Asien: vom Hardware-Mekka zum E-Commerce-Eldorado

11.01.2001
Asien ist zwar der weltgrößte Produktionsstandort für IT-Hardware. Doch bislang ist der Nutzen für die 3,1 Milliarden Menschen dort eher gering. Hoffnungsträger für den Einstieg ins Internet-Zeitalter sind 3G-Handys und Information Appliances.

Asien ist ein Kontinent voller Gegensätze. Das zeigt sich auch am Beispiel Indien, wo viele Menschen noch nicht einmal wissen, wie sie den nächsten Tag überleben sollen. Gleichzeitig ist dort aber eine Software-Elite herangewachsen, deren Ruf sogar bis nach Deutschland gedrungen ist und bei hiesigen Unternehmen Begehrlichkeiten auf Änderung des Ausländerrechtes geweckt hat.

Überall bilden sich in Asien Inseln des Wohlstandes und westlicher Zivilisation, die nicht selten Generationen spaltet. Auf der zu Taiwan gehörenden Orchideen-Insel zum Beispiel lebt ein Großteil der austronesischen Ureinwohner fast noch wie vor über 12.000 Jahren, als ihre Vorfahren vom Südpazifik in ihren geschnitzten Kanus ans Land gespült wurden. In den Dörfern hallt einem jedoch laute Disco-Musik entgegen. Viele junge Leute ziehen auf die Hauptinsel Taiwan, um für einen Hungerlohn in der IT- und Elektronikindustrie zu arbeiten. Sie verdienen oft nicht viel mehr als Gastarbeiter aus Thailand oder Malaysia, die für eine 48-Stunden-Woche 200 bis 300 Mark bekommen, während die Durchschnittsgehälter für qualifizierte Industriearbeiter bei über 1.000 Mark liegen. Damit ist Taiwan längst kein wirkliches Billiglohnland mehr, weshalb immer größere Teile der Produktion ins Ausland, vorzugsweise nach China, verlagert werden. Offiziellen Angaben zufolge hat Taiwan schon 16,5 Milliarden Dollar auf dem chinesischen Festland investiert, Peking spricht sogar von 45 Milliarden Dollar. Das macht die "abtrünnige Provinz", der Peking immer wieder mit Krieg droht, um die Wiedervereinigung zu erzwingen, neben den USA und Japan schon zu einem der größten Investoren in China.

Wer in Shenzhen bei Hongkong oder in einer der anderen Sonderwirtschaftszonen eine Fabrik eröffnen will, muss sich um Umwelt- und andere erschwerende Auflagen nicht viel Sorgen machen und bekommt von den örtlichen Behörden reichlich Unterstützung. Je nach Bedarf werden Tausende von jungen Mädchen als billige Arbeitskräfte aus allen Teilen Chinas herbeigekarrt, um für 100 bis 200 Mark im Monat sechs Tage die Woche bis zu zehn Stunden mit oft vorsintflutlichem Gerät Feinstarbeiten zu verrichten oder überflüssige Lötstellen mit einer Nagelschere abzuklipsen.

Asiatische Billiglöhne halten den IT-Handel in Schwung

Die Niedriglöhne in China, Thailand, Indien, Indonesien und Malaysia halten den IT-Handel in Europa und Amerika im Schwung. Allein zwischen 1996 und 1999 ist der asiatische Anteil an integrierten Schaltkreisen (ICs) von knapp 60 auf über 90 Prozent gestiegen. Gleichzeitig ist China mit 21 Prozent zum wichtigsten asiatischen Produktionsstandort für IT-Produkte angewachsen. Sechs der zehn größten Anbieter von LCDs haben ihre Heimat in Asien. Der südkoreanische Riese Samsung dominierte 1999 sogar den Markt für TFT- und LC-Displays mit einem Marktanteil von 23 Prozent. Taiwan stellt laut Marktforscher MIC mit den Offshore-Produktionsstätten in China, Malaysia und Thailand rund 55 Prozent aller Notebooks, 58 Prozent aller Monitore und 64 Prozent aller Motherboards weltweit her.

Wenn es die günstigen Produktionsstätten in China, Malaysia und Thailand nicht gäbe, könnte sich auch in Europa und Amerika wohl kaum jemand einen PC leisten. Wie wenige es in Asien als größtem Produktionsstandort für IT-Hardware können, zeigt schon das krasse Missverhältnis von 50 Millionen Internet-Anschlüssen auf 3,1 Milliarden Menschen. Das sind nur etwa 1,6 Prozent der asiatischen Bevölkerung. In Thailand kommen laut Handelsblatt weniger als 20 PCs auf 1.000 Einwohner. In der EU besitzen dagegen über 30 und in den USA sogar mehr als 60 Prozent der Bevölkerung einen PC. In China sind es nur 0,6 Prozent, in Singapur hingegen über 20 Prozent der Bevölkerung, die einen PC besitzen.

