Am Fliegenfänger: Natcomp wegen Finanzproblemen bewegungsunfähig?

15.11.2001
Sie wollten an die Spitze, jetzt kämpfen sie ums Überleben: Die Gründer der Natcomp AG, Hendrik und Winfried Hoffmann, verhandeln derzeit mit potenziellen Partnern und Investoren. Gerüchte besagen, das Unternehmen stehe kurz vor der Insolvenz.

Die Zukunft der jungen Natcomp AG hängt offenbar am seidenen Faden: Wie das Unternehmen gegenüber ComputerPartner bestätigt, verhandelt man derzeit mit potenziellen Investoren und möglichen Partnern. In der Branche wird bereits gemunkelt, der B-Brand-Anbieter stehe kurz vor der Insolvenz. Das sei falsch, versichert indessen das Management: "Es wird bald Neuigkeiten bei uns geben - aber sicher nicht solche." Voraussichtlich schon Ende dieser Woche werde man Details zur künftigen Strategie bekannt geben können.

Vom Systemhaus zum Consumer Supplier

Natcomp ging im vergangenen Jahr aus der Systemhaus Computer Dienstleistungen Center GmbH (CDC) hervor. Die wurde vor einigen Jahren vom 31-jährigen Hendrik Hoffmann gegründet und erfolgreich im Markt etabliert. Die Probleme begannen mit der Neuausrichtung: Unter dem Namen Natcomp AG wollte sich das Unternehmen weg vom Systemhaus hin zum erfolgreichen Retail-Lieferanten von Notebooks, PCs und Monitoren entwickeln.

Tatkräftige Unterstützung kam aus der Familie: Der Vater des Jungmanagers, Winfried Hoffmann, verfügt als Ex-Commodore-Manager und ehemaliger Fujitsu-Siemens-Chef über hervorragende Kontakte in der IT-Branche. Er zieht bei Natcomp im Aufsichtsrat noch einige Fäden und war vom Erfolg des Unternehmens überzeugt: "Wir wollen dieses Geschäft im ganz großen Stil nach vorne treiben. Wir haben dazu die Voraussetzungen. In Bezug auf das Wachstum ist das Unternehmen nicht limitiert."

Mit innovativen Ideen und Dumpingpreisen wollte man unter die Top-Ten kommen: "Wir werden auf jeden Fall unter den ersten Drei sein, die einen Laptop mit dem Pentium 4 anbieten", frohlockte Hendrik Hoffmann noch im Sommer. Das Gerät sollte pünktlich zum Weihnachtsgeschäft kommen, mit 1,4 Gigahertz und 256 Megabyte RAM ausgerüstet, etwa 3.500 Mark kosten (ComputerPartner Nr. 28/01, Seite 28). Angedacht wurde außerdem die Zusammenarbeit mit Systemhäusern: Wie Winfried Hoffmann sagte, wollte man diesen Partnern Produkte zur Verfügung stellen, mit denen sie nicht in direkter Konkurrenz zu den Retail-Angeboten stehen würden.

Tatsächlich gelang es Natcomp zunächst, sich erfolgreich im Haifischbecken der Billig-Anbieter zu behaupten: Mit Angeboten wie dem 14-Zoll-TFT-Monitor für 899 Mark erreichte die Firma innerhalb kürzester Zeit einen hohen Bekanntheitsgrad, lieferte sich schon bald mit Hauptkonkurrent Gericom ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Gunst von Lidl & Co.

Achtungserfolge im Haifischbecken

Inzwischen ist es recht still geworden um die Familie Hoffmann. Zur Cebit wurde erstmals gemunkelt, die Bad Homburger hätten mangels flüssiger Geldmittel Aufträge ablehnen müssen. Wer in diesem Segment Geld verdienen will, ist aber vom Tagesgeschäft abhängig und braucht vor allem eines: flüssiges Kapital - Geld, das auch kurzfristig verfügbar ist. Natcomp verfügt nach Angaben von Vorstandschef Hoffmann über ein Stammkapital von 7,5 Millionen Euro. Rund 40 Prozent der Anteile liegen bei "strategischen Partnern aus Taiwan", der Rest beim Management und der Familie Hoffmann. Der Consumer Supplier generierte im vergangenen Jahr mit 60 Mitarbeitern einen Umsatz von 71 Millionen Euro.

Im Vergleich zum Wettbewerb ein kleiner Fisch

Im Vergleich zu den Wettbewerbern ist Natcomp also nach wie vor ein kleiner Fisch. Medion setzte im Rumpfgeschäftsjahr - von August bis Dezember 2000 - nach eigenen Angaben rund zwei Milliarden Mark um. 4-MBO bringt es auf 294 Millionen Euro - rechnet in diesem Geschäftsjahr allerdings mit einem Verlust.

Besonders bitter ist für Natcomp aber die Tatsache, dass Hauptkonkurrent Gericom in unerreichbare Sphären abhebt: Allein im ersten Quartal dieses Jahres setzte der Anbieter 163,3 Millionen Euro um, meldet aktuell einen Rekordauftragsbestand von über 100 Millionen Euro für das vierte Quartal. Gericom kämpft im Notebook-Markt nur noch gegen Toshiba, Natcomp ist dem Unternehmen nicht einmal einen Kommentar wert.

IPC Archtec zeigt ebenfalls, dass man in diesen Zeiten noch Geld verdienen kann: Der börsennotierte Anbieter hat im ersten Halbjahr einen Umsatz von 319,6 Millionen Mark und Gewinne vorzuweisen. Allerdings hält das Unternehmen neuerdings an der Strategie fest, nur noch margenstarke Produkte anzubieten. Natcomp habe die Profitabilität vernachlässigt, ist ein Branchenkenner sicher: "Bei Monitoren wurde oft mit Negativmarge verkauft, bei den Notebooks sah es wohl ähnlich aus." Bargeld könnte Natcomp derzeit noch ein Börsengang bringen. Der wurde bereits im Frühjahr angekündigt und gilt derzeit als "auf unbestimmte Zeit verschoben".

www.natcomp.de

ComputerPartner-Meinung:

Natcomp hat sich übernommen. Um sich gegen den Wettbewerb durchzusetzen, ging der Anbieter mit Angeboten auf den Markt, die er sich wohl eigentlich nicht leisten konnte. Wenn man nun nicht bald einen Investor findet, dürfte das Retail-Kapitel der Hoffmanns bald zu Ende sein: Da hilft auch der große Bekanntheitsgrad des Namens Hoffmann nicht mehr weiter. (mf)

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