Am Sparen im Beschaffungsprozess verdienen nur die Großen

22.02.2001
E-Procurement (elektronische Beschaffung) ist ein lohnendes Geschäft: für die Unternehmen, die über den Einsatz elektronischer Beschaffungslösungen Geld sparen, und für Hersteller, die diese Systeme über große Partner wie Cap Gemini vertreiben. Der kleine Dienstleister an der Ecke hingegen bleibt (noch) außen vor.

Wer mit spitzem Stift rechnet, gewinnt: Das beweist die erste deutsche E-Procurement-Studie, die 1998 von der Frankfurter Flughafen AG (FAG) erarbeitet wurde. Die FAG hatte den gewohnten - teuren - Beschaffungsvorgang von Verbrauchsartikeln aufaddiert und mit der digitalisierten Alternative verglichen. Dabei stellte man fest, dass Bestellungen mit niedrigem Auftragswert zu hohe Prozesskosten verursachen. So dauerte die Order von drei Kisten Kopierpapier 182 Minuten, die Beschaffungskosten betrugen 276 Mark.

Als Konsequenz schuf FAG das E-Procurement und entwirrte die Beschaffungsprozesse. Zudem automatisierte sie die papierbasierenden Zeitfresser wie Bestellanforderung, Genehmigungsverfahren, Budget- und Mittelkontrolle, Anlagenbuchhaltung, Angebotsanalyse, Rechnungsprüfung, Eingangsbuchung und Zahlungsanweisung. Das Resultat war überwältigend: FAG sparte 4,4 Millionen Mark jährlich an Kosten ein. Die Bearbeitungskosten für Bestellungen von kleineren Artikeln sanken sogar um 87 Prozent. Und die drei Kisten Kopierpapier beanspruchten nur mehr 18 Minuten Bestelldauer und kosteten 35 Mark.

Kosteneinsparungen von bis zu 50 Prozent möglich

Die FAG blieb kein Einzelfall. Auch andere Gesellschaften haben mittlerweile die Vorteile von E-Procurement schätzen gelernt. So ist die Aberdeen Group überzeugt, dass sich die Material- und Dienstleistungskosten mit Hilfe von E-Procurement um fünf bis zehn Prozent verringern lassen, wobei sich der durchschnittliche Zeitaufwand für einen kompletten Bestellvorgang von 7,3 auf zwei Tage reduzieren lässt. Damit sinken die Verwaltungskosten von 107 Dollar auf 30 Dollar pro Auftrag. Bei den Lagerkosten lassen sich 25 bis 50 Prozent der Kosten sparen.

Zwar setzen nach einer Analyse von KPMG derzeit nur 35 Prozent der Unternehmen E-Procurement-Lösungen im Bestellprozess ein, wobei sich diese Projekte meist noch im Testbetrieb befinden. Auch arbeitet laut einer Befragung derzeit nur jeder zehnte Mitarbeiter mit einem elektronischen Ka-talogsystem. Doch 75 Prozent der untersuchten Firmen planen, E-Procurement zu nutzen und so interne Prozesskosten zu senken. Demzufolge erwarten die Auguren von Frost & Sullivan, dass der europäische Markt für Marktplatz- und E-Procurement-Lösungen von 41 Millionen Dollar im Jahr 1999 auf rund 2,4 Milliarden Dollar bis zum Jahr 2006 anwachsen wird.

Das sind gigantische Aussichten für Anbieter, die sich auf E-Procurement spezialisiert haben. Unternehmen wie Oracle, Ariba, Peregrine Systems, I2, Healy Hudson oder Commerce One erwartet ein äußerst lukratives Geschäftsfeld. Mit diesen Partnern verdienen werden aber nur große Systemhäuser wie Price Waterhouse Coopers oder Cap Gemini, nicht jedoch die kleinen Dienstleister. Kaum ein Hersteller setzt in Sachen E-Procurement auf den indirekten Kanal.

Peregrine: E-Procurement trifft Asset-Management

Dass sich E-Procurement lohnt, davon ist Stefan Berger von der Peregrine Systems GmbH überzeugt. "In Unternehmen gibt es zwei unterschiedliche Lieferketten. Auf der einen Seite steht der Einkauf der Produkte, die man für den eigentlichen Herstellungsprozess benötigt. Diesen Markt decken ERP-Systeme wie SAP bereits ab", formuliert der Leiter Solutions Consulting. "Daneben steht der Einkauf aller Güter, die letztendlich im Unternehmen verbleiben. In diesem Bereich gibt es noch erhebliche Einsparungspotenziale - etwa durch E-Procurement."

Hier setzt auch Peregrine Systems’ "Get.Resources" an. Diese Applikation aus der Produktsuite "Get.it" ermöglicht die Bestellung von einer Web-basierenden Oberfläche aus. Die Lösung erfasst aber auch die finanziellen Aspekte und technischen Informationen rund um das Investitionsgut. Damit werden die während der Gesamtbetriebszeit tatsächlich anfallenden Kosten eines Computers erfasst. Zudem lässt die E-Procurement-Lösung den Zugriff auf das Servicecenter und damit alle Backend-Systeme von Peregrine zu.

