Entwickler-Summit in Berlin

AWS baut Cloud-Infrastruktur in Deutschland weiter aus

Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Amazon Web Services (AWS) setzt auf wachsende Cloud-Geschäfte in Deutschland. Dafür erweitert der Primus im Infrastructure-as-a-Service-Markt (IaaS) seine Kapazitäten hierzulande und bringt mehr Services in seiner deutschen Cloud an den Start.

Der deutsche Markt scheint für den Cloud-Giganten Amazon Web Services (AWS) durchaus vielversprechende Perspektiven zu bieten. Während im angloamerikanischen Bereich sowie in sich schnell entwickelnden Märkten wie China und Indien das Thema Cloud Computing längst selbstverständlich ist, taten sich deutsche Unternehmen zuletzt immer noch schwer, ihre IT der Public Cloud anzuvertrauen. Das scheint sich jetzt aber zu ändern.

AWS Summit 2017 in Berlin
AWS Summit 2017 in Berlin
Foto: Amazon Web Services

"Cloud Computing ist als Kernkomponente in den deutschen Unternehmen gesetzt", sagt beispielsweise Björn Böttcher, Senior Analyst & Data Practice Lead bei Crisp Research. Die Mehrheit der Unternehmen beschäftige sich mittlerweile intensiv mit Cloud Computing. Nur noch in knapp 15 Prozent der Unternehmen stehe Cloud Computing nicht auf dem Programm. Angesichts dieser Entwicklungen hoffen die Cloud-Provider auf gute Geschäfte und bauen ihre Kapazitäten hierzulande aus.

Dritte Availability Zone in Frankfurt

Im Herbst 2014 hatte AWS eigene Cloud-Rechenzentren in Deutschland eröffnet. Diese Kapazitäten will der Konzern nun weiter ausbauen. Chef-Architekt Glenn Gore kündigte eine zusätzliche Availability Zone (AZ) in Frankfurt am Main an. Availability Zones bestehen laut AWS-Lesart aus einem oder mehreren Rechenzentren, jedes mit redundanter Energieversorgung, Netzwerk und Konnektivität, untergebracht in getrennten Räumlichkeiten. Damit stünden deutschen Kunden hierzulande nun insgesamt drei AZs für ihren Cloud-Betrieb zur Verfügung.

Glenn Gore, Chief Architect von AWS, kündigte auf dem Summit in Berlin eine dritte Availability Zone (AZ) für Deutschland an.
Glenn Gore, Chief Architect von AWS, kündigte auf dem Summit in Berlin eine dritte Availability Zone (AZ) für Deutschland an.
Foto: Amazon Web Services

Gore sprach auf dem AWS Summit in Berlin von umfangreichen Investitionen in die eigene Cloud-Infrastruktur. Einige AZs setzten sich aus bis zu acht Rechenzentren zusammen, mehrere Data Center in diesem Cloud-Verbund würden 300.000 Server und mehr betreiben. Wie sich dezidiert die Rechenzentrumsstruktur der AZs in Deutschland zusammensetzt, wollte der Konzern indes nicht verraten. Insgesamt wächst damit die AWS-Cloud auf weltweit 43 AZs, die über 16 geografische Regionen verteilt sind. Diese Botschaft kam bei den Kunden und Entwicklern in Berlin gut an. Die Ankündigung, die Cloud-Infrastruktur hierzulande mit einer dritten AZ zu erweitern, begrüßten die über 3600 Besucher mit Applaus.

Service-Vielfalt wächst - und auch die Unübersichtlichkeit

AWS-Architekt Gore zog in seiner Keynote Bilanz und gab einen Ausblick über die anstehenden Entwicklungen rund um die AWS-Cloud. Neben den grundlegenden Infrastrukturdiensten wie Compute und Storage hat der Cloud-Provider in der jüngeren Vergangenheit vor allem sein Service-Portfolio kontinuierlich ausgebaut. "AWS hat die breiteste Cloud-Plattform der Welt", sagte der Manager und verwies auf die mittlerweile 19 verschiedenen Service-Segmente, die sich wiederum in zahllose Einzeldienste aufteilen.

