Amiga meldet sich nach turbulenten Zeiten zurück

15.04.1999

LANGEN: Nachdem sie fast schon in der Versenkung verschwunden waren, lassen die "Amigas" jetzt wieder aufhorchen. Für die zum Jahresende erscheinende Produktfamilie liegen die ersten Rahmendaten vor.Manchmal erinnert die Computerbranche ans Boxen. Zwischen den Firmen fliegen die Fäuste, hin und wieder geht jemand k.o., und in der Regel setzen sich die Stärksten und Ausdauerndsten durch. Auch bei Amiga lag in den letzen Jahren der Vergleich mit dieser Sportart nahe. Schließlich wankte die einstige Vorreiterfirma zuletzt wie ein angeschlagener Boxer durch den Ring. Zwei Konkurse ihrer Mutterfirmen wirkten wie Niederschläge. Doch Amiga stand jedesmal wieder auf und scheint mit neuen Produkten jetzt zum Gegenschlag auszuholen.

Auf "etwas Sensationelles, etwas Revolutionäres" darf sich nach Worten von Petro Tyschtschenko, Geschäftsführer von Amiga International Inc., die Computer-Welt in diesem Jahr gefaßt machen. Doch was es genau sein wird, darüber hüllt er sich in Schweigen. "Ich bin von unserer Hauptverwaltung dazu verpflichtet worden, zu diesem Zeitpunkt nichts Genaues zu sagen", windet Tyschtschenko sich und fügt hinzu: "Es werden sowohl High- als auch Low-End-Produkte sein."

Fest steht, daß eine komplette, neue Produktpalette vorbereitet wird, von Handheld-Internet-Geräten über "preisgünstige Heimcomputer in der Tradition des Amiga 500" bis hin zu professionellen Grafik-Arbeits-

plätzen.

Kernstück soll der "Next-Generation"-Computer mit neuem Betriebssystem und neuer Architektur sein. Zur Unterstützung wird ein Entwickler-System mit einer Software-Development-Suite angeboten. Entwickler sollen damit eine Basis zur Erstellung neuer Applikationen für die Amiga-Plattform erhalten. In Verbindung mit dem Real-Time-Neutrino-Betriebssystem von QNX Software Systems möchte Amiga zudem Multimedia-Anwendungen entwickeln.

Türbulente Zeiten überstanden

Was die Vertriebsstruktur betrifft, werde alles beim alten bleiben, verspricht Tyschtschenko. Sowohl auf die derzeitigen Distributoren als auch auf die Händler, "die uns all die Jahre die Treue gehalten haben", baue Amiga in Zukunft. Falls die Produkte gut liefen, werde auch der Retail-Kanal mit einbezogen. Allerdings sollen die neuen Rechner erst gegen Ende des Jahres auf den Markt kommen. Bereits im Juli oder im August soll hingegen das Betriebsystem OS in der Version 3.5 verfügbar sein.

Auch in der Firmenstruktur hat sich einiges getan. Amiga International Inc. und Amiga Inc. fungieren künftig unter dem simplen Namen "Amiga". Neuer Präsident ist Jim Collas, bislang Senior Vice President der Mutterfirma Gateway 2000. Nach "schweren Zeiten" (Tyschtschenko) und zwei Konkursen lägen dank Gateway jetzt Pläne vor - und, noch wichtiger, Geld für Investitionen.

Also beste Voraussetzungen für die Vorstellung frischer Geräte, zumal die letzte Amiga-Neuheit den Jahresstempel "1992" trägt. "Dennoch haben wir im letzten Jahr in Deutschland zehn Millionen Mark Umsatz gemacht", streicht Tyschtschenko hervor. Und das, obwohl die Amiga-Händler eigentlich nur noch vom Zubehörgeschäft leben würden, ergänzt er.

Daß das Unternehmen überhaupt noch existiert, ist sicherlich auch ein Verdienst der Amiga-Gemeinde in Deutschland. Auf 60.000 bis 70.000 schätzt Tyschtschenko deren Mitglieder, die sich sogar in Clubs organisiert hätten. "Die ganze Welt lebt irgendwie von Amiga", betont er, "und es wird Zeit, daß wir etwas Neues auf den Markt bringen, denn sonst sind wir tot." Oder eben k.o., um in der Boxersprache zu bleiben. (tö)

Möchte sein Unternehmen wie Phönix aus der Asche aufstehen

lassen: Amiga-Geschäftsführer Petro Tyschtschenko.

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