"Anpassungsfähige Lösungen sind Existenzgrundlage für den Händler"

15.03.1996
MÜNCHEN: Noch immer gibt es sie. Kleine Softwarehäuser, die ein einziges Programm entwickelt haben und versuchen, sich gegen die Branchenriesen zu behaupten. Ein Beispiel ist das Münchener Unternehmen Spieß Computersystems, dessen PC-gestützter Termin-Manager noch möglichst lange das Siegel "made in Germany" tragen soll.Als der studierte Elektrotechniker Karl Ludwig Spieß sich 1986 auf das Terrain der gerade im Aufblühen befindlichen EDV-Branche wagte, erschien die Hardwarewelt noch klein und übersichtlich und Softwareentwickler waren gefragte Leute. Big Blue brachte seinen ersten XT-PC unter das Volk und Hersteller wie Compaq, Siemens, Commodore oder Zenith klebten an ihre Rechner noch den verheißungsvollen Hinweis "IBM-kompatibel". Es war die Zeit, in der Unternehmen DV-technisch aufgerüstet wurden und sich Anwender unter DOS mit Standardprogrammen wie OpenAccess, Lotus 123 oder WordStar herumquälten.

MÜNCHEN: Noch immer gibt es sie. Kleine Softwarehäuser, die ein einziges Programm entwickelt haben und versuchen, sich gegen die Branchenriesen zu behaupten. Ein Beispiel ist das Münchener Unternehmen Spieß Computersystems, dessen PC-gestützter Termin-Manager noch möglichst lange das Siegel "made in Germany" tragen soll.Als der studierte Elektrotechniker Karl Ludwig Spieß sich 1986 auf das Terrain der gerade im Aufblühen befindlichen EDV-Branche wagte, erschien die Hardwarewelt noch klein und übersichtlich und Softwareentwickler waren gefragte Leute. Big Blue brachte seinen ersten XT-PC unter das Volk und Hersteller wie Compaq, Siemens, Commodore oder Zenith klebten an ihre Rechner noch den verheißungsvollen Hinweis "IBM-kompatibel". Es war die Zeit, in der Unternehmen DV-technisch aufgerüstet wurden und sich Anwender unter DOS mit Standardprogrammen wie OpenAccess, Lotus 123 oder WordStar herumquälten.

Als schließlich die ersten Computermessen ihre Pforten öffneten und wißbegierige Firmenchefs fieberhaft nach möglichst maßgeschneiderten Lösungen für die teuer erstandenen 286er suchten, glaubte Spieß, auf eine Marktlücke gestoßen zu sein und entwickelte fortan Software für Patentanwälte. Je nach Funktionsumfang mußten hierfür 10.000 bis 30.000 Mark berappt werden. Doch die so eben noch bekundete Investitionsbereitschaft der Advokaten ebbte genauso schnell wieder ab, als sie verkündet wurde.

Aus der Not, bei der Kaltakquise immer öfter abzublitzen, versuchte Spieß eine Tugend zu machen und konzentrierte sich auf das, was alle Kunden von ihm haben wollten: einen Termin-Manager, mit dessen Hilfe die Ressource Zeit effektiver genutzt und Fristen automatisch überwacht werden konnten. Im Zuge der Programmentwicklung trennte sich Spieß schließlich gänzlich vom nebenher mitlaufenden Hardwaregeschäft und kümmerte sich mehr um den Vertrieb seines Produktes. Zwischenzeitlich liegt der Termin-Manager in der Version 5.0 vor und läuft unter Windows. "Ab und an ist es wichtig, sich klar für eine bestimmte Sache zu entscheiden. Das gilt heute mehr denn je", kommentiert Spieß den Wandel vom EDV-Händler hin zur Softwareschmiede. "Wenn der Händler schlau ist, dann macht er dies auch und fokussiert seine Geschäfte auf das, was er am besten kann, denn was nach wie vor am meisten gefragt ist, sind funktionierende Lösungen und keine Flickwerke. Einem der alles machen will oder sich der Gefahr nicht bewußt ist, daß er sich zum Kistenschieber degradiert, hat auf Dauer keine Chancen in diesem Markt", erklärt Spieß. Gutes Geld sei nur zu verdienen, wenn sich der Wiederverkäufer mit anpassungsfähiger Software beschäftigt und sie zusammen mit Hardware und Support als Lösung verkauft. "Wenn er sich hier einen guten Ruf erarbeitet, kann er sich seines Erfolges sicher sein, denn die meisten Unternehmen setzen nach wie vor auf einen lokalen Anbieter", so der Geschäftsinhaber weiter.

Rund 80 Händler konnte Spieß mit diesen Argumenten überzeugen und freut sich, daß auch kleinere Handelshäuser mit seinem Produkt einen Fuß in Unternehmen wie Siemens, Hoechst oder BASF bekommen haben. Etwa 20.000 Installationen und daraus resultiernd zirka 40.000 Anwender sind derzeitig in der Kundendatenbank verzeichnet. Nach wie vor ist Spieß weiterhin auf der Suche nach qualifizierten Händlern. Diese können die Hürde der Autorisierung nehmen, wenn sie eine vergünstigte netzwerkfähige Version erwerben und eine Basisschulung zum Preis von etwa 500 Mark absolviert haben. "Der weitere Ausbau des bestehenden Händlernetzes liegt mir sehr am Herzen, denn nur mit Hilfe der Wiederverkäufer, die das Potential unserer Lösung erkannt haben, kann ich im Standort Deutschland gegen die Großen der Branche überleben", gibt Spieß zu verstehen. Die Widrigkeiten hierzulande, mit denen eine 15köpfige Softwarefirma wie Spieß Computersystems zu kämpfen hat, erzeugen bei ihm ein Wechselbad der Gefühle. Deutschland sei zwar nach wie vor ein lukrativer Markt, wer aber wachsen will, ist auf die Zusammenarbeit mit anderen angewiesen, braucht Möglichkeiten der Kooperation und muß sich mit Gleichgesinnten austauschen können. Und da hätten es die Amerikaner schon viel leichter, so Spieß, denn wenn man dort in der richtigen Gegend ansässig ist, habe man im Umkreis von einer Autostunde alle wichtigen Player der Branche zusammen. "Da sind die Voraussetzungen einfach viel günstiger. In Deutschland sind wir immer darauf angewisen, daß Firmen wie Microsoft uns ihre Entwicklerinformationen möglichst schnell geben, doch meist dauert das ewig. Online-Dienste sind hierbei schon eine große Erleichterung für uns", erklärt Spieß und resümiert: "Wenn ich mir die Entwicklung der Lohnkosten näher betrachte, stimmt mich der Standort Deutschland schon sehr nachdenklich." (cm)

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