Alles nur Trotz? Ungebrochener Optimismus in der ITK-Branche

04.10.2001
In den vergangenen Wochen jagte eine Horrormeldung die andere: Der ITK-Markt in der Krise, Kaufhemmung bei den Kunden, das Weihnachtsgeschäft in Gefahr. Der deutsche Fachhandel sieht die Situation aber anders und prognostiziert schon für das zweite Halbjahr 2001 einen deutlichen Aufschwung. Zu diesem Ergebnis kam das Marktforschungsinstitut TNS Emnid bei der Auswertung des "IT-Marktspiegels 2001, Volume 2".

Es kommt immer auf den Blickwinkel an - selten hat eine Binsenweisheit so zugetroffen wie beim Meinungsbild in der ITK-Branche. Während Hersteller und Distributoren in Deutschland eher negative Folgen der anhaltenden Konjunkturflaute für das zweite Halbjahr 2001 befürchten, beurteilen Telefongesellschaften, Softwarehäuser und IT-/TK-Dienstleister die Geschäftslage ihrer Branchen auch in dieser insgesamt angespannten Situation als vergleichsweise positiv.

Zu diesem Ergebnis kam das Marktforschungsinstitut TNS Emnid, das im Auftrag von Vogel Burda Communications 6.512 deutsche Unternehmen der IT-/TK-Branche befragte, die zehn und mehr Mitarbeiter haben. Vollständige und umfassende Auskunft über die ersten beiden Quartale und die Aussichten für das zweite Halbjahr gab eine repräsentative Gruppe von 360 Unternehmen. Da jedoch die telefonische Befragung vor dem Terroranschlag in den USA durchgeführt wurde, müssen die aufgeführten Zukunftsaussichten möglicherweise nach unten korrigiert werden.

Ich bin besser als andere

Die Einschätzung für das erste Quartal 2001 fiel in allen Teilbereichen noch recht einheitlich aus. Die Konjunkturflaute des zweiten Quartals 2001 wirkte sich besonders bei den Hardwareherstellern und -distributoren negativ aus. Telefongesellschaften, Softwarehäuser und IT-/TK-Dienstleister hingegen beurteilen die Geschäftslage ihrer Branchen auch in dieser kritischen Situation als positiv. Die schlechteste Bilanz zieht der Handel. Im Vergleich zum Gesamtmarkt litten vor allem die Kauf-/Warenhäuser und der Elektrofachhandel unter einer negativen Geschäftsentwicklung, während zumindest jeder zweite Befragte unter den Systemhäusern und Systemintegratoren die Entwicklung der Branche als "gut" oder gar "sehr gut" einstufte.

Bei der Beurteilung der Geschäftsentwicklung des eigenen Unternehmens zogen alle Befragten eine deutlich positivere Bilanz. Nur jeweils ein Drittel der Befragten beurteilt die eigenen Geschäfte im ersten und zweiten Quartal 2001 als "eher weniger gut" oder "überhaupt nicht gut".

Im ersten Quartal 2001 waren besonders IT-/TK-Dienstleister (82 Prozent), Systemhäuser und Systemintegratoren (82 Prozent), Distributoren (75 Prozent) und Internet-Provider/-Publisher (77 Prozent) mit ihrem eigenen Erfolg zufrieden. Im zweiten Quartal wurden Hardwarehersteller und Distributoren etwas vorsichtiger (Minus zehn bis 14 Prozent), während Telefongesellschaften (77 Prozent) und Software-Häuser (78 Prozent) deutlich optimistischer ihre eigene Lage einschätzten als noch im Quartal zuvor. Der klassische Computer- und Bürofachhandel sowie Kauf-/Warenhäuser und Elektrofachhändler waren in der Einschätzung des eigenen Unternehmens im ersten Halbjahr schon ein wenig zurückhaltender: Nur rund die Hälfte berichtete von einer positiven Geschäftslage.

