Autodesk liegt mit einem ehemaligen Vertriebspartner im Clinch

04.12.1996
MÜNCHEN: Der ehemalige Autodesk-Distributor System-Partner in Kiel erhebt massive Vorwürfe gegen den Münchener CAD-Softwareanbieter Autodesk. Auch der Berliner Distributor Gräbert fühlt sich von Autodesk schlecht behandelt.Daß es zwischen Geschäftspartnern immer mal wieder Meinungsverschiedenheiten und Spannungen gibt, ist bekannt. Normalerweise halten beide Parteien den Deckel auf diese Konflikte und tragen den Zwist hinter verschlossenen Türen unter sich aus.

MÜNCHEN: Der ehemalige Autodesk-Distributor System-Partner in Kiel erhebt massive Vorwürfe gegen den Münchener CAD-Softwareanbieter Autodesk. Auch der Berliner Distributor Gräbert fühlt sich von Autodesk schlecht behandelt.Daß es zwischen Geschäftspartnern immer mal wieder Meinungsverschiedenheiten und Spannungen gibt, ist bekannt. Normalerweise halten beide Parteien den Deckel auf diese Konflikte und tragen den Zwist hinter verschlossenen Türen unter sich aus.

Nicht alltäglich ist aber, daß ein Distributor sich an die Öffentlichkeit wendet und diese an dem Streit mit seinem Hersteller teilhaben läßt. So geschehen im Fall des ehemaligen Autodesk-Distributors System-Partner GmbH CAD/CAM Center in Kiel. Mitte März schickte Geschäftsführer Manfred Hauser eine Pressemitteilung an die deutschen Redaktionen, in der er schwere Geschütze gegen Autodesk auffährt.

Seine Vorwürfe: Abwerbung von System-Partner-Kunden durch Auto-desk und "wettbewerbsverzerrende Schlechterstellung bei den Einkaufskonditionen". Autodesk hat damit sowie mit der fristlosen Kündigung des Distributionsvertrages, so die Behauptung Hausers, System-Partner "in den wirtschaftlichen Ruin geführt, der mit der Eröffnung des Konkursverfahrens und dem Verlust von über 30 Arbeitsplätzen sein vorläufiges Ende gefunden hat" (vergleiche nebenstehende Abbildung der PR-Mitteilung). In einem Gerichtsverfahren vor dem Landgericht München hat Hauser nach eigenen Angaben "in allen entscheidungsreifen Punkten" recht erhalten.

Bei genauerer Sicht stellt sich die Sachlage allerdings etwas differenzierter dar. Das Gericht in München hat lediglich in bezug auf die Einkaufskonditionen ein erstes Teil-Urteil gesprochen, in dem die Einstufung von System-Partner in eine von Autodesk festgelegte Bezugsrabattstaffel "nicht verbindlich" ist (Urteilsabschrift). Das Urteil erstreckt sich nicht auf den Vorwurf der Kundenabwerbung durch Autodesk. Hierzu hat das Gericht keine Entscheidung getroffen, schreibt aber in der Urteilsbegründung, daß Autodesk zumindest einen Kunden von System-Partner "nicht unmittelbar hätte beliefern dürfen".

Hauser ist zuversichtlich, die Klage in allen Anschuldigungspunkten für sich zu entscheiden. Dazu der Kieler Geschäftsführer: "Nachdem uns Autodesk bewiesenermaßen zu Unrecht falsche Einkaufskonditionen geboten hat, werden wir genügend Beweise aufbringen, die zeigen, daß Autodesk von uns akquirierte Händler direkt angesprochen hat und unser Haus im indirekten Vertrieb umgehen wollte." Welche Händler dies genau sind, wollte Hauser nicht sagen. Daß er allerdings eine Klage von Autodesk auf noch nicht gezahlte Forderungen in Höhe von rund 2,7 Millionen Mark am Hals hat, gibt der Kieler CAD-Händler offen zu. "Die Geschäftspraktiken von Autodesk ließen uns gar keine andere Chance, als nicht zu zahlen. Außerdem haben wir auf Gegenforderung in Höhe von vier Millionen Mark geklagt, da wir aufgrund von Fehlerhaftigkeiten bei Auto CAD Release 13 erhebliche Kosten hatten." Inzwischen hat Hauser mit der System-Partner GmbH, Hitech-Distributor, eine neue Firma gegründet.

