Auch du, mein Sohn Brutus?

06.10.1999

BÖBLINGEN: Hewlett-Packard schneidet bei Beurteilungen zum Thema Händlertreue zumeist gut ab. Doch jetzt heißt es aufgepaßt: Ende des Jahres kommt "HP Shopping Village", die Direktvertriebsseite für Retailkunden im Internet, auch nach Deutschland. Und auch das brandneue "HP Business Store" für SMB-Kunden ist auf lange Sicht in Deutschland kein Tabuthema."Das war ja nicht anders zu erwarten", reagiert ein HP-Händler resigniert auf die Ankündigung des Herstellers, in den USA nun doch Computer für kleine und mittelständische Geschäftskunden direkt via Internet zu verkaufen. Das Ganze nennt sich "HP Business Store" und wendet sich - im Gegensatz zum in den USA bereits etablierten "HP Shopping Village" für Retail-Produkte - gezielt an Small-Medium-Business-Kundschaft. Genau die Zielgruppe also, die auch der mittelständische HP-Handelspartner adressiert. "Da kann man doch nach gehen: In spätestens einem halben Jahr gibt's das gleiche Prinzip dann auch in Deutschland", sieht denn auch ein Stuttgarter Händler schwarz.

Hewlett-Packard in Böblingen beantwortet eine entsprechende Anfrage der Redaktion mit einem entschiedenen "Jein": Ja, es stimmt, Ende des Jahres wird es auch hierzulande auf HPs Internetseite den Zugang zum "HP Shopping Village" geben. In einem "Pilotprojekt", wie HPs PC-Chef Ulrich Kemp bestätigt, werden dort die Retail-Produkte des Hersteller zur Direktbestellung auch für Deutschlands Kleinkunden aufgelistet. Aber - und deshalb eben "jein" - die Business-Kunden in Deutschland bleiben fest in der Hand der Fachhandelspartner, versichert Kemp.

Er mag allerdings nicht hundertprozentig ausschließen, daß eines schönen Tages auch der "HP Business Store" nach US-Vorbild in Deutschland eingeführt wird. Als hätte Kemp sich mit IBM und Compaq abgesprochen, beruft auch er sich, wie zuvor schon seine Kollegen beim Wettbewerb, auf König Kunde: "Wenn der Kunde es unbedingt wünscht - und wenn er partout übers Netz bestellen will -, werden wir das anbieten." Bislang habe aber erst ein Kunde bei ihm angefragt, ob er direkt beliefert werden könne - und den habe er zum Fachhandel "bekehrt", schmunzelt der PC-Chef.

Zudem, so schiebt Kemp nach, habe man doch nicht ein neues europäisches Online-Einkaufs-Konzept zusammen mit Yahoo und ZD Net ausgeklügelt (siehe Kasten), wenn man vorhabe, direkt zu verkaufen.

Hausinterne HP-Stellungnahme

Intern bei HP kursiert eine Stellungnahme aus der Europazentrale des Herstellers, in der die Mitarbeiter über die Bedeutung des amerikanischen Business-Store-Modells für Europa informiert werden. Sie bestätigt im großen und ganzen Kemps Aussagen, wird aber zum Teil noch deutlicher: "Das US-Announcement und das Europa-Announcement (Yahoo und ZD Net, Anmerkung der Redaktion) haben einen gemeinsamen Nenner: den SMB-Kunden als Zielgruppe. In Europa setzt HP aufgrund unterschiedlichen Kaufverhaltens der SMB-Kundschaft auf den Wiederverkäufer vor Ort. Der Internet-Auftritt konzentriert sich auf die direkte Kommunikation zum Endkunden, auf Visibilität, auf Geschäftsgenerierung für den Handel. Dementsprechend verweist die Yahoo- und ZD-Net-Bannerwerbung per Link auf die europäischen Online-Commerce-Center. Bestellungen, die dort eingehen, werden vom Fachhandel ausgeführt. Nicht alles, was in den USA eingeführt wird, ist auf Deutschland übertragbar. Lokale Besonderheiten wie Mittelstandsstruktur, Kaufverhalten, Internet-Durchdringung oder gesetzliche Rahmenbestimmungen setzen insbesondere in Deutschland dem Erfolg von Internet-Sales seine Schranken. Daher ist kurzfristig keine Übernahme des USA-Modells sichtbar."

So weit können HPs Handelspartner vorerst beruhigt sein. Aber der Text geht weiter und läßt alle Möglichkeiten offen: "Natürlich wird HP in Europa das Kaufverhalten der SMB-Kunden genau beobachten und entsprechend reagieren, falls sich eine Präferenz für den direkten Internet-Kauf zeigen sollte." (du)

Ulrich Kemp, General Manager für den Bereich PCs und Storage bei HP in Böblingen, hatte erst eine Anfrage bezüglich Direktbelieferung - und den Kunden hat er zum Fachhandel "bekehrt".

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