Assemblierer dominieren noch immer den deutschen PC-Markt

15.04.1999

MÜNCHEN: Lohnt sich die PC-Assemblierung für den Fachhandel heute noch? Die Antwort lautet eindeutig jein. Denn nach wie vor sprechen genauso viele Gründe für wie auch gegen den Griff zum Schraubenzieher.Die Botschaft, die Stefan Draeger, Geschäftsführer der Actebis International Distribution, in Richtung Fachhändlerschaft schickt, ist eindeutig: "Spitz doch einmal den Bleistift und überlege, ob es sich wirklich lohnt, selbst zu assemblieren." Damit hat er sicher recht. Denn tatsächlich fällt der kaufmännische Aspekt negativ aus. "Viele Händler rechnen bei ihrer Kalkulation für einen Computer die eigene Arbeitsleistung nicht ein", nennt Draeger einen Grund. Andere Gründe, die gegen eine Eigenassemblierung durch den Fachhandel sprechen, sind das steigende Markenbewußtsein der Endkunden, die ungeklärte Situation bezüglich Patentgebühren und Meistertitel, die erforderliche CE-Prüfung und die hohen Kosten bei Lagervorhaltung. Bezieht der Händler seine Bauteile in kleineren Mengen bei verschiedenen Lieferanten, kommen noch verhältnismäßig hohe Lieferkosten und Mindermengenaufschläge dazu. Und last, but not least erwächst dem schraubenden Händler immer mehr Konkurrenz von den eigenen Lieferanten, die sowohl ihre Hausmarken anbieten als auch im Auftrag von PC-Markenherstellern Computer zusammenschrauben - und das mit wachsendem Erfolg.

Doch das ist nur ein Aspekt. Demgegenüber bringt das Selbstschrauben dem Händler einige Vorteile, allen voran eine engere Kundenbindung und das Angebot der PC-Assemblierung als Dienstleistung. Norbert Müller, Inhaber von NM Software aus Großaitingen, bringt das Pro auf den Punkt: "Wenn ein Kunde einen PC beim Fachhändler kauft, erwartet er eine gute Beratung, individuelle Lösungen und perfekten Service. All das jedoch ist bei einem Computer von der Stange nicht gegeben."

Tatsächlich hat der Fachhändler, der selbst zum Schraubenzieher greift, vor allem bei mittelständischen und kleinen Unternehmen seine Chancen. Denn gerade diese Firmen sind es, an denen sich die großen PC-Hersteller nach wie vor die Zähne ausbeißen und bei denen die unterschiedlichsten Konfigurationen anzutreffen sind. PC-Assemblierung ist hier ein probates Mittel, um schnell und flexibel auf die sich ändernden Kundenbedürfnisse zu reagieren. Daneben sind es vor allem ausgefallene Kundenwünsche, bei denen Komplettrechner der führenden Hersteller kaum einsatzfähig sind. Braucht ein Kunde etwa ganz bestimmte Komponenten, wie Grafikkarten oder spezielle CD-Rom-Laufwerke, muß der Händler fast immer selbst Hand anlegen.

Die Distributoren machen Dampf

Allerdings gibt es für das letztgenannte Problem noch eine weitere Lösung: die sogenannten Build-to-Order-Rechner (BTO). Vor allem Deutschlands Distributoren machen sich immer mehr für diese Art der PC-Assemblierung stark. Dabei werden sowohl die sogenannten Eigenmarken, wie Targa von Actebis oder Macom von Macrotron, von den Distis geschraubt als auch Marken-PCs von IBM oder Hewlett-Packard. Aber auch viele der kleineren Distributoren, wie Senetco oder P&T Computer, setzen auf selbst assem- blierte Computer. Die hessische P&T GmbH hat ihr PC-Geschäft kürzlich gar in eine eigenständige GmbH ausgegliedert.

Wie wichtig die PC-Assemblierung für die Großhändler ist, zeigt sich am Beispiel Macrotron. Immerhin wurden im vergangenen Jahr schätzungsweise 150.000 bis 180.000 Macom-Systeme ausgeliefert - Tendenz steigend. Um nun die Eigenmarke mit PCs, Servern, Monitoren und Notebooks noch stärker in den Markt zu bringen, hat der Distributor ein neues Fachhandelskonzept aufgesetzt. Ab sofort können sich Interessenten damit zum Macom-Fachhandelspartner autorisieren lassen. Als Vorteile für diese Partner verspricht der Münchner Broadliner unter anderem feste Ansprechpartner im Macom Fokus Sales Team, bevorzugte Belieferung bei Allokations-Artikeln, Pre- und Post-Sales-Support, einen Garantie-Austausch-Service vorab bei defekten PC-Komponenten, die Aufnahme in die Händlersuchfunktion im Internet und Unterstützung in der Verkaufsfinanzierung.

