Am Verkauf im Internet führt für Hersteller kein Weg vorbei

06.04.1999

MÜNCHEN: Auf die Frage: "E-Commerce - Gefahr oder Chance für den Fachhandel?" hat die Lexmark Deutschland GmbH mit "Beides" ihre Antwort gefunden. Dennoch, oder gerade deshalb, steht für den Druckerhersteller fest: kein Geschäft ohne Fachhandelspartner.Die derzeitige Situation in Sachen E-Commerce ist aus Sicht von Ronald Schild, bei Lexmark für das Internet-Geschäft zuständig, eindeutig: "Die Frage ist heute nicht, ob und wie E-Commerce unser Geschäft beeinflussen wird. Vielmehr dreht es sich darum, wie schnell es geht." In der Tat sind die Zahlenwerke der verschiedenen Marktforschungsunternehmen unmißverständlich. So prognostiziert beispielsweise Forrester Research einen Umsatz für den deutschen Markt im Jahr 2001 von rund 15 Milliarden Dollar. Im vergangenen Jahr lag dieser Betrag fast noch bei 0. Ähnliche Entwicklungen sind auch bei Jupiter Research nachzulesen: Während die Marktforscher in diesem Jahr in Deutschland von einem Umsatz bei Online-Shopping im Consumer-Bereich von knapp 200 Millionen Dollar ausgehen, sollen im Jahr 2002 schon rund zwei Milliarden Dollar eingenommen werden. Phantastische Aussichten also für alle Marktteilnehmer, die rechtzeitig auf den E-Commerce-Zug aufspringen.

Kunden wollen beim Hersteller kaufen

Eine weitere Untersuchung aber bringt, zumindest für den Fachhandel, die Ernüchterung: Nach einer Studie namens "Marketing 2000" von Spiegel Online präferieren zwei Drittel aller Internet-Nutzer den Online-Einkauf beim Hersteller. Nur gut 15 Prozent der Befragten, die sich in Privatnutzer und Geschäftskunden aufteilen, würden nach dieser Studie online beim Fachhandel kaufen. Als Gründe dafür sieht Schild zwei Dinge: "Ein wesentlicher Gesichtspunkt ist die Bekanntheit des Herstellers. Der typische Internet-Anwender will nur dort kaufen, wo er die Marke gut kennt. Außerdem wird anscheinend die Beratungskompetenz des Fachhandels im Internet nicht so geschätzt." Die Konsequenz aus dieser Studie: "Wir müssen den E-Com-merce-Weg gehen, sonst kauft der Kunde bei anderen Herstellern", macht Marketingchef Wolfgang Schöffel deutlich. Für Lexmark laute daher die Frage nicht "Wie schützt die Industrie den Fachhandelspartner vor dem Internet?", sondern "Wie kann der Handelspartner mit E-Commerce neues Business machen?"

Den Kunden in den Laden locken

Prinzipiell, daran läßt Schöffel keinen Zweifel, werde E-Commerce bei seinem Unternehmen nur in Einbeziehung des Fachhandels realisiert. Aus diesem Grund habe Lexmark ein Modell aufgestellt, das aus Sicht des Druckerspezialisten sowohl dem Fachhandel als auch Lexmark zugute kommt. Dabei bestellt der Kunde direkt auf der Lexmark-Webseite das gewünschte Produkt. Anhand seiner Daten, die er bei der Bestellung eingeben muß, werde dann festgestellt, ob es sich um einen Geschäfts- oder einen Privatkunden handelt, erläutert Schöffel. Dementsprechend erhalte er eine Auswahl an Fachhändlern. Der Preis für die Geräte sei bei allen Fachhändlern gleich und werde in Abstimmung mit den beteiligten Partnern festgelegt.

Für den Fachhändler gibt es danach zwei Möglichkeiten: Entweder er bringt den Kunden dazu, das Gerät abzuholen, oder er liefert den

Drucker direkt beim Enduser aus. Aus Schöffels Sicht ist die erste Variante für Lexmark-Partner die bessere: "Für den Fachhändler ist es doch toll, wenn er damit einen Kunden in den Laden bekommt, den er vorher noch nie gesehen hat und mit dem er vielleicht ein zusätzliches Geschäft machen kann." Allerdings schränkt auch Schöffel ein: "Wenn es sich um einen konsequenten Internet-Kunden handelt, will er das Gerät natürlich am liebsten nach 24 Stunden bei sich zu Hause haben."

