Aushängeschild Multimedia: Software made in Taiwan

20.07.2000
Als OEM-Paradies ist Taiwan in den letzten zehn Jahren zu einer der wichtigsten IT-Produktionsstätten der Welt aufgestiegen. Doch in Sachen Software und Services haben sich die Insulaner bisher nicht sonderlich hervorgetan. Eine auf Fachkräfte aus China gemünzte Greencard à la Taiwan soll Abhilfe schaffen.

Von den 47 Milliarden Dollar, die Taiwans IT-Indus-trie hervorgebracht hat, entfielen 1999 nur 6,3 Prozent oder 2,97 Milliarden Dollar auf den Bereich Software und Services. Der ist dem halboffiziellen Market Intelligence Center (MIC) zufolge im Aufwind von E-Commerce und WAP zwar um 30 Prozent gewachsen, international ist Taiwans Software-Industrie mit einem Weltmarktanteil von 0,63 Prozent jedoch kaum von Bedeutung. Mit einem anvisierten Umsatz von 5,6 Milliarden Dollar soll dieser Anteil bis 2002 aber auf über ein Prozent steigen. Begünstigt wird der von MIC-Expertin Pearl Sun vorgezeichnete Aufwärtstrend durch die ersten Börsengänge einheimischer Hersteller, durch die wachsende Nachfrage nach chinesischer Software in Taiwan selbst und in China sowie durch das Wiedererstarken der Wirtschaft in Japan als wichtiges Abnehmerland. Weitere Impulse sieht Sun in dem Zusammenwachsen von Hard- und Software in so genannten Information Appliances (IAs) wie Handhelds und Smart Phones. Gerade die sind für den chinesischen und japanischen Markt besonders interessant, weil sie meist auch über optische Zeichenerkennung (OCR) und teilweise sogar über die Möglichkeit der Spracheingabe verfügen.

Eine andere wichtige Signalwirkung für die Aufbruchstimmung in Taiwan geht für Uleads International-Marketing-Manager Dwight Jurling von der Regierung aus: Die hat nämlich verfügt, dass in allen öffentlichen Amtstuben nur noch legale Software eingesetzt wird und die Schulen mit Computern ausgestattet werden sollen.

Gute Namen, aber kaum nennenswerte Exporte

Trotz eines Wachstums von 13 Prozent hat Taiwan 1999 nur Software in einem Gesamtwert von etwas über 240 Millionen Dollar exportiert, wovon knapp 45 Prozent allein in Japan abgesetzt wurden. Zweitwichtigster Markt ist Nordamerika mit einem Anteil von 33,4 Prozent, während Europa mit 3,1 Prozent kaum ins Gewicht fällt. Die wenigen Unternehmen, die von Treiber-Software abgesehen unter eigenem Markennamen den Weg in die Alte Welt geschafft haben und über Asien hinaus eine Rolle spielen, sind an einer Hand abzuzählen. Dazu gehören an vorderster Front die Multimedia-Schmiede Ulead und der Antiviren-Spezialist Trend Micro. Der hat sein Hauptquartier allerdings in Tokio, sprich in Japan, aufgeschlagen und kann als einziges taiwanisches Software-Unternehmen einen Umsatz von mehr als einer Milliarde NT Dollar (31 Millionen Dollar) aufweisen.

Es gibt sicherlich etliche Gründe, warum Trend-Micro-CEO Steve Chang sich nach seiner Rückkehr aus Kalifornien in den späten 80er Jahren für Japan entschlossen hat. Einmal gab es damals in Taiwan keinen verlässlichen Urheberschutz, was schon manchen aufstrebenden Software-Firmen das Genick gebrochen hatte. Darüber hinaus war es zu der Zeit äußerst schwer, auf der Insel selbst geeignete Software-Ingenieure zu finden. Schließlich hing Taiwan noch lange das Billigramsch-Image nach, weshalb viele Unternehmen es anfangs vorgezogen hatten, sich möglichst international zu geben und ihre eigentliche Herkunft zu vertuschen. Prominenteste Beispiele sind Acer, Braunware-Hersteller Procom und Tennisausstatter Kennex.

