Alles neu: der BTX-Formfaktor im Detail

01.04.2004
Schon Mitte 2004 soll der neue BTX-Formfaktor für Desktop-Rechner den ATX-Standard ablösen. Das bedeutet: neue Mainboards, neue Gehäuse und neue Netzteile. Wir erläutern, welche Vor- und Nachteile BTX bietet. Von Bernhard Haluschak

Die Balanced-Technology-Extended-Spezifikation, Codename "Big Water", basiert auf Standards, die es ermöglichen sollen, zukünftig PC-Systeme effizient zu entwickeln. In den neuen BTX-Vorgaben werden besonders Einflüsse berücksichtigt, die sich negativ auf das System auswirken können. Dazu zählen die thermische Belastung, der Stromverbrauch, die Geräuschentwicklung, die elektromagnetische Verträglichkeit und die Anordnung der Komponenten.

Der BTX-Standard deckt in erster Linie Desktop- und kompakte Systeme ab - eignet sich aber auch als Vorlage für große erweiterbare Tower-Systeme. Bei der Definition der Standards legten die Entwickler besonderen Fokus auf Technologien wie PCI Express und Serial-ATA.

Ein neuer Standard bedeutet in der Regel auch Komponentenwechsel und somit Kosten. Bei einem Umstieg auf BTX müssen mehrere Komponenten ausgetauscht werden. Neben dem Mainboard benötigt der Anwender ein entsprechendes Gehäuse und Netzteil sowie ein geeignetes Prozessor-Kühlungssystem. Welche Änderungen und Innovationen der neue BTX-Standard für die zukünftigen Rechnersysteme bringt, erläutern wir ausführlich in diesem Artikel.

ATX-Formfaktoren

Zu den heute bekanntesten Formfaktoren zählt der ATX-Standard (Advanced Technology Extended). Er wurde 1995 von Intel vorgestellt und speziell entwickelt, um eine gute Erweiterbarkeit mit Steckkarten zu gewährleisten und die Kabelführungen zu den Laufwerken sowie zum Netzteil sehr kurz zu halten. Zusätzlich übernehmen die Lüftung des Netzteils und dessen Anordnung im Gehäuse wesentliche Kühlfunktionen für das Mainboard.

Ein weiterer Vorteil war die Zusammenführung aller wichtigen externen Schnittstellen in den hinteren Bereich des Mainboards und die Einführung eines 20-poligen, verpolungssicheren Stromanschlusses. Die ATX-Spezifikationen wurden erst 1999 als Standard eingeführt und liegen aktuell in Revision 2.2 vor. Diese legt alle wichtigen Kenngrößen wie die Abmessungen des Mainboards, die Anordnung der Stecker, der Sockel, der Chipsatz-Bausteine und der Bohrlöcher genormt fest. Auch entsprechende Gehäuse und Netzteile unterliegen diesem Standard und werden deshalb gleichnamig bezeichnet.

Neben dem Standard- beziehungsweise Fullsize-ATX-Format haben sich auch noch kleinere Formate etabliert. Die Tabelle auf der rechten Seite gibt eine Übersicht über die aktuellen ATX-Formfaktoren im Markt.

LPX-, NLX- und ITX-Standard

Eine Abwandlung des ATX-Standards stellen der LPX- und der Mini-LPX-Formfaktor dar, wobei der Name Low Profile Extended bereits den Einsatzort dieser spezifizierten Mainboards verrät. Das LPX-Format ist besonders für Rechner mit flachen Gehäuseabmessungen vorgesehen. Die Steckkarten werden waagerecht per Raiser-Karte in einem entsprechenden Onboard-Slot installiert. Die Folgen sind schlechte Wärmabführung und unzureichende Erweiterbarkeit eines solchen Systems.

Mit NLX und Mini-NLX stehen dem Anwender zwei weitere veränderte Varianten des LPX-Formats zur Verfügung. Sie sind noch kompakter und besitzen anders als LPX einen AGP-Slot.

Neben Intel stellt auch die taiwanische Chipsatzschmiede VIA eigene Spezifikationen für PC-Mainboards vor. Bereits 2001 veröffentlichte VIA die ITX-Spezifikation (215 x 191 mm) für hoch integrierte und kompakte Mainboards. Es folgten Mini-ITX (170 x 170 mm) und Ende 2004 Nano-ITX (120 x 120 mm). Bei den letzten beiden Varianten ist der Prozessor aus Platzmangel für einen Sockel fest auf der Platine verlötet.

BTX-Standard im Detail

Der elektrische Leistungsbedarf von PC-Systemen steigt mehr und mehr an. Problematisch ist diese Entwicklung in Bezug auf die entstehende Wärme im Gehäuse durch so genannte Hotspots wie CPU, Chipsatz oder Grafikkarte. Der BTX-Formfaktor soll in erster Linie die entstehende Wärme im Gehäuse schnell und effektiv abführen. Dies erfordert gegenüber dem ATX-Formfaktor grundlegende Veränderungen im Board-Design beziehungsweise -Layout.

