Aus der Praxis: die Bedeutung zufriedenerMitarbeiter für das Systemhausgeschäft

22.01.2004
In Gesprächen mit Kollegen habe ich ebenfalls schon einmal die Frage gestellt, ob in einem neuen Job wirklich alles besser oder nur manches anders wäre. Der Wunsch, sich neu zu orientieren, ist anhand der vielen täglich eingehenden Bewerbungen, wie auch einiger Unmutsäußerungen bei unseren eigenen Mitarbeitern, abzulesen.

In Gesprächen mit Kollegen habe ich ebenfalls schon einmal die Frage gestellt, ob in einem neuen Job wirklich alles besser oder nur manches anders wäre. Der Wunsch, sich neu zu orientieren, ist anhand der vielen täglich eingehenden Bewerbungen, wie auch einiger Unmutsäußerungen bei unseren eigenen Mitarbeitern, abzulesen.

Mitarbeiter sind die wichtigste Säule im Systemhausgeschäft, und die durchaus bestehende Unzufriedenheit kann man nicht auf sich beruhen lassen. Diese Menschen haben einen wesentlichen Anteil am Erfolg des Geschäfts, da wir ja nicht Maschinen etwas produzieren lassen, sondern eben Leistungen dieser Mitarbeiter bei unseren Kunden in oftmals unternehmenskritische Bereiche hineinverkaufen. Sie müssen daher Sicherheit und Vertrauen ausstrahlen. Unzufriedene Mitarbeiter sind sicherlich nicht so voll bei der Sache und so erfolgreich wie ein zufriedener und hoch motivierter Kollege.

Die Zeiten haben sich geändert

Woher kommt aber genau die Unzufriedenheit? Ich habe versucht, dies in vielen Gesprächen mit den Kollegen und Bewerbern zu erkunden, und glaube, dass da mehrere Aspekte wichtig sind. Wir haben ein paar Jahre starken und ungebremsten Wachstums hinter uns, in denen Erfolg selbstverständlich war. Jetzt ist eine vergleichsweise kurze Zeit gefolgt, in der die Marktsituation sehr viel schwieriger war. Das hat in mehreren Punkten zu tief greifenden Veränderungen geführt:

Erstens haben die Firmen in den vergangenen Jahren mit dem Erfolg aus dieser Zeit manche Leistungen zugesagt und manchen Freiraum gegeben, die in den heutigen veränderten Markt einfach nicht mehr passen. Straffere Führung, engere Erfolgskontrolle und dazu der Wegfall liebgewordener Gewohnheiten (zum Beispiel bei Incentives oder üppigen Feiern) sind Veränderungen, die für manchen Kollegen völlig ungewohnt sind und nicht jedem gefallen. Sicherlich haben auch viele Firmen diese Veränderungen nicht gerade feinfühlig umgesetzt, da sie selbst mit solchen Dingen erst umzugehen lernen mussten.

Zweitens wurden in den letzten Jahren durch den Mangel an qualifizierten Bewerbern die Gehälter und Ansprüche teilweise in aberwitzige Höhen geschraubt, woran nicht die Mitarbeiter schuld sind, sondern die Firmen, die damit Wachstum um jeden Preis wollten. Hohe Gehälter sind heute nicht mehr bezahlbar, angesichts des anhaltenden Drucks auf Tagessätze werden sie es im normalen Tagesgeschäft auch immer weniger sein. Oft sind zudem hohe variable Komponenten vereinbart, die bei ausbleibendem Erfolg eben nur noch sind, was sie sind: variabel! Und verbunden mit zumeist schon länger ausbleibender Gehaltsentwicklung und den üblichen steigenden Belastungen sind enttäuschte Erwartungen ein Dämpfer für die Stimmung.

Zwei Seiten einer Medaille

Drittens hat sich sicherlich auch das subjektive Sicherheitsgefühl verändert. Ob loyaler Kollege oder Jobhopper, wir kennen alle noch die Zeiten, in denen bis zum BGH geklagt wurde, um freche Versuche von Abwerbungen der breit in allen Unternehmen operierenden Headhunter bei unseren Mitarbeitern zu stoppen. Den Vermittlern ging es dabei meistens nur um schnelle Provision, nicht um die wirkliche berufliche Entwicklung des Mitarbeiters. Bei vielen Kollegen jedoch wurde so ein trügerisches Gefühl ausgelöst, umworben zu sein und die Sicherheit zu haben, jederzeit irgendwo anders anfangen zu können. Diese scheinbare Sicherheit ist nun nicht mehr da. Einige Mitarbeiter beklagen das ganz offen, und neben dem Verständnis für viele Maßnahmen ist natürlich auch die Situation auf dem Personalmarkt der Grund für viele Kollegen, nicht zu "hoppen" und eben kein hohes Risiko einzugehen. Die Marktveränderung hat jedenfalls das Kräfteverhältnis zwischen Management und Mitarbeitern verändert, das innerbetriebliche Kräftespiel dazu hat auf beiden Seiten nicht immer die Zufriedenheit gesteigert.

