Aus zwei mach eins

21.02.2002
Konfigurations- und Content-Management waren bisher weitgehend getrennte Bereiche. Mit dem Einbruch von Web-Technologien in die klassische Software kommt es auch bei Steuerungs- und Kontrollfunktionen in diesen zwei Systemen zu Überschneidungen. Am Markt existieren bereits Lösungen für einheitliches Content-Management und Software-Konfiguraton. Wie sie aufgebaut sind, erklärt Hubert Zenner*.

Dass es an Software immer etwas zu ändern gibt, ist eine Binsenweisheit: hier ein anderer Button, da eine zusätzliche Schnittstelle oder gleich ein verändertes Geschäftsmodell. Mittlerweile aber sind die Änderungsanforderungen so komplex und die Änderungszyklen so kurz geworden, dass selbst für kleine, lokale Entwicklerteams die bloße Versions- und Änderungsverwaltung nicht mehr ausreicht. Seit Webelemente wie Java-Applets, CGI-Skripts oder HTML-Seiten neben dem klassischen Programmcode an Bedeutung gewinnen, werden die Anwendungen noch umfangreicher und vielschichtiger.

Moderne Systeme für Software-Configuration-Management (SCM) bieten inzwischen umfassende Versionsüberwachungs- und Analysefunktionen. Sie erstellen Berichte, anhand derer sich die Auswirkungen von Änderungen auf einfach zu bedienenden, grafischen Benutzeroberflächen nachvollziehen lassen. Dateiversionen können überwacht, verwaltet und gegebenenfalls erneut bearbeitet werden.

Da Entwicklerteams heute oft von verschiedenen Standorten aus auf unterschiedlichen Plattformen arbeiten, enthalten SCM-Werkzeuge übergreifende Funktionen zur Problemverfolgung und Änderungsüberwachung. Sie informieren die zuständigen Entwickler beim Auftreten eines Bugs automatisch mit der erforderlichen Priorität. Benachrichtigungsfunktionen teilen relevante Änderungen umgehend mit und liefern dabei die notwendigen Begleitinformationen. Der Projektleiter kann den Status bearbeiteter Elemente verfolgen, der zuständige Entwickler wird regelmäßig über den Stand der Fehlerbehebung unterrichtet.

Bei Entwicklungsprojekten, die über mehrere Standorte verteilt sind, können Teammitglieder über Webbrowser auf alle Daten zugreifen. Umfassende SCM-Systeme verfügen neben den Basisfunktionen wie Konfigurations- und Änderungsverwaltung sowie der Unterstützung von Build- und Release-Prozessen auch über Werkzeuge für die Prozess- und Projektverfolgung via Web _ derartige Systeme lassen sich auch ins Intranet einbinden.

Vom reinen Inhalt zum E-Commerce

In komplexen IT-Landschaften in den Unternehmen, wo Mainframe- und Unix-Systeme neben PC-Inseln und Webanwendungen agieren, hat sich in den vergangenen Jahren neben dem klassischen Configuration-Management noch eine weitere Kontrolllösung über die Software etabliert. Das Web-Content-Management (WCM) hatte ursprünglich mit SCM kaum Berührungspunkte und war von den Aufgaben wie auch von der organisatorischen Anbindung her in einer eigenen (Web-)Welt isoliert.

Die entsprechenden WCM-Lösungen waren anfangs einfache, erweiterte Redaktionssysteme, die neben der Pflege von Texten und multimedialen Inhalten auch deren Weiterreichung in Gruppen organisierten. So ließen sich mit den ersten Programmen dieser Art vor allem die Lebens- und Freigabezyklen von Webdokumenten verwalten. Es gab auch erste Personalisierungsfunktionen, die Informationen über die Produktvorlieben der Webbesucher auswerten oder im Intranet Zugangsrechte zu bestimmten Seiten vergeben konnten.