Bei der Zahl der Internet-Nutzer belegt Singapur nach Schätzung der Deutsche-Bank-Tochter DB Research mit rund 28 Prozent der Stadtbevölkerung sogar den Spitzenplatz in Asien, gefolgt von Taiwan mit zirka 22 Prozent der Arbeiterbevölkerung und Hongkong mit 21 Prozent. In Indonesien und auf den Philippinen sind es jedoch noch nicht einmal zwei Prozent. Bedenkt man, dass das Internet für Chinesen eine weitaus größere sprachliche Hürde darstellt als in den beiden zuletzt genannten Ländern, die eine Buchstabenschrift haben, wird einem erst bewusst, wie groß die Einkommensunterschiede sind. Aufgrund der stark steigenden Zahl der chinesischen Internet-Anschlüsse auf dem Festland, in Taiwan, Hongkong, Singapur und Nordamerika wächst auch die Zahl chinesischer Web-Seiten, deren Anteil heute schon bei vier Prozent liegt. Japanisch belegt sogar acht Prozent des weltweiten Internet-Angebots, während der englischsprachige Anteil nur noch bei 57 Prozent liegt.

Mit 3G-Handys in den mobilen Web-Handel

IDC zufolge soll die Zahl der asiatischen Internet-Anschlüsse bis 2003 auf über 190 Millionen steigen, wovon 80 Millionen auf China und 70 Millionen auf Indien entfallen sollen. Chinas Internet-Nutzerrate würde sich somit auf sechs Prozent seit 1999 verzehnfachen, während der Anteil in Indien als der weltgrößte Software-Produzent auf gerade mal auf etwas mehr als sieben Prozent steigen wird. In Singapur, Taiwan und Hongkong soll der Anteil der Internet-Nutzer laut DB Research bis dahin schon auf weit über 40 Prozent anwachsen, wobei der Mobilfunkboom dort von DB Reserach als wichtiger Katalysator für den mobilen Web-Handel gesehen wird. Acer-Gründer und Visionär Stan Shih lenkte die Aufmerksamkeit der taiwanischen Industrie schon vor drei Jahren auf Internet Appliances (IAs) wie Settop-Boxen und andere Internet-Konsolen, um den riesigen Absatzmarkt in den Ländern der Dritten Welt zu erschließen, wo sich nur wenige einen ausgewachsenen Computer leisten können.

WAP-Handys und andere günsti-ge Internet-Zugangsgeräte sollen nach einhelliger Meinung der Marktforscher dem Internet und E-Commerce in Asien mächtig Auftrieb geben. So dürfte das E-Commerce-Volumen in den Emerging Markets Asiens ohne Japan zwischen 1999 und 2003 laut Forrester von 6,6 auf 311 Milliarden Dollar ansteigen, wobei der B2B-Handel über 90 Prozent ausmachen soll. Weltweit geht Forrester für 2003 allerdings von einem E-Commerce-Volumen von deutlich über sechs Billionen Dollar aus, wovon weit über drei Viertel auf die USA und Europa entfallen sollen.

Allein für Südkorea, wo die Regierung mit "Cyber Korea 21" ein umfassendes IT-Infrastrukturprogramm aufgestellt hat, gehen die Marktforscher in den nächsten drei Jahren von E-Commerce-Umsätzen in Höhe von 100 Milliarden Dollar aus. Für China erwarten die Marktforscher nach Eintritt in die WTO, angetrieben durch M-Commerce, einen Umsatzanstieg von 92 Millionen auf fünf Milliarden Dollar. Spitzenreiter beim E-Commerce in Asien ist abermals Singapur mit geschätzten Umsätzen von 2,1 Milliarden Dollar. Aufgrund der starken Verbreitung von Mobiltelefonen soll in dem Stadtstaat allein das M-Commerce-Volumen zwischen 1999 und 2005 von 11,8 Millionen auf über zehn Milliarden Dollar anschwellen.

Noch fehlen in Asien viele infrastrukturelle Voraussetzungen, um im Internethandel Amerika und Europa das Wasser reichen zu können. Sollten die Analysten bei DB Research Recht behalten, hat der Kontinent, in dem über die Hälfte aller Erdenbürger lebt, das Potenzial, sich mit günstigeren Zugangsgeräten zu einem wahren E-Commerce-Eldorado zu entwickeln, wovon wiederum der gesamte IT-Welthandel profitieren dürfte. (kh)

www.dbresearch.de

www.handelsblatt.de

mic.iii.org.tw

www.idc.com

www.emarketer.com

www.forrester.com

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