Statt völlig in Ruhestand zu gehen, sollten Senioren bei ihrer offiziellen Pensionierung besser in die Altersteilzeit wechseln. Das würde das Krankheitsrisiko verringern, die Bewältigung des Alltags fördern und geistige Funktionen besser erhalten, berichten Psychologen der Universität Maryland im Journal of Occupational Health Psychology. Ausgehend von den Ergebnissen einer landesweiten Studie in den USA schlagen die Wissenschaftler eine "Übergangsbeschäftigung" in Form einer Halbtagsstelle, einer freiberuflichen Tätigkeit oder einer vorübergehende Aushilfstätigkeit vor. "Die Auswahl der passenden Beschäftigung in der Pension kann Senioren beim Übergang in den völligen Ruhestand erleichtern und zum Erhalt körperlicher und geistiger Gesundheit beitragen", so Studien-Mitautorin Kenneth Shultz.
Ausgewertet wurde die "Health and Retirement Study", die 12.000 Teilnehmer im Pensionsantrittsalter über sechs Jahre lang begleitete. Alle zwei Jahre erfolgten Interviews, bei denen es um die Themen Gesundheit, Finanzen, Beschäftigungssituation sowie Arbeits- oder Pensionsalltag ging. Für Angaben zur Gesundheit wurden ärztlichen Beobachtungen berücksichtigt, sofern sie Bluthochdruck, Diabetes, Krebs, Herz- und Lungenkrankheiten, Schlaganfall oder psychiatrische Probleme betrafen. Berücksichtigt wurden neben körperlicher und geistiger Gesundheit auch Angaben zu Alter, Geschlecht, Bildungsstand und finanzieller Situation.
Deutlich wurde dabei, dass Pensionisten mit Übergangsbeschäftigungen weniger von den häufigsten Alterskrankheiten betroffen sind als Renter im völligen Ruhestand. Auch die geistige Fitness, die man in Fragebögen erhob, blieb bei aufrechter Arbeitstätigkeit eher erhalten. Weniger Vorteile zeigten sich allerdings bei Senioren, die nach der Pensionierung in völlig neue Berufsfelder wechselten, was vor allem bei alten Menschen mit finanziellen Engpässen der Fall war. Als Ursache vermuten die Studienautoren die Probleme mit den notwendigen Anpassungen an unterschiedliche Arbeitsbedingungen. "Erfolgt der Spartenwechsel nicht freiwillig sondern infolge einer Notwendigkeit, können die Vorteile einer Übergangsbeschäftigung oft nicht ausgenutzt werden", so Studienleiter Mo Wang.
Dass Altersteilzeit eine gute Übergangsform in den Ruhestand darstellt, betont auch Stefan Bayer, Präsident der österreichischen Akademie für Arbeitsmedizin. "Oft werden Unternehmungen wie etwa Reisen auf die Zeit nach der Pensionierung aufgeschoben. Erreicht sie jedoch dieses abrupte Ende von 40 auf null wöchentlichen Arbeitsstunden, empfinden es viele wie der Fall in einen Abgrund. Gerade in dieser Phase kommt es oft zu bösartigen Erkrankungen", erklärt der Mediziner. Erklärbar sei dies durch die stressbedingte Hormonausschüttung, der die totale Lebensumstellung mit sich ziehe, sowie durch das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden. "Eine Weiterführung der Berufstätigkeit in reduzierter Form vermittelt hingegen das Bewusstsein, weiterhin einen sinnvollen Beitrag liefern", so Bayer.
Der Arbeitsmediziner empfiehlt Menschen vor dem Pensionsantritt, mit ihren Betrieben Modelle eines Übergleitens in den Ruhestand auszuhandeln. "Trotz geringerer Arbeitsstunden und Gehalt kann so die Verbindung eines Mitarbeiters mit dem Unternehmen weiter aufrecht erhalten werden." Umgesetzt werde das bisher am ehesten im Bank- und Dienstleistungsbereich oder in der Industrie, wenn Pensionisten etwa als Tutoren in der Einschulung von Berufsanfängern herangezogen werden. Dieses Modell sei allerdings in der Praxis durch zahlreiche Hürden belegt, sei es der Verlust der Pensionszahlungen ab bestimmter Einkommensgrenze oder die Versicherungssituation. "Scheint es auch demografisch sehr wahrscheinlich, dass die Altersteilzeit in Zukunft stärker betont wird, spricht die derzeitige Arbeitsmarktpolitik eine andere Sprache", kritisiert Bayer. (pte/rw)