Auch für Spekulationsgewinne wird nur halbe Besteuerung fällig

26.10.2000
Nicht nur Unternehmen profitieren von der zum Jahreswechsel greifenden Steuerreform (siehe auch unsere neue Serie ab Seite 42). Dr. Alexander Busse* zeigt, wie auch Privatinvestoren durch cleveres Durchforsten ihres Wertpapierdepots kommende Steuervorteile nutzen können.

Obwohl die mittlerweile heftig ins Kreuzfeuer der Oppositionskritik geratenen Macher der Unternehmensteuerreform 2001 in erster Linie Unternehmen im Visier ihrer Überlegungen hatten, hat die gesetzliche Neuregelung auch für den privaten Kapitalanleger Neues zu bieten. Vor allem Aktionäre müssen umdenken und ihre Anlagestrategien auf die neuen Steuerspielregeln einstellen.

Das Zauberwort heißt Halbeinkünfteverfahren

Eindeutig im Mittelpunkt der Reform steht die Ablösung des gegenwärtigen Anrechnungsverfahrens, mit dem auf verschlungenen Wegen Körperschaftsteuer und Einkommensteuer der Gesellschafter verrechnet werden, durch das neue so genannte Halbeinkünfteverfahren.

Sollte die Steuerreform ohne wesentliche Änderung kommen, werden ab 2001 die Steuern von Gesellschaft und Gesellschafter nichts mehr miteinander zu tun haben. Die Gesellschaft zahlt auf ihre ausgeschütteten Gewinne 25 Prozent Körperschaftsteuer, kann bei einem Gewinn vor Steuer von 100 also maximal 75 an ihre Gesellschafter ausschütten. Um eine übermäßige Steuerlast zu vermeiden, die bei einer vollen Besteuerung der Dividende unweigerlich eintreten würde, wählt die Steuerreform einen verblüffend einfachen Weg: Beim Gesellschafter unterliegt nicht die ganze Dividende (im Beispiel oben 75), sondern nur genau die Hälfte der Einkommensteuer. Mit dem ab 2001 auf 48,5 Prozent abgesenkten Höchststeuersatz liegt die Maximalbesteuerung des Gesellschafters bei einer Gewinnausschüttung von 75 dann bei rund 18,2 Prozent.

Dividenden meist nur bescheidenes Zubrot

Obwohl das neue Modell des Halbeinkünfteverfahrens maßgeblich die deutschen Gesellschaften und ihre Gesellschafter im Auge hat, gelten dieselben Prinzipien auch für die Aktionäre ausländischer Gesellschaften. Deutsche, die Dividenden von Auslands-AGs erhalten, müssen diese Dividenden ab 2001 nur noch zur Hälfte versteuern. Bekanntlich gelten bei Aktienanlegern die Dividenden meist nur als bescheidenes Zubrot. Weit mehr als die Ausschüttungen sollen die angestrebten Kurssteigerungen eine attraktive Gesamtrendite sichern. Wie schwer es hier gerade in Phasen stark schwankender Kurse ist, die seit 1999 auf ein volles Jahr verlängerte Spekulationsfrist durchzuhalten, um in Genuss der Steuerfreiheit für Gewinne aus Aktienverkäufen zu kommen, haben viele Aktionäre mittlerweile zu spüren bekommen. Erhebliche Entspannung verspricht auch hier das Halbeinkünfteverfahren, denn der Grundsatz "Bei Aktionären von allem nur die Hälfte!" gilt ab 2001 nicht nur für Dividenden, sondern genauso für die innerhalb des Jahreszeitraums erzielten Spekulationsgewinne, und zwar bei inländischen wie ausländischen Werten.

Voller Steuersatz bei Investmentfonds

Vorsicht ist nur bei Investmentfonds geboten, denn für diese greift die Halbteilung nicht. Wer also seine Fondsanteile binnen Jahresfrist mit Gewinn abstößt, wird weiter mit dem vollen Steuersatz zur Kasse gebeten. Was von den Anbietern von Aktienfonds als Diskriminierung angeprangert wird, ist so ungerecht nun auch wieder nicht. Denn weiterhin dürfen die Fondsmanager nach Lust und Laune ohne Beachtung aller Fristen steuerfrei ihre Portfolios umschichten. Für die Fonds und ihre Investoren gilt also: "Die Fondsmanager dürfen mit den im Fonds gehaltenen Werten spekulieren; der Anleger darf dies mit den Fondsanteilen nicht."