Harte Bandagen für den Fachhandel

Kai-Uwe Bruchbacher, Lexmark-Partner und Vertriebsleiter bei der Mirwald Elektronik GmbH, sieht damit allerdings ein anderes Problem auf sich zukommen. "Es gibt allein im Raum München einige hundert Leistungspartner. Nach welchen Kriterien wählt denn Lexmark dann aus, wer die Bestellung ausführen darf?", fragt er sich. "Der Partner muß sich natürlich für das E-Commerce-Geschäft qualifizieren. Für uns heißt das schnelle Lieferfähigkeit, die Bevorratung von Druckern und Verbrauchsmaterialien und Erfahrungen im Versandgeschäft", nennt Marketingleiter Schöffel die Voraussetzungen. Aus der Sicht des Fachhandels sind das natürlich harte Bandagen, wie er zugibt. Dennoch: "Der Kunde verlangt das. Die schnellen Lieferzeiten sind nun einmal als Standard von anderen Anbietern gesetzt worden."

Als weiteren Vorteil für Handel und Hersteller nennt Schöffel Kostenersparnisse. "Wir bekommen sehr schnell die Bestellung herein, und der Fachhändler braucht das Gerät nicht zweimal anzufassen. Trotzdem bleibt er in das Konzept eingebunden und kann seinen Support anbieten."

Die Bedenken von Bruchbacher sind damit aber noch nicht vom Tisch. "Angst vor dem Internet haben wir nicht", erklärt der Mirwald-Vertriebsleiter. Dennoch würden ihn die Initiativen der Hersteller nachdenklich stimmen. "Letzten Endes kann doch der Hersteller irgendwann noch einen Schritt weitergehen und liefert dann auch direkt aus", so seine Befürchtung. "Wir denken nicht daran, den Endkunden direkt zu beliefern", verspricht Schöffel. "Unser Modell geht vielmehr dahin, Bestellungen zu sammeln und dann an den Fachhandel weiterzugeben. Der Kunde hat somit den Eindruck, bei Lexmark direkt zu kaufen und der Fachhändler kann dann dem Kunden weitere Produkte verkaufen", faßt der Marketingchef seine Überlegungen zusammen und fügt hinzu: "Provokant gesprochen könnte man auch sagen, der Händler kann sich geruhsam hinsetzen und auf die Bestellungen warten."

Beratungsleistung steht im Mittelpunkt

Um es dabei nicht bewenden zu lassen, hat sich Lexmark noch ein anderes Modell ausgedacht, das zwar laut Schöffel derzeit noch nicht umgesetzt wird, aber in zwei bis drei Jahren durchaus denkbar wäre. Dabei handelt es sich um einen Beratungsscheck, der jedem Gerät beiliegt. "Wir können niemanden garantieren, daß es niemals einen Lexmark-Drukker direkt geben wird. Aus diesem Grund haben wir uns die Stärken und die Schwächen des Fachhandels angeschaut, und eine der Stärken ist sicherlich die Beratungsleistung des Handels", erklärt Schöffel die Initiative für die neue Idee, die er in groben Zügen so beschreibt: "Der Kunde kauft im Internet bei Lexmark einen Drucker. Bei diesem Gerät findet er einen Beratungsscheck in Höhe von etwa 10 bis 15 Prozent des Warenwertes. In dem Moment, da er ein Problem mit dem Gerät hat, ruft er bei einer Hotline an und läßt sich den nächstgelegenen Händler nennen. Mit dem Scheck geht der Kunde dann dorthin und läßt sich für, sagen wir einmal, eine halbe Stunde beraten. Nach dieser Zeit hat der Händler dann dem Kunden hoffentlich nicht nur das Gerät eingerichtet, sondern auch Papier oder Zubehör verkauft und ihm außerdem ein tolles Angebot für einen PC gemacht, der nächste Woche im Angebot ist. Den Gutschein reicht der Händler im Anschluß bei uns ein und bekommt das Geld von uns in bar zurück."

Der Kunde lernt, dass Beratung Geld kostet

Aus dieser Konstellation ergeben sich nach den Worten Schöffels jede Menge Vorteile für die Partner. "Der Consumer lernt dabei, daß Beratung auch Geld kostet. Außerdem bekommt der Fachhändler neue Kunden, die er vielleicht nie zu Gesicht bekommen hätte. Und der Händler kann seine Stärken ausspielen und wird somit Partner von E-Commerce", zählt Schöffel auf. Voraussetzung für ein erfolgreiches Unterfangen sei aber auch eine gute Ausbildung der Fachhandels-partner. "Jene Partner, die heute meinen, daß man mit dem reinen Hardwareverkauf langfristig überleben kann, sind aus meiner Sicht keine richtigen Fachhändler", macht er deutlich. Vielmehr müsse man sich an der Situation in den USA orientieren. "Dort gibt es Beratungsunternehmen, die gegen ein ordentliches Entgelt bei Problemen helfen, und Anbieter, die wirklich Massenware absetzen", sagt Schöffel und ergänzt: "Den typischen Fachhandel gibt es dort schon lange nicht mehr." (sn)

Wolfgang Schöffel, Marketingleiter bei Lexmark Deutschland: "Wir können niemanden garantieren, daß es niemals einen Lexmark-Drucker

direkt geben wird."

Zubehör wie Tintenpatronen und Papier gibt es heute schon auf der Lexmark-Homepage direkt beim Hersteller.

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