Auch bei den IT-Dienstleistungen liegt das Geld für den Händler nicht auf der Straße

20.09.1996
MÜNCHEN: Die Botschaft ist hinlänglich bekannt: Die Margen für Hardware und Software sind kaputt. Richtig Geld verdienen kann der IT-Handel nur noch mit Dienstleistungen. Doch welche Dienstleistungen werfen wirklich Gewinn ab? Und sind die Amerikaner tatsächlich das große Service-Vorbild? Die Ansichten hierzu sind in der Branche durchaus geteilt.Kaum ein Begriff wird in Wirtschaft und Politik derzeit so inflationär als Stein der Weisen gehandelt, wie die Dienstleistungsgesellschaft. Mit Glanz in den Augen richtet sich der Blick über den Großen Teich auf das angebliche Jobwunder in den USA. Das ist in der IT-Branche nicht anders. Hier werden Dienstleistungen jedoch nicht nur als Wundermittel zur Schaffung von Arbeitsplätzen angepriesen, sondern vor allem als Rettungsanker für die vom Margenverfall gebeutelte Händlerschaft.

MÜNCHEN: Die Botschaft ist hinlänglich bekannt: Die Margen für Hardware und Software sind kaputt. Richtig Geld verdienen kann der IT-Handel nur noch mit Dienstleistungen. Doch welche Dienstleistungen werfen wirklich Gewinn ab? Und sind die Amerikaner tatsächlich das große Service-Vorbild? Die Ansichten hierzu sind in der Branche durchaus geteilt.Kaum ein Begriff wird in Wirtschaft und Politik derzeit so inflationär als Stein der Weisen gehandelt, wie die Dienstleistungsgesellschaft. Mit Glanz in den Augen richtet sich der Blick über den Großen Teich auf das angebliche Jobwunder in den USA. Das ist in der IT-Branche nicht anders. Hier werden Dienstleistungen jedoch nicht nur als Wundermittel zur Schaffung von Arbeitsplätzen angepriesen, sondern vor allem als Rettungsanker für die vom Margenverfall gebeutelte Händlerschaft.

Mehr Umsatz mit Services in USA

Die Statistiken scheinen in der Tat eindeutig: 1995 wurden in den USA knapp 75 Milliarden Dollar mit IT-Dienstleistungen umgesetzt. Das ist pro Kopf der Bevölkerung doppelt so viel wie in Deutschland, und laut der International Data Corporation (IDC) soll's auch bis 1999 so bleiben. Das gilt sowohl für die Support Services, zu denen IDC die Reparatur oder den Ersatz von Hardwarekomponenten sowie Software Support etwa über Help Desks zählt, als auch für die Professional Services, mit denen das klassische Aufgabenspektrum der Systemhäuser gemeint ist, also Software-Entwicklung, Systemdesign, Systemintegration, Schulungen etc.

Der Einsicht der deutschen IT-Branche scheinen also keine Taten zu folgen. Woran liegt's? "Die ganze Branche, angefangen bei den Herstellern bis zum kleinen Fachhändler, weiß einfach nicht, was Dienstleistungen sind und wie sie sie anbieten sollen", erklärt Josef Böck, Geschäftsführer des Münchner Systemhauses Singhammer Datentechnik GmbH. "Das geht schon damit los, daß viele Hersteller und Distributoren noch immer mit Plug & Play werben. Das funktioniert einfach nicht. Installation ist fast immer aufwendig und teuer. Und wenn den Kunden was anderes vorgegaukelt wird, dann ist es sehr schwer, ihnen entsprechende Dienstleistungen für teures Geld zu verkaufen", so Böck. Zu einem funktionierenden Service-Markt gehören also zwei Seiten: das ehrliche, transparente Angebot und die Bereitschaft der Kunden, das Angebot zu kaufen. "Anbieter und Kunden haben's einfach noch nicht begriffen, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen", beklagt Stephan Junghänel, Geschäftsführer des niedersächsischen Systemhauses SJ Computer. Junghänel betreut sowohl professionelle Kunden, als auch den klassischen Retailkunden über seine drei Filialgeschäfte in Neustadt, Nienburg und Stadthagen. "Die professionellen Kunden haben schon dazugelernt. Die sind eher bereit für Dienstleistungen zu zahlen", glaubt er. "Die privaten Kunden müssen noch lernen, daß beim Fachhändler der Service vor dem Preis geht."

Dienstleistung muß professionell vermarktet werden

Die meisten Retailkunden glauben noch immer, der Service ist bereits im Hard- und Softwarepreis enthalten. Diesen Irrglauben haben nicht zuletzt die Fachhändler selbst zu verantworten, die sich oftmals scheuen, den Kunden beim Verkaufsgespräch die bittere Pille Servicevertrag zu verabreichen, um nicht noch teurer zu sein als die übermächtige Konkurrenz von Vobis, Schadt und Co. Das ist jedenfalls die Überzeugung von Alexander Mohr, Geschäftsführer der Conex Information Service GmbH in Bobingen. Unter dem Namen Service 4000 verkauft der schwäbische Unternehmer Händlern, Distributoren und Herstellern - darunter Macrotron, Frank & Walter, die AKC GmbH und PC Spezialist - eine vierjährige Hardwaregarantie mit bundesweitem Vor-Ort-Service. Außerdem bietet er Fachhändlern Schulungen an, in denen sie lernen können, wie man Dienstleistungen richtig an den Kunden bringt. "Scheuen Sie sich nicht davor, auf den Kunden ,persönlichen Druck' auszuüben, wie zum Beispiel ,finden sie es fair, sich bei mir fachkundig beraten zu lassen und beim ?? einkaufen zu wollen?'", lautet einer der rigorosen Ratschläge, die Mohr dabei für seine Schüler bereithält.

