"Auf Dauer kann man so einfach nicht zusammenarbeiten"

25.04.2002
Die Sybase-Tochter I-Anywhere will hoch hinaus und schmiedet große Pläne. Leistungsstarke Distributoren, die an vorderster Front das Feld bestellen, sind gefragt. Angeblich passt der langjährige Spezialdistributor Power Now dabei nicht mehr ins Konzept, die Zusammenarbeit wurde beendet. Jetzt ist ADN bis auf weiteres ausschließlicher Vertriebspartner des Softwareherstellers.

So mancher Sybase-Händler dürfte sich verwundert die Augen gerieben haben, als er Ende März das Schreiben seines Lieferanten gelesen hat: "Wir möchten Sie darüber informieren, dass die Power Now Distribution GmbH ab sofort nicht mehr autorisierter Distributor von Sybase und deren Tochterunternehmen I-Any-where Solutions ist", lautete die knappe Botschaft. Eine Erklärung für das abrupte Ende der gut vierjährigen Vertriebspartnerschaft bleiben die Düsseldorfer schuldig.

Derweil laufen beim Value-Added-Distributor (VAD) in Berlin die Telefone heiß, die Power-Now-Kundschaft ist fassungslos, verun- sichert. "Was ist denn jetzt passiert?", schallt es den Mitarbeitern des Softwaregroßhändlers entgegen. Kein Wunder um die Aufregung, schließlich war das Unternehmen Power Now mit seinen vier Mitarbeitern bis dato neben der Bochumer ADN der umsatzstärkste Sybase-Distributor. Markt- kenner gehen von einem Jahresumsatz von umgerechnet zwei bis zweieinhalb Millionen Euro und einem betreuten Kundenstamm von etwa 400 Händlern aus. Vor allem im Bereich Consulting und technischer Support genießt der Berliner Distributor einen guten Ruf in der Branche.

"Wir mussten uns umorientieren"

Es drängt sich also die Frage auf, warum Sybase respektive I-Any-where die Zusammenarbeit für beendet erklärt. Richard Kunze, Sales-Manager bei I-Anywhere und neben Channel-Mann Thomas Waniek einer der beiden Unterzeichner des Sybase-Schreibens, bezieht Stellung: "Wir haben fest- gestellt, dass Power Now in unserer künftigen Unternehmens- und Produktstrategie keinen Platz mehr findet. Was wir künftig brauchen, sind Vertriebspartner, die ein hohes Potenzial im VAD-Geschäft mitbringen. Zudem wäre es nicht schlecht, wenn er Hersteller im Programm hat, die ebenfalls im Umfeld unserer Produkte angesiedelt sind, also beispielsweise Geschäfte mit Citrix- oder Software AG-Lösungen macht."

Kunze verdeutlicht, dass es sich hierbei letztlich um die Umsetzung einer neuen, weltweit aufgesetzten Vertriebsstrategie handelt, die Sybase derzeit umzusetzen versucht. "Da sind Distributoren gefragt, die auch geeignete Plattformen für unsere Lösungen im Portfolio haben. Power Now hat hier nichts anzubieten. Auch deswegen mussten wir uns umorientieren", schiebt der Sybase-Manager nach. "Man muss auch wissen, dass ich diesen Distributionsvertrag von meinem Vorgänger geerbt habe, bei PowerNow handelt es sich also quasi um eine Art Altlast. Ich persönlich habe den damaligen Vertragsabschluss nicht zu verantworten", so Kunze gegenüber ComputerPartner.

Einer schiebt es auf den anderen

Martin Huber, Geschäftsführer der Power Now Distribution GmbH, ist entsetzt, als er Kunzes Rechtfertigung zu hören bekommt. Ihm fehlen die Worte. Dann holt Huber nicht nur tief Luft, sondern auch weit aus: "Ich möchte hiermit klarstellen, dass nicht Sybase den Vertrag mit uns gekündigt hat, sondern wir mit Sybase. So rum ist die Sache gelaufen", macht der Power Now-Chef seinem ersten Ärger Luft. "Aber das ist typisch. Die Argumentation von Herrn Kunze passt genau in das Bild, das wir mittlerweile von diesem Unternehmen haben und letztendlich den Ausschlag lieferte, warum wir den Vertrag gekündigt haben", so Huber weiter.

"Die ständigen Umstrukturierungen und Reorganisationen führten zu einem ständigen Wechsel der Ansprechpartner und eben auch dazu, dass sich bei Sybase niemand für mündliche Absprachen und Vereinbarungen, die wir getroffen hatten, verantwortlich gezeigt hat. Einer schiebt es auf den anderen. Auf Dauer kann man so einfach nicht zusammenarbeiten,", macht Huber deutlich.

Ständige Probleme bei den Abrechnungen und der Marketingunterstützung seien an der Tagesordnung gewesen. Auch verstehe er nicht, warum Sybase diese in Hubers Augen erheblichen Diskrepanzen nicht in den Griff bekommen hat. "Noch im Dezember vergangenen Jahres sind wir sehr gelobt worden, weil wir mit unserem kleinen Team so gute Geschäfte mit Sybase gemacht haben, und da hätte ich schon erwartet, dass sich endlich mal jemand der Probleme im administrativen Bereich annimmt. Und mit ADN zusammen hätten wir uns doch gegenseitig ganz gut ergänzt." Doch das gemeinsame Tischtuch wurde immer weiter zerschnitten, jetzt sind die ehemaligen Partner geschiedene Leute.

Arbeitsplätze scheinen gesichert zu sein

Für Power Now bedeutet dies eigentlich das Aus, denn das Sybase-Geschäft war das einzige Standbein des VAD. Doch Firmenchef Huber hat gute Nachrichten für seine drei Mitarbeiter. Die Power-Now-Mutter Klopotek AG ist glücklicherweise Produzent eines Content-Management-Systems, das es nun zu verstärkt zu vermarkten gilt, erklärt Huber. "Im Moment laufen Gespräche, dass wir das übernehmen werden, möglicherweise bauen wir auch ein Partnergeschäft auf. Ich denke, da haben wir ganz gute Karten."

www.sybase.de

www.powernow.de

www.adnbo.com

www.magirus.de

ComputerPartner-Meinung:

Für Power Now steht die Kündigung des Distributionsvertrages unter dem Motto "Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende". Wohingegen Sybase vorgibt, dass die Berliner nicht mehr in die Vertriebsstrategie gepasst hätten. "One-Vendor-Distributor" Power Now kommt mit einem blauen Auge davon und findet Unterschlupf bei der Muttergesellschaft, und Sybase hat nun den Rücken frei, sein neues Vertriebskonzept umzusetzen. Derzeit profitiert auch ADN von der neuen Konstellation: Die Bochumer dürften einen Großteil des Sybase-Geschäfts auffangen. Doch die Tage des Solo-Vertriebs dürften gezählt sein, denn die Düsseldorfer sitzen nach Recherchen von ComputerPartner bereits mit dem Stuttgarter VAD Magirus am Verhandlungstisch. (cm)

Zur Startseite