Aktieninvestoren, die in der aktuellen Periode eher gefallener Kurse auf Verlustpositionen sitzen, sind gut beraten, darüber nachzudenken, wie sich der Fiskus am besten an diesen Verlusten beteiligen lässt. Wegen der Umstellung der Vollbesteuerung auf die Halbteilung lautet hier das Motto "Spekulationsverluste in 2000 realisieren - Spekulationsgewinne möglichst erst in 2001 anfallen lassen". Welch interessante Effekte sich hier erzielen lassen, mag das folgende Beispiel zeigen:

Ein Investor hat im April dieses Jahres 1.000 Daimler-Chrysler-Aktien à 70 Euro gekauft. Bei aktuellen Kursen von rund 55 Euro ist die Begeisterung über den Kursverlauf eher verhalten; gleichwohl glaubt er an die Zukunft der Nobelmarke und hofft auf die Rückkehr zu den alten Höchstmarken von 80 bis 90 Euro. Die Anlagedevise "Halten" kann sich hier durch die Steuerreform zu einem "Verkaufen und bei nächster Gelegenheit zurückkaufen" wandeln, denn in fast allen Szenarien kann der Investor nur gewinnen:

Fällt Daimler Chrysler bis Mitte 2001 weiter oder bleibt der Wert im Kurs konstant, so hat der Anleger bei Verkauf in 2000 einen Spekulationsverlust von 15.000 Euro realisiert, den er entweder mit Spekulationsgewinnen der Jahre 2000 oder 1999 verrechnen, alternativ aber auch in das Jahr 2001 vortragen kann. Dieser Vortrag in das Jahr 2001 wirkt sich wegen des dann geltenden Halbeinkünfteverfahrens besonders günstig aus. Würde also Daimler Chrysler bis Mitte 2001 auf 80 Euro steigen und zu diesem Kurs verkauft, dann würde vom dem angenommenen Spekulationsgewinn von 25.000 Euro nur die Hälfte steuerpflichtig sein, das heißt, der vorgetragene Verlust würde nur zum Teil verbraucht, im Übrigen könnten die vorgetragenen Verluste mit anderen steuerpflichtigen Aktiengewinnen verrechnet werden.

Während also bei einem "Halten" wegen des Ablaufs der Spekulationsfrist der Gewinn von 10.000 Euro (Verkauf 80, Einstand 70 Euro) steuerfrei bliebe, bewirken "Verkauf und Rückkauf" - beides zu angenommenen 55 Euro - einen Gewinn von 25.000 Euro (Verkauf zu 80 Euro). Weil dieser aber nur zur Hälfte (also 12.500 Euro) steuerpflichtig ist, bliebe ein weiterer steuerlicher Spekulations-Verlustvortrag von 2.500 Euro. Nur bei noch höheren schnellen Kursgewinnen kann sich die beschriebene Strategie letztlich als steuerlich falsch und teuer erweisen.

Freilich setzt dieses Vorgehen immer voraus, dass die Aktie nach dem Verkauf zügig zurückgekauft wird. Abgesehen von anfallenden Spesen für Verkauf und Rückkauf besteht das Hauptrisiko darin, dass der Wert nach dem Verkauf so kurzfristig steigt, dass der Rückkauf zu einem deutlich höheren Kurs erfolgen muss. Dies muss man vor Augen haben, wenn Steuersparüberlegungen eine Umsetzung des Modells nahe legen.

Positiver Presseartikel sollte Bedenken zerstreuen

Die gelegentlich auftauchenden Bedenken, das Finanzamt könnte Verkauf und Rückkauf als steuerlichen Gestaltungsmissbrauch ansehen, sind hingegen nicht allzu ernst zu nehmen. In Zeiten intensiver Berichterstattung über Aktien findet sich immer ein Grund, warum der Anleger nach dem Verkauf erkennt, dass seine Verkaufsentscheidung falsch war und - frei von allen steuerlichen Gründen - durch einen Rückkauf zu korrigieren ist.

Bereits ein mit der (Rück-)Kauforder abgehefteter positiver Presseartikel macht dem Finanzamt den Nachweis, dass allein steuerliche Über-legungen die "Verkauf-Rückkauf-Strategie" veranlasst haben, praktisch unmöglich. Wird zur Sicherheit noch eine Frist von 10 bis 14 Tagen zwischen Verkauf und Rückkauf beachtet, so kann Streit mit dem Finanzamt kaum aufkommen.

Sofern Anleger die durch den Wechsel zum Halbeinkünfteverfahren einmalige Gelegenheit nutzen wollen, Spekulationsverluste noch in 2000 zu realisieren, um sie nach 2001 vorzutragen, wo sie sich faktisch doppelt steuersparend auswirken, sollten sie nicht bis zum Jahresultimo warten. Zu groß ist die Gefahr, dass die Strategie dann flächendeckend praktiziert wird und die im Verlust stehenden Aktien dann weitere deftige Kursrückschläge erleiden. Viel eher bietet es sich an, bereits jetzt das Depot zu durchforsten und die "Verkauf-Rückkauf-Strategie" umzusetzen. Wenn es dann noch gelingt, die Kursrückschläge durch steuerlich bedingte Verkäufe anderer Anleger kurz vor Jahresschluss für günstige Rückkäufe zu nutzen, gilt einmal mehr: Nicht der Große schlägt den Kleinen, sondern der Schnelle den Langsamen.

*Dr. Alexander Busse ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht in der Sozietät Hammerstein und Partner in Hamburg.

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