Die BTX-Spezifikation ordnet die wärmerelevanten Komponenten auf einem Mainboard so an, dass ein Luftstrom auf wenig Luftwiderstand trifft. Als aktives Kühlelement setzt BTX ein Thermal-Modul ein. Es besteht aus einem Kühlkörper mit aufgefächerten Radiallamellen für den Prozessor und einem Axial-Lüfter sowie einem Schacht, welcher die Luft gezielt durch das Gehäuse führt. Diese Konstruktion ermöglicht eine direktere Kühlung der innen liegenden Komponenten.

Anders als die ATX-Spezifikationen schreibt der BTX-Standard vor, dass die Bestückungsseite der PCI-Express-Grafikkarte direkt im Luftstrom des Thermal-Moduls liegt. Eine zusätzliche aktive Kühlung des Grafikchips wäre somit überflüssig. Auch die Chipsatzbausteine müssen im Kühlbereich des Thermal-Moduls liegen.

Der Vorteil des Thermal-Moduls ist nicht nur die effektive Kühlleistung, sondern auch die geringere Lärmbelästigung. Denn im Idealfall sorgt nur ein speziell für diese Anwendung optimierter Lüfter für die Luftzirkulation im System. Weitere Lüfter-Lärmquellen entfallen.

BTX-Formfaktoren

Der BTX-Standard wartet gleich mit drei Formfaktoren auf: Standard-BTX, Micro-BTX und Pico-BTX. Wichtige Aspekte bei der Entwicklung waren, dass die Board-Designs beziehungsweise Abmessungen skalierbar sind. Deshalb beträgt die Tiefe bei allen Formaten 266,7 mm und nur die Breite der Platinen variiert. Das spart bei der Assemblierung von Systemen mit unterschiedlichen Formfaktoren Kosten. Zusätzlich kann der System-Assemblierer die gleichen Komponenten wie Laufwerke, Netzteile und Kühlmodule in entsprechend unterschiedlichen BTX-Gehäusen verbauen. Die Bilder links und auf Seite 38 zeigen die drei spezifizierten BTX-Mainboard-Formfaktoren und deren exemplarische System-Layouts.

Auch die maximal zulässige Höhe legt der BTX-Standard exakt fest. Um weitgehend flexibel zu bleiben, legt die Spezifikation mit der Bezeichnung Typ 1 und Typ 2 zwei unterschiedliche Höhen fest. Sie beziehen sich auf das eingesetzte Thermal-Modul, das indirekt die maximale Höhe des Gehäuses bestimmt. Der Typ 1 verlangt eine Höhe von 97,25 mm, damit können problemlos Steckkarten mit normaler Bauhöhe eingesetzt werden. Beim Typ 2 mit einer maximal zulässigen Höhe von 71,85 mm haben in den entsprechenden Systemen nur noch Low-Profile-Karten genügend Platz. Allerdings ermöglicht in solchen Rechnern eine Raiser-Karte, mit um 90 Grad gekippten Slots, den Einbau normal hoher Steckkarten.

BTX-Netzteil

Gleichzeitig mit dem neuen BTX-Formfaktor definierten die Formfaktor-Entwickler ein entsprechendes Netzteil. Unter dem Namen Compact Form Factor (CFX12V) verabschiedete die Formfactors-Organisation (http://www.formfactors.org/) im November 2003 die Spezifikation 1.0. Diese beschreibt detailliert die Voraussetzungen für die einwandfreie Spannungsversorgung von Balanced-Technology-Extended-Systemen in den Größenformaten 10 bis 15 Liter.

Im Vergleich zum herkömmlichen ATX- unterscheidet sich das CFX12V-Netzteil in der Steckerausstattung. So besitzt der verpolungssichere Stromstecker statt bisher 20 jetzt 24 Anschlüsse. Um den hohen Leistungsbedarf von PCI-Express-Steckkarten von bis zu 75 Watt decken zu können, besitzt CFX12V je eine zusätzliche 12-V-, 5-V-, 3,3-V- und eine Masseleitung. Darüber hinaus verfügt das Netzteil bereits über Serial-ATA-Stromstecker.

Die maximal zulässige Leistungsaufnahme beträgt laut Spezifikation 275 Watt. Aber die CFX12V-Spezifikation überlässt es explizit den Entwicklern, auch Netzteile mit höherer Leistungsaufnahme für großvolumige Tower-Gehäuse zu entwickeln.