Einer der mehr als 500 Vertragspartner von Mohr ist das Münchner Systemhaus Hauser GmbH. Für Geschäftsführer Anton Sabo ist Conex "ein Hebel, um einen einfachen Einstieg in das Dienstleistungsgeschäft mit den Kunden zu erhalten". Bei Hauser steht man noch ganz am Anfang der professionellen Vermarktung von Dienstleistungen. "Wir sind keine Consultants, aber der Trend geht sicher dahin", gibt Sabo zu. "Wir müssen noch einiges investieren, dennoch ist der Fokus auf den Kunden der einzige Weg." Wirklich Geld machen kann man laut Sabo aber nur mit der Zielgruppe Mittelstand: "Im Großkundengeschäft sind vernünftige Dienstleistungsstundensätze nicht durchzusetzen. Da sind die Margen kaputt."

Bisher bestreitet Hauser nur zirka zwölf Prozent seines Umsatzes mit Services. Das langfristige Ziel liegt bei 30 Prozent. Bei Singhammer liegt diese Zahl nach eigener Schätzung bereits heute zwischen 35 Prozent bei Großkunden und bis zu 70 Prozent bei einzelnen Projektgeschäften, zum Beispiel mit der kaufmännischen Software Navision.

"Früher wurde zuerst die Hardware verkauft und anschließend die Dienstleistungen. Heute und in Zukunft kommen zuerst die Dienstleistungen, werden die Bedürfnisse des Kunden exakt formuliert und dann folgen Hardware und Software", erklärt Singhammer-Geschäftsführer Böck. Und weiter: "Der typische Systemhauskunde wurde bisher mit Standardleistungen versorgt, die im Verbund mit den Produkten angeboten wurden. Allenfalls gab es noch einen technischen Kundenbetreuer, der zum Beispiel ein Jahr vor Ort war. Projektierung und Unternehmensberatung sind etwas Neues, und dieser Bereich wird weiter zunehmen." Dazu gehört es auch, daß kostenloser oder nebulös in den Hardwarepreisen versteckter Support zurückgenommen wird. "Ohne Transparenz und vernünftige Steuerung entstehen zu viele Overhead-Kosten. Dann schrumpft die Marge", die laut Böck im allgemeinen zwischen 40 und 60 Prozent liegt.

Die Amis sind kein Vorbild

Daß die Amerikaner das alles heute schon viel besser machen, diesen Schuh wollen sich die deutschen Händler und Systemhäuser nicht anziehen. "Unsere Systemingenieure sind kürzlich aus den USA zurückgekommen, und die haben mir erzählt, die USA sind ein Dienstleistungsentwicklungsland. Total ineffizient!", behauptet Böck. Ähnlich sieht es SJ Computer-Chef Junghänel: "Die USA sind kein Vorbild. Die Amis sind vielleicht eher bereit, für Dienstleistungen zu zahlen. Aber was wird denn angeboten? Doch auch nur Hotline, Internet usw." Diesen Eindruck bestätigt auch Joachim Wolbersen, der Vorsitzende des deutschen Ablegers des Help Desk Instituts in Hamburg. Das HDI ist ein 1989 in den USA gegründeter internationaler Interessenverband für Service, Support und telefonische Kundenbetreuung. "Bei einfach gestrickten Problemstellungen sind die Amis top", so Wolbersen. "Wenn's aber komplizierter wird, dann fehlt die strategische Ausrichtung. Die Amis denken nicht in längeren Zeiträumen. Professionell sind die nur im Tagesgeschäft".

Glaubt man also den deutschen Experten, dann funktioniert Dienstleistung im Land der unbegrenzten Möglichkeiten wie eine Feuerwehr: Im Brandfall wird schnell und zuverlässig gelöscht. Versteht man unter Dienstleistung aber nicht nur Garantieabwicklung und Hotline-Support, sondern auch langfristige, strategische Planung und Betreuung von EDV-Konzepten und -Anlagen, dann ist Amerika auch nicht weiter als good old Germany. Davon abgesehen kann der Dienstleistungsanteil an der Wertschöpfung der deutschen Wirtschaft ohnehin niemals amerikanische Werte erreichen, da Deutschland weit stärker als die USA auf den Export und damit die Produktion von Gütern angewiesen ist.

Services allein retten den IT-Handel nicht

Böck sieht es dennoch wie die meisten Hersteller und Händler: der Dienstleistungsanteil an den Umsätzen der IT-Branche muß und wird weiter steigen - absolut und anteilig.

Die Marktforscher sind weniger optimistisch. Ob IDC, Dataquest oder Frost & Sullivan: der Dienstleistungsanteil bleibt auch nach dem Jahr 2000 bei plus/minus 35 Prozent - in den USA ebenso wie in Europa und Deutschland. Nach einer Studie von Dataquest werden die Budgets in den Unternehmen für internen IT-Support in den kommenden Jahren entgegen der Hoffnung externer Dienstleister nicht zurückgehen. Nach ihren größten Konkurrenten befragt, antworteten viele Dienstleister: "Der End-User".

Wenn also schon mit Services nicht deutlich mehr umgesetzt wird, dann gilt es, die im Vergleich zum Hard- und Softwareverkauf noch immer höheren Margen in die Zukunft zu retten. "Wir verkaufen in Zukunft nur noch Dienstleistung und verschenken die Hardware." Diese Vision, an die sich nicht nur Conex-Chef Mohr klammert, dürfte also ein Wunschtraum bleiben.

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