AG. "Das bringt jedoch null Innovation beim Kunden, es ermöglicht ihm schlicht und einfach nur, weiterhin zu telefonieren." Eine Digitalisierungsbox sei jedoch noch keine UCC-Lösung. Diese Anwender müssten besser betreut werden, dadurch hält der Effekt der All-IP-Umstellung laut Mittag "sicherlich noch einige Monate" an.

"Viele Altsysteme werden heute mit Gateway-Boxen VoIP-fähig gemacht. Das bringt jedoch null Innovation beim Kunden", gibt Rolf Mittag, Vorstand der ITAS AG, zu bedenken.
"Viele Altsysteme werden heute mit Gateway-Boxen VoIP-fähig gemacht. Das bringt jedoch null Innovation beim Kunden", gibt Rolf Mittag, Vorstand der ITAS AG, zu bedenken.
Foto: ITAS AG

Auch Jürgen Walch, Teamleiter ITK bei Herweck, rechnet nicht mit einem plötzlichen Einbruch: "Die Umstellung ist noch voll im Gange und wird den Fachhandel noch eine Zeit beschäftigen." Die Migrationen gingen mittlerweile wesentlich leichter von der Hand. Damit würden Ressourcen frei, um die eigentlichen Vorteile von All-IP zu vermarkten. "Das bedingt viel komplexe Integrationsleistungen und Individualprogrammierung mit den vom Hersteller der Lösungen bereitgestellten APIs für eine vollständige Integration", so Walch.

Händlern, die aus der klassischen Telefonie kommen, empfiehlt Walch, sich einem Netzwerk anzuschließen, um bezahlbaren Zugriff auf solche Spezialisten zu erhalten. Smart Home und Smart Office sieht er dagegen als zukunftsträchtiges Betätigungsfeld für TK-Experten.

"Da Migrationen mittlerweile wesentlich leichter von der Hand gehen, werden Ressourcen frei, um die eigentlichen Vorteile von All-IP zu vermarkten", empfiehlt Jürgen Walch Teamleiter ITK bei Herweck, dem Fachhandel.
"Da Migrationen mittlerweile wesentlich leichter von der Hand gehen, werden Ressourcen frei, um die eigentlichen Vorteile von All-IP zu vermarkten", empfiehlt Jürgen Walch Teamleiter ITK bei Herweck, dem Fachhandel.
Foto: Herweck

"Wir gehen davon aus, dass unsere Partner mindestens 2019 noch Geschäft aus der Umstellung auf IP-Kommunikation generieren können", erklärt auch Steffen Ebner, Vertriebsvorstand B2B bei Komsa. "Unternehmen nehmen die Umstellung zum Anlass, sich mit ihrem TK-System und den generellen Kommunikationsmöglichkeiten zu beschäftigen. Diese Projekte werden nicht direkt umgesetzt, sondern bedeuten einen langjährigen Migrations- und Innovationsprozess."

Investitionen in Infrastruktur stehen an

Neben Unternehmen, die sich für eine einfache Gateway-Lösung entscheiden und bestehende Infrastrukturen weiter nutzen, sieht Ebner aber ebenso viele Firmen, die in neue Infrastrukturen investieren: "Indem sich die Art und Weise des Arbeitens verändert (Stichwort mobiles Arbeiten), wandeln sich auch die Anforderungen an Hard- und Softwareausstattung am Arbeitsplatz und an Infrastruktur in Unternehmen. Hier sehe ich große Chancen bei den Themen Cloud-Kommunikation und Security sowie bei Services abseits des reinen Hardwareverkaufs."

„Unternehmen nehmen die Umstellung zum Anlass, sich mit ihrem TK-System und den generellen Kommunikationsmöglichkeiten zu beschäftigen“, hat Steffen Ebner, Vertriebsvorstand B2B bei Komsa, beobachtet.
„Unternehmen nehmen die Umstellung zum Anlass, sich mit ihrem TK-System und den generellen Kommunikationsmöglichkeiten zu beschäftigen“, hat Steffen Ebner, Vertriebsvorstand B2B bei Komsa, beobachtet.
Foto: Komsa

Bei diesen Themen unterstütze Komsa Partner mit stetig wachsendem Sortiment, Support über das Technical Assistance Center und Services sowie Build-to-Customer-Order, wobei TK-Lösungen nach Kundenwunsch konfiguriert und ausgeliefert werden. Zudem kündigte Ebner an, dass Komsa seine Cloud-Services und das Portfolio im Bereich "Mobile Customizing" weiter ausbauen werde.

Lesetipp: Fünf Tipps für den Umstieg auf All-IP

Auch Martin Hümmecke, Director Specialty Solutions bei Ingram Micro, ist sich sicher: "Die All-IP-Umstellung wird Distribution und Fachhandel auch 2019 noch begleiten." Es werde weiterhin notwendig sein, bei Migrationsanfragen beratend zur Seite zu stehen.

"Jeder Fachhandelspartner wird das eigene Herstellerportfolio neu beleuchten müssen, um für die sich wandelnden Ansprüche der Endkunden gerüstet zu sein", so Hümmecke weiter. Er denkt dabei insbesondere an Cloud, Hardware und Infrastructure as a Service (HWaaS und IaaS), deren Bedeutung zunehme und die im Zuge des Austauschs älterer ITK-Anlagen im Vergleich zu klassischen On-Premise-Lösungen weitere Marktanteile gewinnen.

"Das Thema UCC oder Cloud-PBX bleibt heiß und bietet dem Channel auch weiterhin viel Potenzial", ist sich Oliver Hemann, Mitglied der Geschäftsleitung bei Michael Telecom, sicher.
"Das Thema UCC oder Cloud-PBX bleibt heiß und bietet dem Channel auch weiterhin viel Potenzial", ist sich Oliver Hemann, Mitglied der Geschäftsleitung bei Michael Telecom, sicher.
Foto: Michael Telecom

Oliver Hemann, Mitglied der Geschäftsleitung bei Michael Telecom, ist etwas vorsichtiger optimistisch: "Ich denke, dass die Umstellung für unseren Channel Mitte 2019 enden beziehungsweise abebben wird." Geschäftsmöglichkeiten gebe es dennoch: "Bei vielen End-Usern werden die Möglichkeiten moderner Kommunikationssysteme noch gar nicht eingesetzt. Das Thema UCC oder Cloud-PBX bleibt heiß und bietet dem Channel auch weiterhin viel Potenzial."

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