Ausstieg aus der Distribution naht: RFI entlässt 80 von 123 Mitarbeitern

08.08.2002
Nach einem monatelangen Kampf ums Überleben hat die Lintec-Tochter RFI Mobile Technologies AG seit Anfang vergangener Woche wieder eine Perspektive. Für 80 der 123 Mitarbeiter des Mobile-Distributors ist die Schlacht jedoch vorerst verloren.

Während die RFI-Mutter Lintec AG derzeit noch in einen Kampf an allen Fronten verwickelt ist, hat der Mönchengladbacher Disti nach zähem Ringen eine Lösung gefunden. "Wir haben wieder ein stabiles finanzielles Umfeld", berichtet Walter Daguhn, Vorstand bei RFI, noch etwas aufgewühlt gegenüber ComputerPartner.

Nach Kürzungen einiger Kreditlimits und stagnierenden Umsatzzahlen seit Ende vergangenen Jahres war RFI monatelang damit beschäftigt - mit oder ohne Lintec - einen Weg aus der Misere zu finden (siehe ComputerPartner 25/02, Seite 10). Wie von Branchen-Insidern berichtet, scheint der Mobile-Disti allerdings auf die Hilfe des Mutterkonzerns so gut wie vergeblich gewartet zu haben. Es wird von einem mehr als angespannten Verhältnis zwischen beiden Unternehmen - und ihren Vorständen Daguhn und Lindemeyer - berichtet.

Nicht nur, dass Lintec derzeit sehr viele Erklärungen zur eigenen Finanzlage abgeben muss. In verschiedenen Veröffentlichungen ist von der Euphorie, mit der Lintec noch vor einem Jahr über seine Tochter RFI berichtet hatte, nichts mehr zu sehen.

Um das finanzielle Ruder des Mönchengladbacher Distributors herumzureißen, habe die Hausbank entsprechend weitreichende Zu-sagen gemacht. Dadurch habe der Disti wieder etwas Luft zum Durchatmen, so der RFI-Chef.

Mit Nischendistribution kein Geld mehr verdienen

Dennoch kommt es bei dem Unternehmen zu radikalen Einschnitten: Das bisherige Hauptgeschäft, die Distribution, wird RFI nach und nach einstellen. "Mit der Distribution im Notebook-Segment, in dem wir uns überwiegend bewegt haben, war für uns kein Geld mehr zu verdienen", sagt Daguhn. Die Folge: 80 der 123 Mitarbeiter müssen gehen.

Der Distributor ist derzeit nach eigenen Aussagen dabei, für die von der Kündigung betroffenen Arbeitnehmer ein Programm zu erstellen, um ihnen beispielsweise mit Bewerbungstrainings unter die Arme zu greifen. Nebenbei sollen auch die Kontakte zur Distributionslandschaft genutzt werden, um einigen Angestellten eventuell den Wechsel zu einem Mitbewerber zu ermöglichen.

Für 20 Service-Mitarbeiter, die von der Kündigung betroffen sind, will RFI die Weichen zur Gründung eines Service-Unternehmens stellen. Dieses könne die bisherigen Verträge mit den Herstellern übernehmen. "Wir werden versuchen, unserem bisherigen Service-Team die notwendige Unterstützung zukommen zu lassen", sagt Daguhn.

Zweites Standbein wird zum Hauptgeschäft

In der Zukunft sieht sich RFI vorwiegend als Hersteller und Anbieter der eigenen Bluetooth-Marke "Anycom". Neben der Distribution von Speichererweiterungen und Samsonite-Zubehör ist nach Unternehmensaussagen die Eigenmarke als Hauptumsatzträger geplant.

Die Bluetooth-Entwicklungen wurden bei RFI noch bis vergangenes Jahr mit Unterstützung des Distributionsgeschäftes finanziert. Heute hat sich die Marke "Anycom" laut Aussagen von RFI bereits im Markt etabliert. "Wir sehen in diesem Segment immer weiterwachsende Umsätze, und unsere Aktivitäten in diesem Bereich tragen sich mittlerweile selbst", so Daguhn. "Es scheint ganz so, dass wir den Absprung zum richtigen Zeitpunkt geschafft haben."

www.rfi.de

ComputerPartner-Meinung:

Noch im vergangenen Jahr lobte Lintec-Chef Lindemeyer RFI als eine der wichtigen Säulen der sächsischen Unternehmensgruppe. Damit war es aber schnell vorbei, als es an das eigene finanzielle Polster von Lintec ging. Daguhn und seine Mannschaft wurden über Wochen regelrecht hängen gelassen, kritisieren Partner und Lieferanten. Jetzt ist die Hängepartie vorbei - auch für Kunden und Lieferanten. (bw)

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