Mit Get.Resources richtet sich Peregrine sowohl an Großunternehmen als auch an den Mittelstand und Kleinfirmen. Alle Key-Accounts vermarktet der Hersteller direkt, ansonsten setzt er auf Systemintegratoren, VARs und Consulting-Partner wie Santix, IBM-Global-Services, Siemens, Arxes Information Design AG oder Systematics. Ein mehrstufiges Partnerprogramm regelt die Rechte und Pflichten dieses Kanals.

"Neue Partner sind bei uns immer willkommen - sofern sie wirklich bereit sind, sich zu engagieren", bricht Berger eine Lanze für den Channel. "Wenn wir neue Partner gewinnen, erstellen wir zunächst einen gemeinsamen Business-Plan, der etwa Auskünfte über die vorhandenen Kunden und das Marktpotential enthält. In Anlehnung an diese Daten verlangen wir ein Vorab-Commitment. So muss der neu gewonnene Partner zum Beispiel eine gewisse Anzahl von Vertriebskräften und Presales-Personal schulen lassen," geht der Peregrine-Manager ins Detail. Im Gegenzug unterstützt der Hersteller den Neuzugang mit eigenen Marketing-, Presales- und Vertriebsmitarbeitern.

Poet Software steht am Ende von E-Procurement

Mit E-Procurement hat die Poet Software GmbH vordergründig zunächst nichts zu tun. Und doch ist der Software-Anbieter maßgeblich in diesem Geschäftsfeld involviert. Die Lösungen von Poet versetzen nämlich Lieferanten in die Lage, die elektronische Beschaffungswege ihrer Auftraggeber zu nutzen. Jene wiederum ermöglichen dies, indem sie ihre Kataloge E-Procurement-fähig machen.

So versorgt Poet die Lieferanten mit "E-Supplier-Link". Damit lassen sich Daten so aufbereiten und Content so zuschneiden, dass eine Zusammenarbeit mit mehreren E-Procurement-Systemen - und auch Marktplätzen - möglich wird. Kunden wie Reiff, Barduch sowie Kaiser und Kraft setzen bereits diese Variante ein. Mit "E-Supplier-Web" bedient Poet Marktplatzbetreiber wie DT-Medien oder Smartmission, die via Web-Hosting eine Lösung für Lieferanten anbieten. Und schließlich offeriert der Software-Hersteller eine Variante, mit deren Hilfe Kunden wie Dresdner Bank und Phillips eingehende Kataloge testen, sie an die hauseigene E-Procurement-Umgebung anpassen und nach bestimmten Kategorien zusammenstellen.

All die genannten Systeme erzeugen eine von dem jeweiligen E-Procurement-System geforderte XML-Variante. Sie unterstützen Klassifizierungs-Schemata wie BMEcat des Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e. V, aber auch klassische Kodifizierungssysteme wie Eclass (www.eclass.de) oder UN/SPSC (United Nations Standard Product & Service Code). Ferner schneiden die Poet-Lösungen die Angebote kundenspezifisch zu. Denn nicht jeder Anwender eines E-Procurement-Systems will seinen Kollegen die gesamte Produktpalette etwa von HP, Compaq oder Siemens anbieten. Vielleicht kommt nur eine Teilauswahl in Frage.

Der Vertrieb dieser Lösungen als OEM-Variante erfolgt über den Channel. Robert Helgerth, Geschäftsführer von Poet Software GmbH, erklärt hierzu: "Allerdings bedienen wir nicht den klassischen Channel im eigentlichen Sinne. Unsere Partner haben in der Regel eigene Lösungen, die unsere Software ergänzen." Marktplatzbetreiber, die Web-Hosting anbieten, beliefert Poet hingegen direkt.

Commerce One setzt auf SAP als Partner

Auch Commerce One bietet mit "Enterprise Buyer" eine eigene E-Procurement-Lösung an. Gemeinsam mit SAP entwickelt, ist diese in zwei Varianten erhältlich: Als "Desktop Edition" richtet sie sich vorwiegend an nicht professionelle Einkäufer, die weniger hochwertige Verbrauchsgüter wie Büromaterial bestellen. "Diese Variante ist bedienerfreundlich und kann in bestehende elektronische Marktplätze integriert werden", informiert Klaus Hommer, General Manager Commerce One Deutschland. Als "Professional Edition" bietet der Enterprise Buyer zusätzliche Features für professionelle Einkäufer von höherwertigen Produkten.

Bei der Vermarktung seiner elektronischen Beschaffungslösung fährt der Hersteller dreigleisig: Per Direktvertrieb unterstützt er Großkunden wie Siemens, General Motors oder Deutsche Telekom. Gemeinsam mit SAP verkauft Commerce One Produktbündel. Außerdem arbeitet der Marktplatzspezialist noch mit diversen Systemintegratoren wie KPMG, Price Waterhouse Coopers, Accenture und Cap Gemini zusammen, hinzu kommen strategische Partnerschaften mit Plattformanbietern wie Compaq oder Microsoft.