Viertens - der wichtigste Punkt - ist der Erfolg zu nennen. Ein Kollege, der möglicherweise nicht gelernt oder verlernt hat, mit Misserfolgen umzugehen, hat in der augenblicklichen Situation zwangsläufig Probleme. Bei stärkerem Wettbewerb und niedrigerer Nachfrage müssen die Anstrengungen verdoppelt, neue Wege gesucht und die Wünsche des Kunden noch mehr beachtet werden. Einige bewältigen das hervorragend, mancher läuft jedoch plötzlich unerwartet in eine Falle, macht die Umgebung und Rahmenbedingungen verantwortlich und kommt selbst nicht mehr aus einer Spirale von Misserfolgen heraus. Erfolg und Zufriedenheit sind jedenfalls direkt miteinander verbunden.

Schließlich lastet auch auf den Firmen selbst ein erheblicher äußerer Druck, den zwangsläufig auch die Mitarbeiter zu spüren bekommen. Ob in anderen Branchen, die sich mit den Zyklen der Konjunktur vielleicht etwas besser auskennen, auch besser damit umgegangen wird? Man sollte es annehmen. Eine in den meisten Firmen notwendige Maßnahme, der Personalabbau, ist sowohl beim Management als auch bei den Kollegen gefürchtet.

"Neuinstallation" für neue Motivation

Kein Manager spricht gerneKündigungen aus, niemand möchte in der Sorge leben, ob es ihn beim nächsten möglichen Kündigungstermin vielleicht selbst trifft, bei allem Verständnis, das oftmals für die notwendigen Maßnahmen geäußert wird. Hier geht bei den Mitarbeitern, die bleiben, auch ein Stück (Ur)Vertrauen verloren, das nur schwer wiederzugewinnen ist. In Sorge um den Arbeitsplatz lebende Mitarbeiter können schwer zufrieden sein und werden unter diesem Druck auch nicht so einfach gewohnte Erfolge zeigen. Das wiederum mindert nicht den äußeren Druck auf die Unternehmung, die Zufriedenheitsinkt oder bleibt weiter schlecht - ein Teufelskreis, wenn das passiert.

Die genannten Punkte erklären aus meiner Erfahrung die vielfach geäußerte Unzufriedenheit der Umfrage, auch wenn es noch weitere Gründe geben mag. Bei unzufriedenen Mitarbeitern ist es nun Zeit zu handeln, statt die Unzufriedenheit zu kultivieren. In manchem Einzelfall ist die beste Lösung die meines neulich gescheiterten Betriebssystem-Updates: die Neuinstallation. Unzufrieden bleiben ist jedenfalls nicht die Lösung, das zieht auch die Kollegen mit und nutzt weder dem Mitarbeiter noch dem Unternehmen.

Mein persönlicher Rat an alle unzufriedenen Mitarbeiter ist jedoch, es erst einmal zu versuchen. Wer einmal in Gedanken kündigt, am Wochenende nach Hause geht, mit der Vergangenheit abschließt, der kann am nächsten Montag beim selben Arbeitgeber wieder neu beginnen. In der dann folgenden "Probezeit" sollten alle alten Themen vergessen sein, man wagt einen Neuanfang und bewertet die Umgebung und Chancen im neuen Jahr auch völlig neu, so wie man es anderswo auch tun würde. Dies kann man vielleicht sogar mit seinem Vorgesetzten so besprechen. Und dann muss jeder selbst entscheiden, ob es anderswo nur vielleicht anders oder sogar besser ist als in der "neuen" alten Firma.

Wir können den Markt nicht verändern, wir müssen uns mit ihm bewegen, und das muss jeder Mitarbeiter auch selbst ein Stück weit tun. Wer heute noch romantisch von den vergangenen Boom-Jahren träumt und wartet, dass die Zeiten zurückkommen, könnte dabei sehr alt werden und sich wundern, dass der nächste Boom vielleicht gar nicht in der IT oder ohne ihn stattfindet. Wenn er bis dahin noch unzufrieden bleiben möchte, verpasst er das Beste, wie eine Werbung für Autos sagt, um bei Ihrem Vergleich zu bleiben.

Ralf-Ulrich Kaste ist Vorstandsvorsitzender der Comline AG, Hamburg.

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