Hoffen auf die Zukunft

Für die zweite Jahreshälfte prognostizieren sogar knapp 80 Prozent einen positiven eigenen Geschäftsverlauf. Allen voran hegen die Softwarehäuser, aber auch Internet-Provider/-Publisher und - etwas vorsichtiger - die Hardwarehersteller und Telefongesellschaften besonders hohe Erwartungen. Innerhalb des Handels wird die Zukunft sehr unterschiedlich eingeschätzt. Die schon im ersten Halbjahr gebeutelten Computer- und Bürofachhändler sowie die Kauf-/Waren-häuser und der Elektrofachhandel schätzen die Geschäftsentwicklung des eigenen Unternehmens nur zu 69 respektive 63 Prozent positiv gut ein.

Die Systemhäuser und Systemintegratoren liegen mit ihrer Einschätzung der eigenen Firmenzukunft gleichauf mit den IT-/TK-Dienstleistern (82 Prozent). Die Distributoren beruhigten sich nach dem Einbruch im zweiten Quartal - nur 61 Prozent beurteilten die Geschäftsentwicklung des eigenen Unternehmens als "eher gut" oder "sehr gut"- bei der Prognose für das gesamte zweite Halbjahr 2001 wieder ein wenig. Immerhin 75 Prozent sehen opti-mistisch in die Zukunft des eigenen Unternehmens, obwohl nur jeder Zweite die Entwicklung der Branche insgesamt rosig einschätzt.

Her mit den Gewinnen!

Entsprechend den optimistischen Erwartungen für das zweite Halbjahr fallen auch die Prognosen für die Umsatzentwicklung im laufenden Geschäftsjahr aus. Im Durchschnitt gehen die Befragten von einer Umsatzsteigerung von 18 Prozent aus. Zwei Drittel der Experten geben an, dass der Umsatz wohl über dem des Vorjahres liegen wird.

Die durchgehend eher gemäßigte Einschätzung ihrer eigenen Gesamtsituation lassen Kauf- und Warenhäuser beziehungsweise Elektrofachhändler auch bei der Einschätzung der Zukunft vorsichtig abwägen. Ganz anders die Stimmung bei den Internet-Providern/ -Publishern, Systemhäusern und den Telefongesellschaften: Drei Viertel erwarten, dass der Jahresunternehmensumsatz über dem des Vorjahres liegen wird.

Bei der Gewinnerwartung sind fast alle Befragten vorsichtiger. Dennoch prognostizieren die Experten branchenübergreifend ein Gewinnplus von elf Prozent. Nur 16 Prozent der Befragten erwarten geringere Gewinne als im Vorjahr. Hoffnung auf einen grundsätzlich im Vergleich zum vorangegangenen Geschäftsjahr höheren Gewinn machen sich vor allem die InternetProvider/-Publisher und Telefongesellschaften. Am überraschendsten ist die hohe Erwartung der Hardwarehersteller. Sie haben wohl zum Zeitpunkt der Befragung fest an kurzfristige Effizienzsteigerungen durch getätigte Investitionen oder an das bislang traditionell gute Jahresendgeschäft geglaubt. Rückläufige Gewinne befürchten die Kauf-/Warenhäuser und Elektrofachhändler.

www.emnid.de

ComputerPartner-Meinung:

Ist die Stimmung in der ITK-Branche tatsächlich so optimistisch? Oder muss man die oftmals übermäßig positive Einschätzung - vor allem des eigenen Unternehmens - als "Pfeifen im dunklen Wald" verstehen? Eines ist sicher: Wenn die ITK-Branche tatsächlich so von sich überzeugt ist, dann ist sie ja geradezu dafür prädestiniert, der deutschen Wirtschaft unter die Arme zu greifen. Die hat es nämlich bitter nötig. Dem jüngsten Weltwirtschaftbericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge wurde vergangene Woche die Wachstumsprognose für Deutschland um satte 1,1 Prozent auf 0,8 Prozent Wachstum für dieses Jahr heruntergestuft und für das nächste Jahr auf ebenfalls magere 1,8 Prozent berichtigt. (go)

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