Auch ohne Lottogewinn

14.10.1999

MÜNCHEN: Der Weg zum Millionär ist meist ebenso steinig wie langwierig. Außer man gewinnt im Lotto, tritt das Erbe eines reichen Onkels an oder überfällt eine Bank. Doch diese Möglichkeiten scheiden meist aus. Deshalb fragte sich ComputerPartner, ob vielleicht die Börsensoftware "Investox XL Version 1.0" eine Lösung sei, um sich möglichst schnell, einfach und risikolos den Traum vom Millionärs-leben zu erfüllen.Kriminalistischer Spürsinn, Phantasie, semantisches oder börsenspezifisches Know-how - mindestens eine dieser Fähigkeiten sollte der potentielle Anwender besitzen, wenn er wißbegierig herauszufinden versucht, was sich in der ausreichend stabilen Pappschachtel mit der Aufschrift "Investox" befindet. Selbst nach heftigstem Drehen und Wenden sind auf der weiß-grünen Umverpackung nur der Herstellername, dessen Adresse und die Systemvoraussetzungen der Software zu finden. Eine mögliche Erklärung für dieses Versteckspiel: Vielleicht geht der Münchner Hersteller Knöpfel davon aus, daß engagierte Privatanwender oder Börsenprofis schon lange vor dem Kauf genau wissen, was sie für knapp 1.500 Mark bekommen.

Für alle anderen ist der Inhalt des Kartons aufschlußreicher: CD-Rom, Lizenzdiskette, Handbuch und eine Faltbroschüre, die kurz die wichtigsten Funktionen der Software beschreibt. Einen Pluspunkt verdient sich das Gesamtpaket dadurch, daß sich alle Komponenten sehr schlicht, aber in einheitlichem Layout präsentieren.

Die Systemvoraussetzungen dürften wohl die meisten Rechner erfüllen: Windows 9x oder NT, mindestens ein 133-Mhz-Prozessor, ein Arbeitsspeicher mit 32 MB sowie 30 MB freier Festplattenspeicher.

Lockruf des Geldes

Die Installation von Investox verläuft nach einem Doppelklick auf die Setup-Datei absolut reibungslos - auch wenn währenddessen das System dem Anwender die schon fast archaische Aufforderung erteilt, er solle doch bitte die Linzenzdiskette einlegen.

Die Oberflächenmaske von Investox scheint auf den ersten Blick leicht verständlich zu sein. Jedoch werden ab jetzt Börsenprofis mit geringem Software-Know-how oder Softwarespezialisten mit wenig Börsenwissen ohne das Handbuch nicht auskommen. Und genau hier schlägt die große Stunde des 381seitigen Kompendiums. Es ist sehr gut strukturiert, leicht verständlich und ermöglicht einen schnellen Überblick. Tutorien zum Einüben der wichtigsten Programmfunktionen runden den positiven Eindruck ab.

Allerdings bleibt ein kleiner Wermutstropfen, der aus dem allzu natürlichen Verhalten der meisten Anwender resultiert: Sie können es einfach nicht erwarten und wollen die aktuellsten Börsendaten sofort. Zwar hat Investox Schnittstellen zu allen gängigen Börsendatenbanken wie beispielsweise Tai-Pan, Winchart oder Metastock, aber für diese benötigt der User ein entsprechendes Abo. Je nach Datenmenge werden beispielsweise für End-of-day-Daten bei der Friedrichsdorfer Lenz + Partner AG mindestens 9,90 Mark oder für Echtzeitsysteme bei Reuters rund 2.000 Mark im Monat fällig. Die Alternative heißt Videotext. Dazu sind aber die RTT-Version von Investox und eine spezielle Karte notwendig.

Das zweite und kleinere Problem ist die Konfiguration der Schnittstellen, um Investox mit den Daten füttern zu können. Die dazu notwendigen Arbeitsschritte sind im Handbuch ein wenig versteckt untergebracht. Ein Button auf der Menüleiste der Arbeitsoberfläche, der die erforderliche Schnittstelle automatisch erkennt, wäre wünschenswert.

Das Börsenparkett

Der Volksmund spricht vom "glatten Börsenparkett". Nicht zu unrecht. Selbst Investox ist kein - will es auch gar nicht sein - Garant für 100prozentige Standfestigkeit auf dem glatten Börsenparkett. Die Software kann dem Anwender allenfalls Entscheidungshilfen bieten, aber sie kann ihm nicht die definitive Kauf- oder Verkaufsentscheidung abnehmen. Angesichts der vielen Analysefunktionen wird zumindest die Zielgruppe der engagierten Privatanleger überrascht und noch verwirrter sein. Selbst ausgesprochenen Finanz- und Börsenspezialisten, die ComputerPartner zu Rate zog, waren einige Features auf Anhieb nicht geläufig. Privatanleger sollten also viel Zeit und noch mehr Engagement mitbringen, um den Nutzwert der Software auch wirklich ausschöpfen zu können. Die Software gliedert sich im wesentlichen in die fünf Features Handelssysteme, Charts, Indikatoren und Berechnungen, Daten und Neuronale Netze.

Die aktuellen sowie historischen Daten von Aktien & Co lassen sich recht einfach zu einem Portfolio zusammenstellen. Ebenso einfach gestaltet sich die individuelle Auswahl der über 100 Indikatoren und vorgefertigten Einflußfaktoren von Investox, die sich beliebig verknüpfen lassen und mit deren Hilfe sich kurz-, mittel- oder langfristige Strategien verfolgen lassen.

Wirklich individuelle Beratung

Die Berechnung der gewünschten Signale erfolgt durch "Generische Algorithmen", die den Rechenprozeß wesentlich beschleunigen. Darüber hinaus können alle Parameter individuell konfiguriert werden. Highlight der XL-Version ist die Möglichkeit, sich ein eigenes sogenanntes "Neuronales Netz" zu erstellen, das in seiner Funktionsweise dem eines menschlichen Gehirns ähnelt. Dies bedeutet, daß sie Zusammenhänge erkennen und sich durch Lernvorgänge selbst organisieren können.

Mit gängigen Parametern läßt sich der Händler- und Endkundenservice des Herstellers Knöpfel nicht vergleichen, auch wenn das Unternehmen Wiederverkäufern die üblichen Werbematerialien, eine kostenlose Hotline, Test- und Demoexemplare und unter gewissen Voraussetzungen Schulungen anbietet. Die Besonderheit des Serviceangebots, das sich aus dem eher intimen Rahmen des Unternehmens, der anvisierten Zielgruppe und damit der Software selbst ergibt: Der Vertrieb ist in Personalunion ein Teil der Entwicklungsteams von Investox. Kompetente und individuelle Beratung sowie kurze, zeitsparende Wege sind dadurch sowohl dem Einzelhändler als auch dem Endkunden sicher. Insofern läßt sich auch erklären, daß Knöpfel Resellern anbietet, sie bei der Formulierung von Kundenanschreiben zu unterstützen. Es ist halt einfach eine Frage des Stils. (mm)

Die Verpackung von Investox sagt nichts über das Programm aus. Ein kleiner Tip, um was es sich handelt, wäre nicht nur für den Kunden hilfreich...

Zur Startseite