Allein im Bereich Compute könnten Anwender heute unter 13 verschiedenen Leistungsklassen wählen - von einfachen "Simple Virtual Private Servers (Simple VPS) über Field Programmables Gate Arrays (FPGAs), mit denen Entwickler spezielle Hardwarebeschleuniger für ihre Anwendungen buchen können, bis hin zu zusätzlichen GPU-Kapazitäten (Graphic Processing Unit), mit deren Hilfe sich vor allem KI- und ML-Funktionen schnell und effizient abarbeiten lassen.

Diese Vielfalt hat Vor- und Nachteile. Anwender können sich ihre Infrastruktur in der AWS-Cloud granular und individuell zusammenstellen. Allerdings wird das Angebot mit der wachsenden Zahl an Services auch immer unübersichtlicher, wie viele Experten mittlerweile monieren.

Aurora-Datenbank macht Oracle und Microsoft Konkurrenz

Das hält den Cloud-Provider indes nicht davon ab, sein Service-Portfolio auszubauen. Mit dem Ausbau der Region EU-Central würden hier auch mehr Services verfügbar, kündigte AWS an - beispielsweise "Lightsail". Damit könnten Anwender virtuelle Maschinen vorkonfiguriert mit SSD-Speicher und der notwendigen Konnektivität innerhalb weniger Minuten in der AWS-Cloud aufsetzen, versprach der Anbieter.

Gore kündigte in Berlin außerdem eine weitere Ausprägung der eigenen Cloud-Datenbank-Engine "Aurora" an. Neben der bereits existierenden, auf MySQL-Kompatibilität getrimmten Variante soll im Laufe des Jahres eine näher an PostgreSQL angelehnte Version von Aurora herauskommen. Damit offeriere AWS auch Oracle-Anwendern eine Cloud-Alternative, da PostgreSQL durchaus Ähnlichkeiten mit Oracle-Datenbanken aufweise, sagte AWS-Manager Gore.

Seiner Beobachtung zufolge suchten derzeit viele Unternehmen nach Auswegen aus der klassischen Datenbankwelt, die Gore zufolge teuer ist und Unternehmen durch einen Vendor-Lock-in und wenig anwenderfreundliche Lizenzkonditionen einenge. Aurora sei der am schnellsten wachsende AWS-Service aller Zeiten, berichtete der Manager. Im Zuge des "Database Migration Service" (DMS) seien bereits mehr als 23.000 Datenbank-Installationen in die AWS-Cloud umgezogen worden.

Stärkerer Fokus auf Künstliche Intelligenz und Machine Learning

Ein weiterer Entwicklungsschwerpunkt sind für AWS die Bereiche Analytics, Künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning (ML). Beispielsweise könnten Anwender mit dem Service "Redshift Spectrum" Abfragen direkt über große Datenvolumina laufen lassen, die im Amazon-Speicher S3 abgelegt sind. In Sachen KI und ML geht es für AWS in erster Linie darum, den Kunden smartere Applikationen zur Verfügung zu stellen, berichtete Ralf Herbich, Director Machine Learning bei AWS. Der Manager spricht dabei von ML as a Service. Damit könnten beispielsweise Dienste wie Bild- oder Spracherkennung beziehungsweise -analyse direkt in andere Applikationen integriert werden.

Ein anderes wichtiges Betätigungsfeld für AWS ist das Thema Sicherheit. Gerade in Deutschland sind viele Unternehmen auch hinsichtlich der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die im Mai 2018 in Kraft tritt, sensibilisiert, was die Sicherheit ihrer IT-Systeme und den Schutz der dort verarbeiteten Daten anbelangt. AWS-Architekt Gore versichert daher auch: "Security ist unsere Nummer-1-Priorität." Der Manager spricht in diesem Zusammenhang von Security by Design. Das heißt laut AWS: Sicherheitsaspekte würden direkt und von vornherein in der Entwicklung von Cloud-Services berücksichtigt. Gore verspricht, dass die AWS-Cloud die Regeln der DSGVO vollumfänglich erfüllen werde.

