Arbeitsplatzabbau, nach dem kein Hahn kräht

22.04.2004

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München, 19.04.2004

Arbeitsplatzabbau, nach dem kein Hahn kräht

Sehr geehrter Herr von Pierer,

gerade komme ich aus einem zweiwöchigen Osterurlaub zurück und bin natürlich gespannt, wie der aktuelle Stand der Empörung über die geplante Verlagerung von einigen 1.000 Siemens-Arbeitsplätzen ins Ausland ist. Das Thema hatte ja vor Ostern viele Kommentatoren der Tageszeitungen intensiv beschäftigt, wobei die Bandbreite der Meinungen vom grundsätzlichen Verständnis für diese Maßnahme (meistens Wirtschaftsredakteure) bis zum Vorwurf der "vaterlandslosen Gesellen" reichte.

Doch was muss ich feststellen? Das Thema ist komplett aus den Gazetten verschwunden. Tja, so geht's: Gestern noch eine Riesen-Schweinerei, ist es heute schon vergessen. Stattdessen wird eine andere Sau durchs Dorf gejagt. Die heißt momentan Ernst Welteke, bis vor einigen Tagen Präsident der Deutschen Bundesbank. Jede Wette, dass in ein paar Wochen kaum jemand sich an seinen Namen erinnern kann (wer war noch einmal Florian Gerster???).

Apropos Sauerei: Neulich meldete das Statistische Bundesamt in Wiesbaden, dass im vergangenen Jahr über 2,2 Millionen Hühner ihren Arbeitsplatz in den Legebatterien verloren haben. Und es steht zu befürchten, dass sie nicht nur ihren Arbeitsplatz, sondern auch ihr Leben verloren haben. Danach kräht aber kein Hahn. Oder haben Sie auch nur einen Kommentar zu diesem Thema gelesen? Ich nicht! Dabei würden mich die ökonomischen Hinter-gründe und die volkswirtschaftlichen Implikationen dieses Arbeitsplatzabbaus im deutschen Hühnerhaltungswesen sehr interessieren. Sind am Ende diese Arbeitsplätze nach Tschechien verlagert worden, womöglich noch mit deutschen Steuermitteln?

Sie meinen, dies habe nichts mit Siemens und der Situation am deutschen Arbeitsmarkt zu tun? Seien Sie bitte nicht zu sicher. Die Parallelen liegen auf der Hand: Nach Angaben des Statistischen Bundesamts standen im Januar 2004 rund 38 Millionen Menschen in Deutschland in einem Arbeitsverhältnis. Auf ebenfalls 38 Millionen beziffern die Statistiker aus Wiesbaden die Zahl der arbeitstätigen Hühner. Also 38 Millionen hier, 38 Millionen dort - das kann kein Zufall sein!

Natürlich gibt es Unterschiede: So legten die deutschen Hühner im vergangenen Jahr rund 9,3 Milliarden Eier. Obwohl kein offizielles Zahlenmaterial aus Wiesbaden vorliegt, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Arbeitnehmer in Deutschland diesen Ausstoß nicht schafften. Angesichts dieser erschütternden Erkenntnis beantwortet sich die Frage nach den Gründen der Arbeitsplatzverlagerung ins Ausland von selbst. Oder nicht?

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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