Arbeitgeber sind bei der Personalrekrutierung gefordert

24.06.1999

BAD HOMBURG: Dem gekonnten Umgang mit Bewerbern, sprich der Bewerberfreundlichkeit, wird immer noch zu wenig Bedeutung beigemessen. Eine folgenschwere Fehleinschätzung, wie Gabriele Kernwein* erläutert.Für welchen Rekrutierungsweg sich Unternehmen auch immer entscheiden mögen, häufig wird vergessen, daß der sich anschließende Bewerbungsprozeß ebenfalls für die Mit-arbeitergewinnung entscheidend ist. Kreative und dynamische Firmen sind meist sehr einfallsreich, um dringend benötigte Spezialisten an Bord zu holen: Dabei ist die Palette an Suchvarianten sehr um-fangreich. Sie reicht vom automatisierten Bewerberverfahren per Internet, Stellenmarkt im Internet, firmeneigenen Jobmessen oder Workshops, externen Rekrutierungs-Veranstaltungen über Anzeigen in Fach- und Tageszeitungen, das Einschalten von IT-spezialisierten Personalvermittlern oder -beratern, Kopfprämien, Firmenpräsentationen an Universitäten, Fachhochschulen und Weiterbildungsinstituten bis hin zu IT-Veranstaltungen und Messen, etwa der Cebit. Und da Not bekanntlich erfinderisch macht, sind mancherorts sogar auf firmeneigenen Grundstücken Tafeln mit Job-Offerten zu finden.

Bewerberfreundlichkeit: Was ist das?

Viele dieser Suchmethoden sind jedoch sowohl kosten- als auch zeitintensiv, was die Vorbereitung und Ausführung angeht. Um so mehr verwundert es, daß nur relativ wenige Unternehmen nach dem ersten auch den zweiten Schritt tun und sich um mehr Bewerberfreundlichkeit bemühen.

Dieser Begriff scheint in deutschen Landen noch gänzlich unbekannt

zu sein. "Ich stehe auch am Wochen-ende und zwischen den Feiertagen für Bewerbergespräche zur Verfügung", hört man nur ab und an von IT-Personalverantwortlichen. Dieses Engagement auf seiten des Managements ist zwar die Seltenheit, jedoch ein wichtiger Faktor der Bewerberfreundlichkeit.

Bewerber schätzen zuverlässige Arbeitgeber

Was Bewerber von einem Unternehmen erwarten, ist mehr, als es auf den ersten Blick erscheint. Hier ein Überblick über den Ablauf einer Bewerbung:

- Bestätigung des Bewerbungseingangs innerhalb von drei bis fünf Tagen auf dem Postweg oder innerhalb des gleichen Tages per E-Mail

- Einladung zum Gespräch inklu-sive Angabe des Vorstellungstermins oder Absage in weiteren drei bis fünf Tagen oder innerhalb von zwei Tagen per E-Mail

- persönliches Gespräch mit dem IT-Fachverantwortlichen und künftigen Chef, um Kenntnisse einerseits und Anforderungen andererseits auszuloten

- Rückmeldung nach dem Vorstellungsgespräch innerhalb von zwei Tagen telefonisch oder per E-Mail und Mitteilung über die weitere Vorgehensweise sowie

- gegebenenfalls Zusenden des Einstellungsvertrags innerhalb von drei bis fünf Tagen.

Eine Bewerbung beziehungsweise Einstellung sollte innerhalb von höchstens vier Wochen vollständig abgewickelt sein. Schon aus dem Grund, weil auch die Konkurrenz nicht schläft. Der ständige Kontakt zum künftigen Mitarbeiter sowie die Art der Dokumentation, das heißt, wie schnell, reibungslos und unkompliziert ein Vorgang im Unternehmen abgewickelt werden kann - also die Bewerberfreundlichkeit -, sind für den Bewerber sehr wichtig.

Sie geben ihm einen ersten und vielleicht auch den entscheidenden Eindruck von der Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit seines neuen Arbeitgebers. Das läßt andererseits auch Aussagen über das Lean-Management auf Kommunikations- und Entscheidungsebene zu.

Leider ist immer noch nicht allen Beteiligten bei der Bewerberauswahl bewußt, daß ein guter Bewerber derzeit zwei bis vier interessante Angebote parallel laufen hat. Und schon seit längerem ist die IT-Branche ein Arbeitnehmer- und nicht ein Arbeitgebermarkt.

Sind Eignungsprüfungen bewerberfreundlich?

Neben dem Kriterium Schnelligkeit bei der Personalrekrutierung gehört auch die Eignungsprüfung des Bewerbers zur Bewerberfreundlichkeit. Neben dem ACC (Assessment-Center), das bekanntermaßen für eine völlig andere Zielgruppe entwickelt wurde, dem Einzeltest mit Fallstudien und dem klassischen persönlichen Gespräch, setzen insbesondere innovative Unternehmen das Telefoninterview und automatisierte Auswahlverfahren per Internet als erste beziehungsweise zweite Entscheidungsebene ein. Ohne übermäßigen Personaleinsatz soll bereits mit diesen Methoden die Spreu vom Weizen getrennt werden.

Doch ist das wirklich im Sinne des Unternehmens, sind diese Verfahren auch wirklich bewerberfreundlich? Ist es nicht vielmehr so, daß damit die Persönlichkeit und das persönliche Umfeld des Bewerbers auf der Strecke bleiben?

Während viele Personalverantwort-liche über die richtige "Suchstrategie" und das "Auswahlverfahren" reden, machen sich nur die wenigsten Gedanken über den Bewerbungsprozeß im eigenen Unternehmen. So manche Unternehmen hätten jedoch die Verbesserung dieser Ablauforganisation dringend nötig. Es bleibt deshalb zu hoffen, daß die "Bewerberfreundlichkeit" bald ebenso zur Chefsache erklärt wird wie die Kundenfreundlichkeit.

*Gabriele Kernwein ist Geschäftsführerin der Personalvermittlungs GmbH PC/Enter in Bad Homburg.

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