Expert-Chef Jochen Ludwig im Interview

"Amazon ist für die Kunden ein tolles Modell"



Matthias Hell ist Experte in Sachen E-Commerce und Retail sowie  Buchautor. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge in renommierten Handelsmagazinen und E-Commerce-Blogs. Zuletzt erschien seine Buchveröffentlichung "Local Heroes 2.0 – Neues von den digitalen Vorreitern im Einzelhandel".
Im Antritts-Interview mit ChannelPartner macht der neue Expert-Chef Jochen Ludwig klar, dass er zwar keinen Bruch mit dem Kurs seines Vorgängers Volker Müller plant, aber neue Akzente setzen will. Neben der Sicherung der Standortnachfolge hat für ihn vor allem die Positionierung der Verbundgruppe im Online-Umfeld Priorität.
Seit Anfang April ist Jochen Ludwig Vorstandsvorsitzender von Expert
Seit Anfang April ist Jochen Ludwig Vorstandsvorsitzender von Expert
Foto: Expert

channelpartner.de: Expert hat sich mit Ihrer Berufung zum Vorstandsvorsitzenden für einen Branchenaußenseiter entschieden - Sie haben den Großteil Ihrer bisherigen Laufbahn bei der Baumarktkette OBI verbracht. Das bietet die Chance für einen unvoreingenommenen Blick auf das Unternehmen. Wie haben Sie Expert bei Ihrem Antritt wahrgenommen?

Jochen Ludwig: Als ich angesprochen wurde, ob ich für die Position zur Verfügung stehe, habe ich mich erst einmal mit Expert beschäftigt. Ohne Hintergrundwissen habe ich Filialen besucht und dort verschiedene Kleinigkeiten gekauft. In den meisten Märkten war mein Eindruck sehr gut. Ich war beeindruckt von der Mitarbeiter- und Betreiberleistung, vom wiedererkennbaren Layout und der Konstanz der Marke und von der Warenverfügbarkeit. Bei Expert traf ich auf ein ganz anderes Handelsmodell, als ich es bisher von OBI kannte - von der Größe der Flächen bis hin zur Anzahl der Mitarbeiter. Gleichzeitig war mir die Struktur von Expert sehr vertraut, denn auch bei OBI gibt es neben den zentral geführten Märkten eine Vielzahl an Franchisenehmern. Von daher habe ich ein Faible für Unternehmertum und für die Individualität der verschiedenen Händlerpersonen. Bei Expert wollen die Gesellschafter mitdiskutieren und mitgestalten. Ich finde das sehr gut und bin überzeugt, dass das ein Modell mit Zukunft ist.

channelpartner.de: Als neuer Vorstandsvorsitzender von Expert wollen Sie die Verbundgruppe aber auch selbst gestalten. Was sind die Bereiche, die Ihnen bei Ihrer Auseinandersetzung mit Expert in dieser Hinsicht am stärksten aufgefallen sind?

Jochen Ludwig: Der eine Schwerpunkt, den ich für die kommenden Jahre bei Expert sehe, ist systemimmanent und das ist das Problem der Unternehmensnachfolge. Unsere Gesellschafter sind demographisch nicht mehr so jung und schon heute haben wir - wie die anderen Verbundgruppen auch - einen Rückgang der Mitglieder, vor allem bei den kleineren Flächen. Es ist eine Herausforderung, jemand zu finden, der sich diesem harten Geschäft stellen will und der bereit ist, ein Unternehmen nach dem Rückzug eines Gesellschafters weiterzuführen. Meine Aufgabe ist es, neue Unternehmer von außen zu gewinnen. Hier ist es wichtig, die Richtigen anzusprechen und passende Programme für die Unternehmensnachfolge zu entwickeln.

"Es werden unrealistische Übernahmepreise gezahlt"

channelpartner.de: Stärker als Euronics und EP war Expert in den vergangenen Jahren dazu bereit, zur Disposition stehende Standorte als Regiebetriebe selbst weiterzuführen - zuletzt die Bening-Kette mit 27 Märkten. Wird das Nachfolgeproblem zu einer weiteren Stärkung des zentral geführten Geschäfts innerhalb der Verbundgruppe führen?

Jochen Ludwig: Ich bin mir nicht sicher, ob das zentral geführte Geschäft bei Expert wirklich eine stärkere Rolle einnimmt. Es geht hier ja um Fachmärkte, die es bei den anderen Verbundgruppen nicht in dieser Anzahl gibt, oder die von vornherein anders organisiert sind. Die Vergleichbarkeit beim Thema Regiebetriebe würde ich daher in Frage stellen.

Expert hat heute 61 eigene Märkte und damit macht das zentral geführte Geschäft einen relevanten Umsatzanteil aus. Als ich zu Expert kam, habe ich mich auch gefragt: Gibt es ein Maximum für die Anzahl der Regiebetriebe? Das haben mich übrigens auch die Gesellschafter gefragt - schließlich bin ich ja aus einem eher filialisierten Unternehmen zu Expert gestoßen. Aber die Antwort ist, dass es keine Grenze und keine Festlegung gibt, sondern dass es sich um einen Prozess handelt. Expert hatte nie das Ziel, eigene Märkte zu betreiben, diese Entwicklung ist den Umständen geschuldet. Nur wenn es nicht machbar ist, einen Unternehmer oder einen bestehenden Gesellschafter zu finden, der einen Standort weiterführt, machen wir das selbst. Für uns ist das eine faktische Notwendigkeit - aber kein notwendiges Übel, denn dafür laufen die Regiebetriebe zu gut. Wir haben Regiebetriebe übrigens auch bereits wieder an Unternehmer zurückgegeben. Und Expert bleibt weiterhin klar ein dezentrales Unternehmen: Die Regiebetriebe sind in einer eigenen Gruppe angesiedelt, der Expert Wachstums- und Beteiligungs SE, innerhalb der es wiederum eine sehr starke dezentrale Aufstellung gibt.