Mittelständische und kleinere Wiederverkäufer bedient Commerce One zumindest im Sektor elektronische Beschaffung nicht. Hommer erläutert: "Der E-Procurement-Spezialist muss eine Gesamtlösung anbieten können - inklusive Beratung und Implementierung. Nicht viele Dienstleister können diesen Leis-tungsumfang im Auftrag großer Firmen abdecken. Zwar hat auch der Mittelstand enormen Bedarf an E-Procurement-Lösungen. Allerdings ist das nicht unsere Klientel", grenzt der Deutschlandchef von Commerce One seinen Wirkungskreis ein.

Oracle: iProcurement als Sammelpackung

Auch der Datenbankhersteller Oracle ist bei E-Procurement mit von der Partie. Dessen Lösung "Internet Pocurement" besteht aus mehreren Modulen: Es gibt Web-basiertes Frontend für den Client. Das "Internet-Supplier-Portal" lässt den Lieferanten auf die Beschaffungsplattform seines Kunden. Dort kann er zum einen Daten abrufen, zum anderen Informationen wie Bestellbestätigungen direkt in das System des Kunden zurückschreiben.

"Purchase Intelligence", ein weiteres Modul, ermöglicht statistische Auswertungen über Ausgaben im Einkauf. Also: Welche Artikel werden am häufigsten bestellt? Welche Kosten sind bei welchem Lieferanten aufgelaufen? Welche Lieferfris-ten sind bei welchem Anbieter zu beachten?

Alle Bausteine lassen sich einzeln einsetzen. In der Summe ergeben sich diverse Möglichkeiten rund um Beschaffung und Analyse, die durch eine Partnerlösung noch um Produktdaten-Management-Software erweitert werden können.

Beim Vertrieb der E-Procurement-Produkte setzt auch Oracle vorwiegemd auf den direkten Kanal. "Alle Firmen mit mehr als 500 Millionen Jahresumsatz betreuen wir selbst", versichert Jürgen Schön, Produkt-Manager Procurement von Oracle Deutschland. Zusätzlich arbeitet der Hersteller mit Implementierungspartnern wie Price Waterhouse Coopers und Cap Gemini zusammen. "Klassische Wiederverkäufer bedienen wir natürlich auch. Aber wir sehen es nicht unbedingt als strategischen Mehrwert an, unsere E-Procurement-Lösung über Partner zu verkaufen. Denn Oracle ist groß genug, seine Lösung selbst flächendeckend an den Mann zu bringen", distanziert sich der Oracle-Manager ganz klar vom Fachhandel.

Ariba: die Global-2000-Unternehmen als Zielkunden

Noch weniger mit dem indirekten Kanal hat Ariba am Hut. Der selbst ernannte "Marketplace Enabler" vertreibt seine E-Procurement-Lösung "Ariba Buyer" immer noch zu 70 Prozent selbst, den Rest erledigen nicht einmal die Big Five der Systemintegrator-Szene, sondern Partner wie IBM, Unisys, J.D.Edwards und I2.

Peter Bernard, Marketing-Leiter für Zentraleuropa, hält E-Procurement nur für eine Vorstufe des virtuellen Marktplatzes. Im Gegensatz zu Lösungen von Oracle und Commerce One erfolgt die Anbindung der Lieferanten nicht etwa innerhalb des Unternehmensnetzwerkes oder im Extranet, sondern hinter der Firewall. Das heißt, die Lieferanten können sich kostenlos registrieren lassen und werden dann Web-basierend an das Ariba Commerce Services Network angebunden - es muss keine zusätzliche Client-Software installiert werden.

Dann wird aber auch die Hilfe von Systemhäusern nicht benötigt, lediglich der Marktplatzbetreiber muss die entsprechende Lösung implementieren. Und nachdem Ariba mit seiner E-Procurement-Lösung vorerst die Global-2000-Unternehmen adressiert - in Deutschland etwa BMW -, müssen kleinere Dienstleister erst mal draußen bleiben.

www.ariba.com

www.commerceone.com

www.i2.com

www.oracle.de

www.peregrine.com

www.poet.de

Computer-Partner-Meinung

E-Procurement ist in aller Munde, Einsparungen im Beschaffungsprozess von bis zu 50 Prozent werden versprochen, doch die Systemhäuser gehen leer aus. Marktführer Ariba, Commerce One und Oracle geben offen zu, dass sie diese Art von Partner nicht benötigen. Doch dies wird sich ändern, sobald der Mittelstand die elektronischen Beschaffungsmöglichkeiten entdeckt. Denn diese Kunden werden sich Unternehmensberater von KPMG oder Accenture kaum leisten können. Hier sind VARs mit entsprechenden Branchenkenntnissen gefragt. (cry/rw)

Kurz Gefasst

E-Procurement ist mehr als ein Marktplatz

E-Procurement bezeichnet den gesamten Prozess der elektronischen Beschaffung in einem Unternehmen. Dieser Vorgang fängt beim Bedarfsträger an und hört in der Finanzbuchhaltung oder direkt beim Lieferanten auf. Somit bindet E-Procurement in einem Betrieb Mitarbeiter aus sämtlichen Bereichen und Hierarchien ein und setzt damit klar definierte Schnittstellen voraus.

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