Vorerkrankungen verschwiegen

Arglistige Täuschung beim Versicherungsvertrag



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Wer trägt die Beweislast für Schaden, die auf der Grundlage eines Beratungsfehler eines Versicherungsmaklers entstanden sind?

Der Bundesgerichtshof hat die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast eines geschädigten Versicherungsnehmers präzisiert. Darauf verweist der Stuttgarter Rechtsanwalt Alexander Rilling von der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für mittelständische Wirtschaft e.V. mit Sitz in Kiel unter Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23.10.2014 (III ZR 82/13).

Wer einen Vertrag auf Abschluss einer Lebensversicherung abschließt, muss bestehende und frühere Erkrankungen angeben.
Wer einen Vertrag auf Abschluss einer Lebensversicherung abschließt, muss bestehende und frühere Erkrankungen angeben.
Foto: Gajus - Fotolia.com

Der Ehemann der Klägerin ist infolge eines von ihm nicht verschuldeten Unfalls verstorben. Zwei Jahre zuvor hatte er über den beklagten Versicherungsmakler eine Lebensversicherung abgeschlossen. Auf Anraten des Beklagten hatte er bestimmte Vorerkrankungen nicht angegeben. Die Versicherung verweigerte nach Eintritt des Versicherungsfalls die Zahlung. Ihr waren die verschwiegenen Vorerkrankungen bekannt geworden. Sie focht den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung an. Eine Klage gegen die Versicherung blieb erfolglos.

Nachdem die Klage gegen den Versicherungsmakler in den beiden ersten Instanzen ebenfalls erfolglos geblieben war hatte die Revision Erfolg und führte zur Aufhebung und Rückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

Sachverständiger muss eingeschaltet werden

Grund für die Aufhebung, so der Stuttgarter Rechtsanwalt, war, dass es das Berufungsgericht unterlassen hatte, einen Sachverständigen zu der Frage anzuhören, ob die Vorerkrankungen nur geringfügig gewesen seien und daher auch bei wahrheitsgemäßer Angabe der Vorerkrankungen ein Versicherungsvertrag zustande gekommen wäre.

In derartigen Fällen prüfen die Gerichte regelmäßig, welchen Verlauf die Dinge ohne die Pflichtverletzung genommen hätten und wie sich die Vermögenslage der Klägerin ohne die Pflichtverletzung darstellte. Die Klägerin ist hierbei darlegungs- und beweispflichtig. Vermutet werden könne zwar, so der Bundesgerichtshof, dass der Ehemann der Klägerin bei ordnungsgemäßer Beratung durch den Versicherungsmakler die Vorerkrankung angegeben hätte.

Diese Vermutung erstreckt sich aber nicht auf die Frage, ob bei vollständiger und wahrheitsgemäßer Beantwortung der Gesundheitsfragen Versicherungsschutz zu erlangen gewesen und ein Versicherungsvertrag mit der Lebensversicherungs AG zustande gekommen wäre. Hier bleibt es, wie Rechtsanwalt Rilling meint, auch zu Recht bei der Darlegungs- und Beweislast der Klägerin.

Beweislast nicht überstrapazieren

Der Bundesgerichtshof wollte die Beweislast der Klägerin hier aber nicht überstrapazieren. Nach seiner Ansicht reiche es aus zu behaupten, dass ein Lebensversicherungsvertrag ggf. auch mit bestimmten Risikoausschlüssen oder mit entsprechenden Prämienzuschlägen zustande gekommen wäre. Dies hätte auch bei einer anderen Versicherung der Fall sein können. Mehr müsse die Klägerin nicht behaupten. Das Weitere sei durch einen Sachverständigen aufzuklären.

Insbesondere müsse die Klägerin keine Angaben dazu machen, bei welchen anderen Versicherungen ein entsprechender Antrag seinerzeit gestellt worden wäre, bzw. welcher andere Versicherer den Antrag zu den gleichen oder zu welchen geänderten Bedingungen angenommen hätte. Da der Beklagte damals bei seiner Vermittlungsleistung scheinbar erfolgreich war, bestand für den verstorbenen Ehemann der Klägerin zu keiner Zeit Anlass sich um die Angebote anderer Versicherungen zu bemühen.

Nach Ansicht des BGH reicht es daher aus, wenn die Klägerin vorträgt, ihr verstorbener Ehemann hätte sich im Falle der Ablehnung des Versicherungsantrages an andere Versicherer, ggf. über einen anderen Versicherungsmakler, gewandt und dort einen Versicherungsvertrag erhalten.

Tatsächlicher Beweis muss noch geführt werden

Rechtsanwalt Rilling weist abschließend darauf hin, dass damit der Fall für die Klägerin keineswegs schon gewonnen ist. Der tatsächliche Beweis muss erst noch geführt werden, d.h. ein Sachverständiger gefunden werden, der infolge seiner Sachkunde Angaben dazu machen kann, ob es seinerzeit zum Abschluss des Versicherungsvertrages gekommen wäre oder nicht. Dies muss nicht zur 100%igen Überzeugung des Gerichts führen, aber setzt eine überwiegende Wahrscheinlichkeit voraus.

Rilling rät, bei ähnlich gelagerten Fällen auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen und verweist in diesem Zusammenhang u.a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. - www.mittelstands-anwaelte.de -

Weitere Informationen und Kontakt: Alexander Rilling, Rechtsanwalt, c/o Rechtsanwälte Dr. Gaupp & Coll, Kronprinzstr. 14, 70173 Stuttgart, Tel.: 0711/30 58 93-0, E-Mail : stuttgart@drgaupp.de, Internet: www.drgaupp.de

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