Archivierungsspezialist SER im Aufwind: Der Börsenliebling sucht Partner

02.06.1998

NEUSTADT/WIED: Notierung am Frankfurter Neuen Markt, 45 Prozent Umsatzsteigerung, Firmenübernahmen, Kursexplosion der Aktie im Januar: Die SER Systeme AG im rheinland-pfälzischen Neustadt/Wied gehört zu den Aufsteigern des Jahres 1997. Ziel des mittelständischen Anbieters von Dokumentenmanagement-(DM-) und Workflow-Systemen ist es, in den nächsten drei Jahren den indirekten Vertriebskanal auf 50 Prozent auszubauen.

Von 129 auf 253 Mark schoß der Aktienkurs des Börsen-Newcomers im Januar in nur zwei Wochen hoch. Der Aufstieg des SER-Papiers verlief in den letzten Wochen in so rasantem Tempo, daß bereits die ersten warnenden Stimmen zu vernehmen sind. "Bei solchen Kursen können wir keinen Einstieg mehr empfehlen", so Finanzanalyst Michael Bahlmann vom Neuen Markt.

Auslöser für den Run auf das begehrte Frankfurter Papier war Ende Dezember die Bekanntgabe der Geschäftszahlen für 1997. Und die übertrafen in der Tat alle Erwartungen. Im Vergleich zum Vorjahr schaffte die SER AG 1997 (31.12.) einen Umsatzsprung von 32,2 auf 56,5 Millionen Mark (plus 45 Prozent). Gleichzeitig stieg der Gewinn um 90 Prozent von 2,2 auf vier Millionen Mark.

Das abgelaufene Geschäftsjahr stand aber für die Neustädter noch aus einem ganz anderen Grund unter einem guten Stern. Der Archivierungsspezialist hat sich am Ende des vergangenen Jahres zwei Unternehmen des gleichen Branchensegments einverleibt und damit deutlich Kurs in Richtung Internationalisierung genommen. Es handelt sich dabei um die 100 Mitarbeiter zählende französische Dorotech S.A., die beispielsweise die France Télécom zu ihren Kunden zählt, und die amerikanische DoxSyx Inc., der auf dem amerikanischen Markt ebenfalls gute Wachstumsaussichten bescheinigt werden. Eine erst 1997 in den USA gegründete SER-Tochtergesellschaft übernimmt für die US-Akquisition die Holding-Funktion.

Um die Übernahmen finanzieren zu können, beschloß SER vor kurzem eine neuerliche Kapitalerhöhung um 2,25 Millionen Mark. Ab Mitte Februar läuft die Neuemission von 450.000 Aktien zum Nominalwert von fünf Mark.

Damit scheint der Akquisitionshunger der Neustädter aber noch lange nicht gestillt zu sein. SER-Gründer und Geschäftsführer Gert J. Reinhardt geht in den nächsten Monaten von einer größeren Marktbereinigung aus. "Kleinere DMS-Anbieter bekommen Schwierigkeiten", so seine Einschätzung. Bis Mitte 1998 planen die Neustädter, zwei weitere Firmen aufzukaufen, und zwar einen deutschen und einen englischen Bewerber.

Einmal auf dem aufsteigenden Ast, gibt sich Reinhardt gelassenen optimistisch. Für die nächsten Jahre prophezeit er dem DMS-Markt ein Wachstum in Höhe von 30 Prozent. "Elektronische Archivierung wird mit der Zeit immer gewöhnlicher. Über kurz oder lang hat jeder DV-Anwender ein DM-System", gibt er sich zuversichtlich. Beispiel Behörden: In diesem Bereich lief für SER im Laufe von zehn Jahren "nearly nothing" (Reinhardt), bis dann 1997 der große Durchbruch kam. Gleich zwölf deutsche Behörden, darunter die Gebühreneinzugszentrale (GEZ), orderten ein DMS.

Ausbau der indirekten Vertriebsschiene

Der Vertrieb der Software erfolgt bislang zu 80 Prozent direkt. Ziel der SER ist es aber, den Händlervertrieb in den nächsten drei Jahren auf 50 Prozent auszubauen. Reinhardt zufolge liegen die Margen derzeit bei 40 Prozent. Was die Betreuung der Partner angeht, kommt SER in etwa für die Hälfte der Schulungskosten auf. Reinhardt: "Wir teilen uns den Spaß, indem wir für die angebotenen Schulungen einen Kostenbeitrag erheben." Auf diese Weise soll sichergestellt werden, daß nur interessierte Händler teilnehmen. "Verdienen tun wir aber nichts daran", versichert der Firmenchef.

Das Going-public der SER Systeme AG an den Frankfurter Neuen Markt im Juli 1997 sieht Reinhardt als Hauptgrund für den momentanen Erfolg seiner Company. Dadurch wurde nicht nur der Grundstein für die weitere - internationale - Expansion gelegt, sondern auch dem Bekanntheitsgrad des Neustädter Software-Entwicklers ein Schub verpaßt. "Für uns war dieser Schritt das Richtige zum richtigen Augenblick. Der Börsengang hat uns Rückenwind gegeben." Und diesen braucht Reinhardt auch, will er seinen Höhenflug fortsetzen. 1998 erwartet der Vorstandsvorsitzende 126 Millionen Mark Umsatz, und 12,8 Millionen werden schon mal beim Ertrag als Zahl genannt. Erfüllen sich diese Prognosen, bestätigt das nur noch einmal, wovon der SER-Chef ohnehin längst überzeugt ist: "Für uns war der Börsengang hervorragend." (god)

SER-Gründer und Geschäftsführer Gert J. Reinhardt will in den nächsten drei Jahren den indirekten Vertrieb auf 50 Prozent ausbauen.

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