AWS-Marktplatz bietet Entwicklern neue Möglichkeiten

Die Aufgabe, die eigene Cloud-Infrastruktur so sicher wie möglich zu machen, dürfte in Zukunft nicht einfacher werden, zumal der Kosmos aus Anwendungen und Services immer weiter wächst - gerade auch durch Erweiterungen von Kunden und Partnern. Gore zufolge hat die Softwareliste im AWS-Marktplatz bereits mehr als 3800 Einträge. 1200 unabhängige Softwarehäuser würden bereits Applikationen für die AWS-Cloud programmieren, die wiederum von über 135.000 Kunden genutzt würden.

Die Zahl der Services könnte in Zukunft regelrecht explodieren. Gore zufolge werden die klassischen Softwaremonolithen immer stärker aufgebrochen und in Microservices zerlegt. Durch das Aufkommen von Container-Techniken werde dieser Trend weiter angeheizt. AWS unterstützt diese Entwicklungen mit eigenen Services. So erhalten Entwickler über die "EC2 Container Services" (ECS) eine komplette Container-Plattform, auf der sie Microservices bauen und betreiben könnten. Für die Orchestrierung solch verteilter Micro-Services-Welten bietet der Cloud-Provider das Werkzeug "AWS Step Functions". Visualisierte Workflows sollen den Kunden dabei helfen, Anwendungen aus solchen Microservices zusammenzusetzen.

Es geht nur um den Code

Den Prozess, Code zu entwickeln und schnell in Betrieb zu nehmen, will AWS eigenen Angaben zufolge so einfach wie möglich gestalten. So könnten Entwickler unter dem Motto "Serverless Applications" via "AWS Lambda" beliebigen Code (Java, Node.js, Python etc.) in die Cloud hochladen. Sämtliche Infrastrukturaspekte, die für den Ablauf dieses Codes notwendig sind, würden automatisch im Hintergrund konfiguriert, ohne dass sich der Entwickler darum kümmern müsse, verspricht der Cloud-Anbieter. Abgerechnet werde dabei sekundengenau nach Laufzeit. Gebühren werden AWS zufolge nur dann fällig, wenn der Code läuft.

Mehr als 3600 Besucher konnte AWS auf seinem diesjährigen Summit in berlin begrüßen.
Mehr als 3600 Besucher konnte AWS auf seinem diesjährigen Summit in berlin begrüßen.
Foto: Amazon Web Services

Gore sieht AWS mit seiner Strategie auf dem richtigen Weg und verweist auf stattliche Wachstumsraten, jenseits der 40 Prozent. Damit führe AWS in Sachen Wachstumstempo die Phalanx der Cloud-Verfechter an - der AWS-Manager nennt hier Unternehmen wie ServiceNow, Workday und Salesforce. Schon etwas abgeschlagen folgten Gore zufolge IT-Traditionsunternehmen wie SAP, Microsoft und Oracle, die derzeit massive Anstrengungen unternehmen, ihr Geschäft in Richtung Cloud umzubauen.

AWS-Summit findet wachsenden Zuspruch der Entwickler

Neben dem Cloud-Ausbau stellte der Anbieter auf seinem Entwickler-Summit am 18. Mai drei Themen in den Fokus: Digitalisierung, Cloud-Adaption und Next Generation Applikationen. Damit begrüßte der seit März dieses Jahres amtierende neue General Manager von AWS in Deutschland, Klaus Bürg, die AWS-Community in "Der Station", einem alten Bahnhofsgebäude nahe des Landwehrkanals. In diesem Jahr zog die Konferenz des weltgrößten Cloud-Infrastruktur-Anbieters deutlich mehr Interessenten an als noch im vergangenen Jahr. Im April 2016 fanden rund 1000 Menschen weniger den Weg zur AWS-Konferenz in der Bundeshauptstadt. Bei über 70 Ausstellern und in 60 Sessions konnten sich die Besucher in diesem Jahr über die aktuellen Entwicklungen rund um die Amazon-Cloud informieren.

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