Die Expert Zentrale in Langenhagen bemüht sich aktiv um eine Fortführung bedrohter Standorte
Die Expert Zentrale in Langenhagen bemüht sich aktiv um eine Fortführung bedrohter Standorte
Foto: Expert

channelpartner.de: Vor einem Jahr hatte Media-Saturn angekündigt, durch die Übernahme von Verbundgruppen-Standorten in die Regionen vorstoßen zu wollen. Spüren Sie die Konkurrenz von Media-Saturn, wenn es um Fortführung attraktiver Standorte geht?

Jochen Ludwig: Es gibt bisher nur einen Fall, in dem Expert-Standorte zu Media-Saturn gewechselt sind. Natürlich ist nach wie vor viel Geld auf dem Markt unterwegs. Aber ob das ein Erfolgsmodell ist? Es ist im heutigen Markt auf jeden Fall nicht hilfreich, wenn unrealistische Übernahmepreise gezahlt werden. Es gibt Zahlungen, die den eigentlich Wert des Unternehmens überschreiten, und Expert wird da nicht mitmachen. Wir wollen gut geführte Märkte übernehmen, aber nicht zu einem überhöhten Preis. Die Expert steht hier in der Verantwortung gegenüber ihren Gesellschaftern.

"Wir müssen online Lücken schließen"

channelpartner.de: Welche Hauptherausforderung sehen Sie neben der Nachfolgethematik für das laufende Geschäft von Expert?

Jochen Ludwig: Das ist für mich klar die Frage nach der Zukunft des Einzelhandels, von E-Commerce bis Crosschannel. Wir müssen hier unter Beibehaltung unserer heutigen Stärken unsere Positionierung weiterentwickeln. Generell werden sich die Rahmenbedingungen in unserer Branche weiter verändern, und auch unsere Vorgehensweise wird sich kontinuierlich weiterentwickeln.

channelpartner.de: Was meinen Sie damit konkret?

Jochen Ludwig: Aus einer reinen Endkundensicht ist Amazon mit seiner Prozessbrillanz ein tolles Modell. Expert muss nun definieren: Wie weit wollen wir hier mitgehen? Wir haben nicht den Anspruch, zu einem Pure Player zu werden, aber wie weit wollen wir uns an den E-Commerce anlehnen? Und wie passt das zu unserem bestehenden stationären Modell? Wir sehen, dass das Thema ‚Reservieren und Abholen’ gut für uns funktioniert und dass es uns damit gelingt, Kunden in unsere Geschäfte zu bekommen. Aber das ist nur ein Kundenbedürfnis. Es gibt auch das Bedürfnis, am Wochenende, wenn die Geschäfte geschlossen haben, online einzukaufen. Hier bieten wir den Kunden bisher nur eine beschränkte Effizienz. Das ist eine Lücke, die wir schließen müssen.

Bereits bei der Frühjahrstagung von Expert hatte Jochen Ludwig die Gesellschafter der Verbundgruppe auf verstärkte Online-Aktivitäten vorbereitet
Bereits bei der Frühjahrstagung von Expert hatte Jochen Ludwig die Gesellschafter der Verbundgruppe auf verstärkte Online-Aktivitäten vorbereitet
Foto: Expert

Mehr zentral gesteuertes Online-Geschäft

channelpartner.de: Sie wollen also das Online-Angebot von Expert stärken. Werden Sie dabei weiterhin auf ein dezentrales Modell setzen und die Expert-Gesellschafter in die Online-Bestellabwicklung miteinbeziehen? Oder werden Sie - ähnlich wie das bei Medimax und EP der Fall ist - Ihr zentrales Online-Sortiment ausbauen?

Jochen Ludwig: Unser Schwerpunkt bleibt online weiterhin dezentral mit dem Ansatz, die Kunden im Netz für unsere stationären Geschäfte abzuholen. Doch wir müssen das künftig stärker zentralisiert unterstützen. Das kann bedeuten, dass wir aus der Zentrale Waren versenden oder auch aus dem Nachbarmarkt, der einen Artikel verfügbar hat. Wir sind gerade dabei, die nötigen technischen Strukturen dafür umzusetzen. Unsere Gesellschafter begrüßen diese Vorgehensweise.

channelpartner.de: Das wäre eine Abkehr vom Kurs Ihres Vorgängers Volker Müller, der die Bedeutung des Online-Geschäfts für Experts recht niedrig einstufte. Steht der Führungswechsel bei Expert damit auch für eine Neuausrichtung in der Online-Thematik?

Jochen Ludwig: Volker Müller hat das Ziel gehabt, beim Thema Online möglichst viele in der Expert-Gruppe mitzunehmen. Aber auch er wusste, dass es jetzt an der Zeit ist, den nächsten Schritt zu gehen. Das werde ich nun fortführen. Aber klar ist, dass es auch mit mir keine wilden Online-Aktionen geben wird. Wir müssen das gut austarieren - so wie in der letzten ‚Black Week’, als Expert das bereits sehr gut umgesetzt hat.

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