Auch für Privatanwender uninteressant

06.10.1998

MÜNCHEN: In allerletzter Minute hat Microsoft-Boß Bill Gates mit wortkräftiger Unterstützung von mehr als 30 hochkarätigen IT-Unternehmern eine Intervention des US-Justizministeriums bei der Auslieferung von Windows 98 vereitelt. Doch obwohl das Betriebssystem nun wie geplant und trotz der umstrittenen Integration des Browsers "Internet Explorer" vertrieben werden darf, zeigen US-amerikanische und deutsche Anwender Windows 98 vorerst die kalte Schulter.Nun ist es amtlich: Das US-Justizministerium hat Microsoft grünes Licht für die Vermarktung von Windows 98 ab dem 25. Juni dieses Jahres gegeben. Noch wenige Tage zuvor hatte Gates persönlich um Beistand aus der IT-Industrie gebeten: Rund 30 Branchenvertreter, darunter etwa Lenore Michaels, Director Marketing beim Systemintegrator Micro Modeling Associates Inc., Compaq-CEO Eckhard Pfeiffer, Harvard-Professor Geregory Mankiw oder Visio-Vice-President Ted Johnson waren der Gates-Company gefolgt, um dem Quasi-Monopolisten die Stange zu halten. Doch mit seinem Engagement gegen einen Auslieferungsstop des Betriebssystems, der laut Gates "irreparable Schäden für das Eco-System von Herstellern und die gesamte amerikanische Wirtschaft" nach sich gezogen hätte, hat Microsoft nur einen Teilsieg errungen.

Besser NT auch für daheim

Anders als noch mit Windows 95, das vor rund zweieinhalb Jahren weltweit mit Pauken und Trompeten angekündigt wurde, dürfte das neue Release nur wenig Furore erzeugen. Windows NT lautet die Devise in deutschen und amerikanischen Unternehmen.

"Wir setzen Windows NT ein", bestätigt denn auch Dietmar Sachse, zuständig für die Informationsverarbeitung/Systementwicklung bei der Münchner Zentrale des ADAC. Sowohl Server- als auch Client-seitig vertraue der Automobilclub lieber dem großen Bruder von Windows 95/98. Ebenso uninteressant ist für den Experten das Desktop-Betriebssystem aus der Warte des Privatanwenders: "Die neue Version Windows 95b ist doch schon quasi die Windows-98-Version", bekräftigt Sachse stellvertretend für fast eine gesamte Branche. Sämtliche Updates und Bug-Fixes, die seit der Auslieferung der Standardversion auf den Markt kamen, erübrigten das Upgrade auf Windows 98. Die 200 Mark für das neue Release könne man sich getrost sparen. "Umgekehrt wäre es vielleicht vernünftiger, auch als Privatanwender Windows NT einzusetzen", konstatiert Sachse. Es lägen Welten zwischen den Systemstabilitäten von Windows 95/98 und Windows NT. Weiterhin sei bereits heute absehbar, daß Windows NT 5.0 das Desktop-Release über kurz oder lang ablösen werde. Für Windows 98 spreche, daß das System etwas weniger Ressourcen benötige als die NT-Variante.

In die gleiche Kerbe haut Heinz Wiesemann, DV-Experte beim Badezimmer- und Schrankhersteller Allibert GmbH aus Frankfurt. Ein Umstieg auf Windows 98 rentiere sich Wiesemann zufolge keineswegs, wenn bereits der "Internet Explorer 4.0" inklusive seiner Komponenten wie Active Desktop installiert ist. Auf der letzten Interimsversion Windows 95c (OSR 2.1) sei ja bereits alles integriert, was Windows 98 biete, inklusive neuem Internet-Browser. "Das Installationsprogramm fragt allerdings nicht, ob ich den haben will", wettert Netscape-Fan Wiesemann über Microsofts umstrittene Bündelpolitik. Der Internet Explorer sei vollkommen überladen. Wiesemann prägnant: "Wer ihn nicht nutzt, hat sämtlichen Müll auf der Platte."

Mehr Interesse zeigt der Hesse, geht es um Windows NT. Sein Brötchengeber habe beschlossen, die derzeit 35 Windows-95-PCs nicht auf das Nachfolge-Release Windows 98, sondern vielmehr auf Microsofts Pendant Windows NT umzurüsten. Das laufe wesentlich stabiler. Gedämpftes Interesse an Windows 98 erwarten auch US-Analysten: "Das wird die unspektakulärste Auslieferung, die Microsoft jemals unternommen hat, und jeder weiß das", prognostiziert Jeff Tarter, Herausgeber des Branchenblattes Softletter. Nur wenige Software- und Hardwareanbieter planten schon ernsthaft mit diesem Betriebssystem-Release. "Der Himmel wird uns nicht auf den Kopf fallen, wenn Windows 98 nicht sofort ausgeliefert wird", so Chris Le Tocq, Analyst bei Dataquest. Konkreter bezeichnet Mike Boyle, Chef des PC-Verkäufers Computerland New Mexico, das Hickhack um die fristgerechte Auslieferung: "Eine Verspätung hätte Microsofts Bilanz getrübt, meine aber garantiert nicht." Und schließlich räumt selbst der Redmonder Softwareriese ein: "Windows NT 5.0 ist das bessere Betriebssystem für Unternehmen", gibt Neil Froggat, Marketingmanager für Desktop Windows Platform bei der Microsoft Canada Co., Mississauga, Ontario, zu Protokoll.

Das war knapp. Das US-Justizministerium erlaubt Gates den Verkauf von Windows 98.

Dieser Beitrag erscheint mit freundlicher Genehmigung der Computerwoche.

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