Auch bei Actebis in Soest mißt man der BTO-Assemblierung eine große Bedeutung bei. So wurden im vergangenen Jahr rund 180.000 Rechner der Eigenmarke Targa bei Schäfer IT in Dresden hergestellt. In diesem Jahr will Actebis-Geschäftsführer Draeger diese Zahl "nicht ganz verdoppeln". Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, plant der Distributor für dieses Jahr zahlreiche Aktivitäten. So sollen zum Beispiel verstärkt Targa-Endkunden über zielgruppengerechte Werbung angesprochen werden. Unter dem Motto "Jeder Targa ist etwas Besonderes!" will Actebis die Einzigartigkeit seiner PCs und Note-

books dem Endkunden näher bringen - und damit natürlich auch dem Fachhändler unter die Arme greifen. Außerdem werden Actebis-Partner mit umfassenden Schulungsmaßnahmen und Verkaufshilfen aktiv unterstützt, verlautete aus Soest. "Wir nehmen unseren Händlern die Arbeit ab - sie müssen nur noch verkaufen", macht Draeger die Actebis-Initiative deutlich.

Dell als Vorbild für BTO-Rechner

Daneben sieht der Actebis-Geschäftsführer noch weitere Möglichkeiten der Händlerunterstützung: Gerade die von den Fachhändlern geforderte Zuverlässigkeit bei der Lieferung sei extrem wichtig. "Hier haben wir noch Handlungsbedarf", gibt er zu. Als Vorbild dafür gibt Draeger den PC-Hersteller Dell an.

"Dell verkauft im Internet nur die Komponenten, die wirklich im Moment vorrätig sind", erklärt er das Erfolgsrezept. "Wenn man es schafft, den Kunden auf die Produkte zu lenken, die derzeit verfügbar sind, kann man auch schneller liefern", malt der Actebis-Geschäftsführer das Bild der Zukunft.

Ein weiterer Punkt, der bei der PC-Assemblierung eine große Rolle spielt, ist der Service. "Derzeit wickeln wir in Soest den Service für unsere Rechner ab. Wir arbeiten aber daran, daß diese Dienstleistung künftig der Händler übernehmen kann", so Draeger. Als Anreiz soll der Targa-Händler einen Bonus erhalten, die Konditionen dafür müssen nach Draegers Worten aber noch festgelegt werden.

Marken-PCs sind im kommen

Die No-Name-PCs der Distributoren und Systemhäuser sind aber nur die eine Seite der Medaille bei der Assemblierung. Die andere sind die Marken-Rechner von Herstellern wie Compaq, IBM oder Hewlett-Packard, die zunehmend in Deutschlands Assemblierermarkt wildern. Gefertigt werden die A-Brands zum größten Teil von den großen Distributoren aber auch von Dienstleistern wie der Dresdner Schäfer IT-Systeme.

Daß dieser Bereich zunehmend an Bedeutung gewinnt, spiegelt sich in der zunehmenden Anzahl der schraubenden Broadliner wider: Nachdem Actebis mit HP vor gut zwei Jahren den Anfang machte, ist heute in diesem Segment alles zu finden, was Rang und Namen hat. So schraubt neben Actebis auch die Münchner Macrotron für IBM, Computer 2000 ebenfalls für Hewlett-Packard. Angepeilt ist hier außerdem eine Zusammenarbeit mit IBM, die bereits im Sommer anlaufen soll, und eventuell mit Compaq. Und auch der Vierte im Bunde der großen deutschen Distis, die CHS Electronics GmbH, will mit Inbetriebnahme des neuen Lagers in Bad Hersfeld ein gewichtiges Wörtchen bei der PC-Fertigung mitreden. (sn)

PC-Assemblierer, wie hier die Schäfer IT-Systeme in Dresden, decken rund 40 Prozent des PC-Geschäfts ab.

Actebis-Geschäftsführer Stefan Draeger: "Unsere Targa-Händler

müssen nur noch verkaufen, alles andere machen wir."

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