Mit den WCM-Systemen der nächsten Entwicklungsstufe ließen sich bereits komplexere Websysteme für Intra- und Extranets aufbauen. Sie bildeten die Corporate Identity eines Unternehmens durchgängig ab und verwalteten die Daten zentral. Auch E-Mail war darin integriert, sodass Informationen - beispielsweise über fertiggestellte Dokumente - direkt und nicht über Medienbrüche wie Fax übermittelt werden konnten. Funktionen zur Steuerung des Arbeitsablaufs regelten den Informationsfluss und ermöglichten die einfache Freigabe per Mausklick, wenn ein Objekt einen bestimmten Status erreicht hatte.

Moderne WCM-Lösungen sind heute ohne Einschränkung im E-Business einsatzfähig und mit Schnittstellen zu den geschäftskritischen Anwendungen ausgestattet. Über unternehmensübergreifende Datenbanken gleicht das Content-Management-System Bilder, Beschreibungen, Verfügbarkeit und Preise von Produkten in regelmäßigen Abständen ab, sodass die Objekteigenschaften immer dem aktuellen Stand entsprechen. Nur so lässt sich der eigentliche Vorteil des Web, es überall und immer nutzen zu können, optimal ausschöpfen.

Von SCM und WCM zu ECM

In vielen Unternehmen wird die Webzuständigkeit wieder zurück in die IT-Abteilungen verlagert. Denn die Entwicklung des E-Business und die damit verbundene Integration von Webtechnologien in die traditionellen Anwendungen hat Konfigurations- und Content-Management näher zusammenrücken lassen. Letzteres greift immer häufiger auf Unternehmensanwendungen wie Datenbanken oder Kommunikationssysteme zu. In vielen Fällen lassen sich die Änderungen nicht mehr eindeutig den Bereichen Content-Management oder klassische Code-orientierte Software zuordnen.

Szenarien wie das Folgende sind heute keine Seltenheit mehr: Bei der Anmeldung einer Online-Reise tritt ein Buchungsfehler auf. Der Preis, der für zwei Personen berechnet wurde, stimmt nicht mit dem Hotelangebot auf der Website überein. Um die Fehlerursache zu finden, treten "Change Requests" in Aktion, also Anforderungen, die Veränderung an der Software vorschlagen sollen. Im speziellen Fall - Beseitigung des Buchungsfehlers - teilt sich der Change Request in zwei Anforderungen auf. Die Erste richtet sich an die Website und prüft dort, ob das Hotel oder der Preis als falsch eingegeben wurde, die zweite Anforderung geht direkt an das Code-Management. Mit Letzterer untersuchen Systemadministratoren, ob ein Fehler im Berechnungsmodul der Applikation vorliegt.

Zur Behebung des Problems muss der Entwickler eventuell den Code im Preisberechnungsmodul überarbeiten. Die erfolgten Änderungen protokolliert das Change-Management-Modul. Danach werden die falsch angegebenen Preise auf der Website neu berechnet und in das Content-Management-System neu eingepflegt. Lag hingegen der Fehler lediglich im falschen (manuell eingegebenen) Preis, so erhält der Content-Administrator die Anforderung, die Angaben zu korrigieren.

Eine solche Vorgehensweise ist nicht nur im Rahmen der Fehlerbehebung sinnvoll, vielmehr ist das Ganze auch auf sämtliche Änderungen im Software-Konfigurations- und Content-Management anwendbar. Ob Verbesserungen von Software oder der Website, Modifikationen im Quellcode oder in Web-Dokumenten - immer sind beide Bereiche involviert, und Probleme müssen in einem übergreifenden Prozess gelöst werden.

Insofern ergänzen sich beide Systeme, sie wachsen zum Enterprise-Change-Management (ECM) zusammen. Daher ist es naheliegend, für beides Lösungen desselben Anbieters zu verwenden. Von Vorteil ist es ferner, wenn dabei Standards wie XML oder Web-DAV sowie offen gelegte API-Schnittstellen zum Zuge kommen. Dann lässt sich Content-Management flexibel einsetzen und an vorhandene Systeme anbinden. Nicht zuletzt ist es für die Mitarbeiter einfacher, sich in Software mit einheitlicher Benutzeroberfläche einzuarbeiten.

*Hubert Zenner ist Business-Development-Manager bei der Merant GmbH in Ismaning.

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