Auch der Berliner Distributor Gräbert klagt vor den Schranken des Gerichts über die aus seiner Sicht schlechte Behandlung durch Autodesk. Dazu Geschäftsführer Wilfried Gräber: "Autodesk wollte in einem ersten Schritt, daß wir nur Händler beliefern, die von Autodesk selbst autorisiert wurden. Als wir dem etwas widerwillig zustimmten, wurde uns angekündigt, daß wir in Zukunft nur noch das Endkundengeschäft zu betreuen haben. Als Begründung gab uns Autodesk an, wir würden schon heute den Großteil des Umsatzes mit Endkunden machen." Daß dies nicht so ist, darauf schwört Gräbert Stein und Bein: "80 Prozent unseres bisherigen Umsatzes lag im indirekten Vertrieb mit dem Handel. Das Endkundengeschäft belief sich auf knapp 20 Prozent."

Nachdem Autodesk seinem Berliner Partner das Händlergeschäft für das nächste Jahr direkt entziehen wollte, klagte Gräbert auf Handelsvertreterausgleichszahlung in Höhe von 10 Millionen Mark. "Dies ist die Summe, die das von mir aufgebaute Handelsnetz wert ist", versichert der Geschäftsführer. Momentan läuft diese Klage noch am Kammergericht Berlin. Ähnlich wie bei System-Partner hatte allerdings auch Gräbert eine Forderung von Autodesk in Höhe von zirka 2,6 Millionen Mark nicht voll bezahlen wollen, da der Berliner CAD-Distributor glaubte, unter anderem Abrechnungsfehler seines ehemaligen Lieferanten in bezug auf Multilizenzforderungen sowie Werbekostenabrechnungen gefunden zu haben. Das Gericht folgte der Argumentation von Gräbert in diesem konkreten Fall nur sehr begrenzt und legte eine Zahlungsverpflichtung Gräbers im Bereich von zwei Millionen Mark in erster Instanz fest.

Daß es scheinbar unter bestimmten Umständen auch einen goldenen Mittelweg geben kann, beweist das Beispiel des Ingenieurbüros Peterschinegg in Wien.

Auch hier standen die Vorzeichen am Anfang zunächst auf Sturm. Autodesk schickte den Österreichern ein Kündigungsschreiben ins Haus, angeblich mit der Begründung, daß deren Büroräume zu beanstanden wären. Nach anfänglichen Irritationen einigten sich aber beide Parteien auf eine für alle akzeptable Lösung, wie Geschäftsführer Gerd Peterschinegg versichert: "Autodesk zahlte uns eine bestimmte Summe für die Leistungen des Aufbaus eines CAD-Marktes in Österreich. In Zukunft konzentrieren wir uns dafür mit den Autodesk-Produkten ausschließlich auf den Endkunden." Dies hat für die Wiener nach Aussagen von Peterschinegg nur unerhebliche Konsequenzen für die Unternehmensentwicklung und deren Umsatz.

Zu all diesen Vorwürfen und laufenden Prozessen hält sich Autodesk sehr bedeckt. "Wir äußern uns nicht zu laufenden gerichtlichen Verfahren", so die offizielle Stellungnahme des Autodesk-Geschäftsführers Dieter Höfler. Allerdings sieht er den Anschuldigungen und Klagen nach eigenem Bekunden "äußerst entspannt entgegen".

Sicher ist, daß auch in diesen Fällen gilt, daß jede Medaille zwei Seiten hat.

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