Alles so schön bunt hier: Ulead und Cyberlink

Wie Chang sind Ende der 80er und in den frühen 90er Jahren viele Software-Talente nach Taiwan zurückgekehrt. Denn solche wurden nicht nur bei den etablierten Herstellern von Chinesisch-Software gebraucht, sondern auch in der rasch wachsenden Scannerindust-rie. Geburtshelfer und Mutter der ersten Stunde für Ulead Systems als das wohl bekannteste taiwanische Software-Unternehmen war zum Beispiel Microtek. Dort hat man nämlich früh erkannt, dass Scanner ohne Bildbearbeitungs-Software bei den OEM-Partnern nicht mehr ankommen. Als erstes börsennotiertes Software-Unternehmen Taiwans hat Ulead 1999 einen Umsatz von über 21 Millionen Dollar bei einem Vorsteuerergebnis von knapp 3,18 Millionen Dollar erzielt.

Eines der ersten erfolgreichen Produkte des frisch gebackenen Software-Aufsteigers war "Photostyler", später von Aldus aufgekauft und nach dessen Übernahme durch Adobe als Konkurrenz im eigenen Hause wieder eingestampft. Dennoch ist es Ulead immer wieder gelungen, Produkte auf den Markt zu bringen, die oft in einem Atemzug mit denen von Adobe genannt werden. Nicht umsonst wurde Ulead von Marktforscher Dataquest 1999 als der drittwichtigste Anbieter von Grafiksoftware weltweit bezeichnet. Aber auch im Bereich Videoschnitt hat sich Ulead mit "Media Studio" in der heutigen Version 6.0 seit 1994 im halbprofessionellen Bereich einen Namen gemacht. Noch vielen Grafikamateuren in Erinnerung sein dürfte "Image Pals 2". Dessen Nachfolger wurde 1996 "Photo Impact 3.0", im September desselben Jahres mit "Web-Erweiterung", womit Ulead den ersten Schritt unternahm, sich später nicht nur als Anbieter von Grafik- und Video-Software zu verstehen, sondern als "Internet-Company" aufzustellen. Neben der Entwicklung von Web-Grafik-Tools wie "Smartsaver" und "Gif Animator" hat das Unternehmen 1998 auch den Internet-Vertrieb entdeckt. Neu ist zum Beispiel der von CEO Lotus Chen gegründete ASP-Servcie Imira.com, der Ulead-Nutzern kostenlos die Möglichkeit bietet, ihre Bilder für Freunde oder Verwandte ins Web zu stellen. Ulead-President Danielle Liao ist begeistert: "Das Internet hat die traditionellen Marketing-Modelle komplett abgelöst. Wenn Unternehmen nicht ‘in‘ dem Markt sind, dann sind sie ‘out‘." In den Markt für Web-Editoren will Ulead aber nicht einsteigen, denn der ist Jurling zufolge "schon besetzt".

Während andere Scannerriesen wie Umax zu spät dran waren, macht neuerdings noch ein anderes Multimedia-Unternehmen von sich reden. Denn mit dem Aufkommen von DVD hatte 1995 die Stunde von Cyberlink geschlagen. Die Idee, Software-DVD-Player auf den Markt zu bringen, war sicher nicht neu, aber wer die Anschaffung für einen Hardware-Decoder scheut, kommt kaum um Cyberlinks "Power DVD" herum. In der heutigen Version 2.55 unterstützt die Software-Lösung nicht nur Mpeg1, sondern auch Mpeg2 sowie mehrere Sprachen, darunter auch Deutsch. Um Power-DVD nutzen zu können, sollte man aber schon einen Pentium-Rechner mit 266 MHz haben. Noch höhere Anforderungen stellt der Software-Videorekorder "Power VCR II", der bei Mpeg2 mindestens einen Rechner mit 600 MHz und 64 MB verlangt. Ein Feature, das Fußballfreunde freuen dürfte, ist die Möglichkeit, sich während der laufenden Aufnahme eine frühere Stelle anzusehen. Gegründet wurde Cyberlink übrigens von Jau Huang, Informatikprofessor an der renommierten Taiwan University. CEO und Hauptinvestorin ist Huangs Frau Alice Chang, ehemals Vice President von Trend Micro. Schmunzelnd bemerkt Huang: "Wenn auch nicht immer so eng, aber Beziehungen gehen uns Chinesen eben über alles." (kh)

www.asiaitreport.com

www.dataquest.com

www.trend.com

www.ulead.de

www.cyberlink.com.tw

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