BTX-Gehäuse

Der BTX-Formfaktor verlangt von den Gehäuseherstellern ein Umdenken. Hatten sie beim ATX-Gehäuse noch relativ viel Freiheit für eigenwillige Designs, müssen sie sich jetzt den vorgeschriebenen Restriktionen der BTX-Spezifikation unterwerfen. Denn die Anordnung der Kühlung und der Systemkomponenten ist für eine optimale Kühlleistung des Rechners entscheidend. Mit der der Einführung des BTX-Standards haben die ATX-Gehäuse ausgedient. Um eine optimale Kühlung der Systemkomponenten in einem BTX-System zu gewährleisten, muss das Gehäuse die BTX-Spezifikationen erfüllen. Aber nicht nur das Innenleben hat sich verändert, sondern auch die hintere Anschlussleiste entspricht nicht mehr dem herkömmlichen ATX-Standard.

Fazit

Der BTX-Formfaktor bietet gegenüber ATX entscheidende Vorteile. Mit dem neu entwickelten Thermal-Modul verfügt er über ein einheitliches Kühlsystem für CPU und Chipsatz, das genügend Entwicklungspotenzial für zukünftige Komponenten mit höherem Leistungsbedarf zur Verfügung stellt. Auch die Wärmeentwicklung leistungshungriger PCI-Express-Grafikkarten berücksichtigen die BTX-Spezifikationen.

Aber BTX versucht nicht nur die thermische Entwicklung in einem Rechnersystem zu regeln, sondern gleichzeitig die Lautstärke so weit wie möglich zu reduzieren. Ein Thermal-Modul, das einen gelenkten Luftstrom erzeugt und die Hotspots in einem PC-System kühlt, löst das Problem. Denn es ist nur ein zentraler lautstärkereduzierter Lüfter notwendig, um die Temperatur des Systems zu regulieren. Weitere störende Lüfter sind überflüssig.

Das skalierbare Design des BTX-Standards bringt besonders den Systemintegratoren weitere Vorteile. Sie können je nach Marktlage zeit- und kosteneffektiv reagieren, wenn Micro- statt Standard-BTX-Formfaktoren gefragt sind.

Mit der Einführung des BTX-Standards sind neue Systemkomponenten wie Mainboard, Netzteil, Gehäuse und ein entsprechendes Thermal-Modul notwendig. Die bisherigen ATX-Bauteile sind nicht mehr nutzbar. Zusätzlich verursachen die noch geringen Stückzahlen der BTX-Komponenten in der Einführungsphase hohe Kosten.

BTX soll bereits Mitte 2004 auf den Markt kommen, doch bis sich der neue Standard etabliert, werden sicherlich noch einige Monate vergehen. Erste Designstudien stellte Intel bereits auf dem Intel Developer Forum im September 2003 vor. Die BTX- und CFX12V-Spezifikationen finden Sie auf der formfactors.org (http://www.formfactors.org)-Webseite.

Glossar

Serial-ATA

Serial-ATA soll in der ersten Stufe Datenraten von 150 MByte/s erreichen und die parallele ATA-Schnittstelle ablösen. Serial-ATA verspricht daneben einen geringeren Leistungsverbrauch, kleinere Steckverbinder sowie dünnere und längere Kabel. Im Gegensatz zu Parallel-ATA kommen bis zu vier direkte Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zwischen Interface-Chipsatz und jeweils einem Gerät an jeder Verbindungsleitung zum Einsatz.

AGP

AGP, Acclerated Graphics Port. Der AGP ist ein von Intel entwickelter Steckplatz für 3D-Grafikkarten, basierend auf dem PCI-Bus. Über den AGP kann eine Grafikkarte direkt auf den Hauptspeicher desSystems zugreifen und dadurch Texturen benutzen, die im lokalen Speicher der Karte keinen Platz mehr finden.

tecCHANNEL-Compact "ITechnologie-Ratgeber 2004"

tecChannel.de ist die Nummer eins der Online-Fachmedien in Deutschland (IVW 1/04). Auf www.tecChannel.de finden Sie mehr als 1700 Beiträge und über 14.000 News zu allen Themen der IT. Das kostenlose Online-Programm wird ergänzt durch das noch umfangreichere kostenpflichtige tecCHANNEL-Premium- und die tecCHANNEL-Compact-Buchreihe.

Im neuen tecCHANNEL-Compact "ITechnologie-Ratgeber 2004" finden professionelle Anwender auf über 220 Seiten Grundlagen, Know-how-, Ratgeber- und Praxisbeiträge.

Insbesondere im Server-, Desktop- und Mobile-Bereich steht ein Generationswechsel bevor. Die Einführung von PCI Express und neuen CPUs, wie Pentium 4 "Prescott" und Pentium M "Centrino", 64-Bit-Computing, sowie der DDR2-Speichertechnologie und Serial Attached SCSI verunsichert die IT-Branche. Die tecCHANNEL-Redaktion beantwortet die Fragen, welche Technologien zukunftssicher sind und die bevorstehenden Investitionen schützen und was beim Umstieg zu beachten ist.

Die Ausgabe ist ab sofort im Handel zu haben oder direkt im Online-Shop unter www.tecChannel.de/shop für 9,90 Euro (gegen Rechnung) inklusive Versandkosten zu bestellen.

Zur Startseite