BARC, i2s, Experton

Apotheker-Abgang - was die Analysten sagen

Thomas Cloer war Redakteur der Computerwoche.

i2s, Experton Group

Frank Naujoks von i2s schreibt uns per E-Mail:

Apotheker muss gehen: SAP kehrt mit Bill McDermott und Jim Hagemann Snabe zur Doppelspitze zurück

SAP hat das Experiment unter Leo Apotheker ohne grosse Sentimentalitäten beendet. Schon länger gab es Gerüchte, dass sich Hasso Plattner stärker involviert in seinem Unternehmen und dass die Tage von Leo Apotheker als Unternehmenschef gezählt sind.

Zu viele Fehler und Pannen sind passiert, angefangen bei den vollmundigen Ankündigungen und dem Neustart von SAP Business By Design, über Veränderungen in der Unternehmenskultur bis hin zu den leidigen Diskussionen um die Wartungspreise, als dass Apotheker sicher von einer Vertragsverlängerung ausgehen konnte.

Doch die Stärkung der Rolle des Gründers Plattner in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender und technologischer Berater wird nicht automatisch die Probleme lösen, vor denen SAP steht. Die Kunden lehnen sich zunehmend gegen das traditionelle Software-Verkaufsmodell auf, das Neugeschäft ist immer schwerer zu gewinnen, da eine zunehmende Marktsättigung in den SAP-Kernmärkten eintritt, Wartungspreise sind in der Diskussion - und die Belegschaft ist nach mehreren Reorganisationen und Sparrunden auch erst mal wieder zu motivieren. Das allerdings wird wohl der neuen Truppe leichter fallen - waren doch auf für sie die letzten Monate lehrreich.

Inzwischen hat sich auch noch die Experton Group mit Andreas Zilch bei uns gemeldet:

Apotheker tritt zurück – notwendig und richtig, aber noch nicht die Lösung aller SAP Probleme

* SAP ohne Strategie und Leadership
* Doppelspitze als kurzfristige Notlösung
* Kundennähe und Innovationskraft müssen gestärkt werden

Am 7. Februar hat der SAP Aufsichtsrat entschieden, den Vorstandsvertrag nicht zu verlängern und konsequenterweise ist Leo Apotheker daraufhin sofort zurückgetreten. Mag der Zeitpunkt auch einige überraschen – diese Entwicklung war logisch und auch notwendig.

SAP hat in den letzten 18 Monaten eine sehr schwierige Phase durchgemacht, die nicht nur auf die Wirtschaftskrise zurück zu führen ist.

SAP hat in dieser Zeit insgesamt und gegenüber dem Rivalen Oracle an Boden verloren und war zuletzt extrem verunsichert, hinzu kam eine sehr schlechte externe und interne Kommunikation. Eingeleitet wurde diese Entwicklung mit der Berufung von Leo Apotheker als Vorstandsvorsitzenden, der gegenüber seinem Vorgänger Kagermann mehr Wert auf Vertrieb, Marge und Aktienkurs legen sollte. Das hat Apotheker zweifellos getan, wenn auch ohne Erfolg. So hat sich der SAP Aktienkurs gegenüber dem Hauptkonkurrenten Oracle in der Zeit von Leo Apotheker um über 25% schwächer entwickelt.

Die vielen Fehlentscheidungen und „Pannen“ der letzten 1,5 Jahre alleine auf Apotheker zu schieben, greift aber viel zu kurz. Er mag zwar gegenüber Kunden und Mitarbeitern sehr überheblich gewirkt haben – die strategische Ausrichtung hat er aber nicht allein zu verantworten.

Vielmehr wurde diese von mehreren Stakeholdern entschieden und von Apotheker exekutiert. Bei allen Verdiensten von Hasso Plattner für SAP – er hat wohl nach Shai Agassi zum zweiten Mal eine wichtige Personalentscheidung „falsch“ entschieden. „Falsch“ in Anführungsstrichen, weil die jeweilige Strategie – zumindest partiell – richtig war, aber von den Personen nicht erfolgreich umgesetzt werden konnte.

Was soll SAP jetzt tun? Diese Doppelspitze ist für ein Unternehmen dieser Klasse natürlich nur eine Notlösung – sehr schnell muss eine Persönlichkeit gefunden werden, die SAP wieder zum Erfolg zurückführt. Der Aufsichtsrat ist nach seiner Aktion sicher vom Rücktritt nicht überrascht und hatte somit schon einige Zeit, sich über die Nachfolge Gedanken zu machen. Die Person und die Vita des neuen Leaders muss natürlich die „neue“ Strategie der SAP widerspiegeln.

Und genau dort liegt das Problem! Die SAP Strategie ist aktuell weder für Mitarbeiter noch für Kunden zweifelsfrei zu erkennen. Im Basisgeschäft ist SAP solide und erfolgreich, Innovationen scheitern aber regelmäßig, die Kommunikation ist intern wie extern katastrophal und daher ist auch die extreme Verunsicherung auf allen Ebenen zu erklären. SAP muss nicht nur ein solides Basisportfolio liefern, sondern auch Innovationen wie Netweaver und BusinessByDesign erfolgreich entwickeln und vermarkten. Weiterhin muss SAP die „alten Tugenden“ wie Kundenorientierung, das Partner-Universe und Branchen- und Prozess- Know-How kombinieren mit neuen Komponenten wie Communities, Web2.0 und Cloud Computing.

„Die Kunden müssen jetzt sehr sensibel auf die Signale der SAP achten – und daraus die eigenen Konsequenzen bezüglich der strategischen Bindung an SAP ziehen. SAP muss wieder lernen, auf ihr Umfeld zu hören und das Verhalten danach auszurichten. Das ist in einer Zeit, in der sich die Softwareindustrie komplett wandelt nicht nur erfolgskritisch, sondern vielmehr langfristig überlebensnotwendig“ sagt Andreas Zilch, Vorstand und Lead Advisor der Experton Group.

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