Apple holt sich Claris-Software wieder ins eigene Haus

20.02.1998

UNTERSCHLEISSHEIM: Anfang Februar gab Apple bekannt, daß sie ihre Software ab 1. April selbst vermarkten und vertreiben wird. Die hundertprozentige Tochter Claris läuft ab sofort unter dem neuen Namen File Maker Inc. und soll sich ausschließlich auf ihre Datenbanksoftware konzentrieren. Die Meinungen des Handels gehen dazu auseinander: Die einen begrüßen die Reorganisation. Die anderen stehen der Zusammenarbeit im Softwarebereich mit Apple kritisch gegenüber.Wohin die Reise nun geht", kann Ex-Claris-Chef Thomas Aschenbrenner, jetzt Geschäftsführer von File Maker, wohl immer noch nicht beantworten (siehe Interview ComputerPartner 13/97, Seite 28-30). Die Rücknahme der Mac-Software (Betriebssystem MacOS 8, ClarisWorks, Apple Share) reduziert Claris zur "One-Product-Company", der die Branche momentan keine großen Überlebenschancen einräumt. Die so verkleinerte Firma soll sich ab sofort nur noch auf die Datenbanksoftware Filemaker Pro und die Web-Publishing-Software Home Page konzentrieren, so Apples Pläne. Hintergrund für diesen Schachzug sind angeblich rein marketingstrategische Gründe. "Kostenreduzierung spielte dabei keine Rolle", so Claris-Präsident Dominique Goupil. Bedauern über diesen einschneidenden Schritt des Mac-Herstellers zeigt Aschenbrenner, da die Zukunft der Claris-Produkte in Apples Händen momentan unklar ist: "Wir sehen diese Entscheidung mit einem weinenden und einem lachenden Auge: Wir haben den Markennamen Claris im Markt gut etabliert und entlassen ihn jetzt in eine ungewisse Zukunft. Andererseits stehen wir heute mit File Maker wieder am Start - einem aussichtsreichen Produkt - und verabschieden uns von einem sehr Mac-lastigen Geschäft."

Marktanalysten würden dieses Statement als sehr optimistisch bezeichnen: Sie vermuten, daß Apple seine Software-Produkte deshalb von Claris abgezogen hat, um die neue Firma File Maker zu verkaufen. Als mögliche Interessenten nennen Marktbeobachter Branchenkrösus Microsoft und Datenbankhersteller Oracle. Unterschleißheim dementierte diese Spekulationen mit dem Satz, "daß es derzeit keinen Übernahmeplan gibt".

Mit dem geänderten Firmennamen File Maker und Reintegration der Claris-Produktlinie bei Apple wird der Markenname Claris verschwinden. Apple-Marketingmanager Stefan Heimerl kann sich zum Beispiel eine "Umbenennung von Claris Works in MacWorks vorstellen". Welche Claris-Softwareprodukte seine Firma weiterführt, ist derzeit noch unklar.

Der Handel reagiert auf Apples Ankündigung gespalten: Aus Marketing- und Vertriebsüberlegungen begrüßen einige die "Reorganisation": "Bisher liefen Mac-Betriebssystem und Mac-Hardware über zwei verschiedene Vertriebskanäle, was für uns einfach umständlich war. Außerdem verkaufen wir dem Verbraucher Mac-Hard- und -Software unter zwei verschiedenen Namen - aus Marketingsicht ein Fehler", so Fritz Borgstedt Geschäftsführer von Systematics in Hamburg.

Für den Fachhandel wird sich in nächster Zukunft nicht soviel ändern, meint Apple. Der Mac-Hersteller spricht von einem "sanften Übergang". Im Klartext heißt das, daß "Claris-Verträge mit Distributoren und bestehende Vertriebsstrukturen erstmal übernommen werden".

Die Einschätzung vom "sanften Übergang" teilen nicht alle: Patrick Davi, Marketingleiter bei der Schulz Bürozentrum GmbH in München, prognostiziert bereits im Vorfeld Schwierigkeiten: "Daß Apple den Softwarevertrieb übernimmt, ist keine Garantie dafür, daß jetzt alles besser läuft - eher im Gegenteil. Claris hat gute Arbeit geleistet und mit Apple gibt es erfahrungsgemäß immer Probleme."

Auch andere Stimmen sehen in dieser Entwicklung nicht gerade Vorteile: "Apple ist eine Hardwarefirma. Mit Software haben sie wenig Erfahrung. Claris hat mit Mac-Betriebssystemen Geld verdient. Mich würde es nicht wundern, wenn Apple auch dieses Geschäft in den Sand setzt", befürchtet Detlef Schmuck, Geschäftsführer der Prisma Express Distributionsgesellschaft mbH in Hamburg.

Welche Unsicherheiten in puncto Vertrieb Apple mit dem Claris-Coup im Markt ausgelöst hat, ist nicht zu übersehen: Denn auch der Hamburger Grossist fragt sich, wo er ab 1. April seine Ware herbekommt. "Claris wird dann keine Software mehr ausliefern. Ob wir die Produkte dann von Apple bekommen und wie das laufen soll, weiß ich bis heute noch nicht", so Schmuck resigniert. (ch)

Apple-Marketingmanager Heimerl will aus ClarisWorks MacWorks

machen.

Systematics-Chef Borgstedt urteilt positiv über den einheitlichen Vertriebsweg von Apple-Hard- und -Software.

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