Alles oder nichts: Börsengang soll Intershop das Überleben sichern

05.08.1998

LEIPZIG: Intershop Communications, Anbieter von E-Commerce-Standardsoftware, konnte 1997 sein rasantes Wachstum fortsetzen. Hohe Anlaufverluste bescherten dem Start-up-Unternehmen aber gleichzeitig ein Defizit in zweistelliger Millionenhöhe. Wer hilft? Die Börse!Intershop": Zu DDR-Zeiten waren das Konsumläden für devisenbringende Wessis. Heute ist es der Name einer ostdeutschen Firma, die sich im Weltmarkt mit dem gleichnamigen Produkt zu plazieren versucht. Stephan Schambach, Präsident und CEO von Intershop Communications Inc., hat mit der Internet-Standardsoftware Intershop einen Coup gelandet: Die Software für den Handel via Internet, mittlerweile in der dritten Version vorliegend, gilt momentan als technologisch führend. Der Senkrechtstarter aus Jena mit kalifornischer Adresse möchte mit seinem Produkt aber auch im Weltmarkt an vorderster Stelle liegen.

Die Zahlen: Der Umsatz des Start-up-Unternehmens stieg, wie Intershop vor kurzem bekanntgab, im Geschäftsjahr 1997 gegenüber dem Vorjahr von rund einer Million Mark auf weltweit zehn Millionen. Für das erste Quartal 1998 konnte mit einer Steigerung um 47 Prozent auf 6,7 Millionen Mark wiederum ein neues Rekordergebnis vorgelegt werden.

Die junge Firma hat derzeit aber noch kräftig mit Turbulenzen zu kämpfen. Extrem hohe Anlaufverluste im Wettlauf um internationale Marktanteile haben bislang ein riesiges Loch in die Kasse gerissen. Der Jahresfehlbetrag belief sich für das zurückliegende Geschäftsjahr international auf sage und schreibe 14,2 Millionen Mark (1996: 5,4 Millionen Mark Verlust) und liegt damit deutlich über dem Umsatz. Allein zwei Millionen Mark flossen 1997 in die Entwicklung der Software. Investitionsschwerpunkte waren im zurückliegenden Jahr der Aufbau von Niederlassungen in Stuttgart, London und Paris. Damit verbunden waren rasant steigende Personalkosten. Die Zahlen sprechen für sich: Von Januar 1997 bis März 1998 stieg die Zahl der Beschäftigten von 65 auf 265.

Vertrieb und Implementierung der Software erfolgen in Deutschland fast ausschließlich indirekt. Einzige Voraussetzung: Die Vertriebspartner (Systemhäuser, Agenturen, Beratungsfirmen, Softwarehersteller) müssen die Programmiersprachen Perl, HTML und Java beherrschen. In einer fünftätigen Schulung werden die Partner über das Produkt und das Vertriebssystem informiert. Die Jenaer versprechen ihren Vertriebspartnern außerdem Unterstützung bei Marketingaktionen, Pressearbeit und in Vertriebsfragen. Laut Hersteller erhalten Händler die Lizenz für eine Intershop-3-Merchant-Edition zu "besonders günstigen Bedingungen". Diese Lizenz sollte für Demonstrationszwecke genutzt werden. Die Partner können damit aber auch einen eigenen Shop aufbauen. Derzeit laufen etwa 40 Prozent des Geschäfts über Partner - Tendenz steigend. Im deutschsprachigen Raum hat Intershop heute etwa 170 Vertriebspartner, im laufenden Jahr soll diese Zahl verdoppelt werden. Die Händlermargen liegen derzeit bei 25 Prozent. Zu den Partnern gehören auch Service provider wie AOL, Psinet, Xlink und Cybernet.

Um weiter expandieren zu können, geht Intershop Mitte Juni 1998 an die Börse - allerdings zunächst nicht an die New Yorker Nasdaq, an der internationale Technologiewerte gehandelt werden, sondern an den Frankfurter Neuen Markt. "Mit dem Börsengang gewinnen wir Zugang zum Kapitalmarkt und können unser Wachstum leichter finanzieren", erklärt Schambach. Der Börsengang soll dem bedrohlich in die Schieflage geratenen Start-up-Unternehmen zum Turnaround verhelfen. Für 1998 rechnen die Unternehmensstrategen allerdings noch einmal mit Verlusten: "Hohe Investitionen in das Wachstum und in den Ausbau der Marktposition werden auch 1998 das Ergebnis belasten", macht Schambach deutlich. (god)

Führende Software, doch der Zwang zur Expansion nagt gefährlich am Eingemachten: Intershop-Chef Stephan Schambach.

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