Bechtle GmbH

09.10.1998

MÜNCHEN: Viele Erfahrungen mit Partnerprogrammen hat die Systemhausgruppe Bechtle gemacht. Rainer Pecher* berichtet, wie die Zusammenarbeit mit den Lieferanten in der Realität aussieht und was er sich von seinen Partnern wünschen würde.Als strategischer Partner unter anderem von Compaq, Hewlett-Packard, IBM, Lotus, Microsoft sowie Novell nimmt Bechtle an etwa 40 Partnerprogrammen teil.

Die Vielzahl dieser Partnerschaften stellt auch schon eins der Hauptprobleme dar: Die "Zertifizieritis" in der heutigen Vertriebslandschaft - so könnte man diese Manie zu zertifizieren schon fast nennen - führt zu einer großen Unübersichtlichkeit und zu einem enormen Aufwand! Natürlich ist es verständlich, daß der Hersteller zu einem gewissen Maß sicherstellen will, daß seine Produkte in einer bestimmten Qualität an seine/unsere Kunden weitergehen. Wenn man das aber exakt so handhaben würde, wie sich das jeder Hersteller im Idealfall vorstellt, könnte man sein Geschäft phasenweise komplett zumachen. Oft handelt es sich ja sogar schon um die Qualifikation zur Vermarktung eines Einzelprodukts, das heißt, es geht noch nicht einmal um eine umfassende Partnerschaft. Um den Überblick zu bewahren, erfordert diese immer feinere Verästelung einen erheblichen Verwaltungsaufwand. Wir haben das intern so gelöst, daß wir für unsere Key-Hersteller sogenannte Paten haben. Kleinere Unternehmen haben daran sicherlich noch mehr zu beißen. Und trotzdem:

Wer vernünftige Partnerschaften will, kommt um die Teilnahme an Partnerprogrammen nicht herum.

Wo Partnerprogramme von Vorteil sind

Die Ausbildung und das Know-how, die Bindung an den Hersteller sowie PR sind in unseren Augen die sinnvollen Aspekte eines Partnerprogramms. Sowohl im Software- als auch im Hardwarebereich sind diese Konzepte nicht wegzudenken: Man braucht den Support, die Beziehungen und die Möglichkeit, über Projekte zu sprechen. Ebenfalls positiv: Man ist Partner und wird (bei einigen) auch wirklich als solcher herausgestellt und entsprechend vermarktet. Leider wird nicht jeder Status, für den ein Hersteller seinen Partner qualifiziert, dem (End-)Kunden gegenüber kommuniziert und ist somit - weil unbekannt - praktisch wertlos. Mit den Zertifikaten ist das auch so eine Sache: Selbst auf Anfrage hin werden sie häufig nicht aktualisiert, so daß wir sie eben wieder von der Wand nehmen müssen. Denn: Was sollen alte Zertifikate? Das sind zwar nur Kleinigkeiten, aber es zeigt doch, daß es bei den Herstellern mit der Organisation oft nicht klappt.

Die Schattenseiten

Ein wichtiger Faktor sind die Kosten, die so eine Partnerschaft verursachen - und zwar die direkten wie indirekten. Ein Beispiel: Wir schicken zwei unserer Mitarbeiter auf eine fünftägige Schulung - nicht selten dauert eine Pflichtveranstaltung so lange. Pro Nase kostet die Veranstaltung 3.000 Mark, hinzu kommen 2.000 Mark Verdienstausfall pro Tag und Mitarbeiter. Das sind schon einmal 26.000 Mark, mit Spesen ist man dann schnell bei 30.000 Mark. Das muß erst einmal wieder verdient werden. Hinzu kommt, daß die Qualität der Ausbildung Investitionen in dieser Höhe häufig nicht rechtfertigt.

Bei all dem Aufwand verspricht man sich natürlich etwas von diesen Qualifikationen: zum Beispiel Leads, also Kunden und Aufträge. Und man will grundsätzlich dazu in der Lage sein, Support zu leisten. Die Realität ist jedoch manchmal ernüchternd: So haben wir beispielsweise durch die Teilnahme an IBMs Best-Team-Programm hier in Würzburg bis jetzt keine Leads bekommen, die man wirklich umsetzen konnte. Dabei ist diese Partnerschaft mit hohen Investitionen vom Partner verbunden gewesen - mit einem Return on Invest gleich Null. Wir haben hier mit Ausbildung und Verdienstausfall in der Gesamtgruppe locker 200.000 Mark investiert. Es bleibt abzuwarten, was sich da künftig durch die enge Kooperation zwischen Lotus und IBM tun wird.

Ein Thema ist für uns von zentraler Wichtigkeit: Support und Hotline. Hier liegt neben der Zertifizierungswut, der daraus resultierenden Unübersichtlichkeit und den Kosten das größte Problem. Entweder es gibt keine dedizierte Händler-Hotline, man kommt nicht durch, erreicht niemanden, oder man muß teuer dafür bezahlen. Wenn dieses Problem einmal gelöst wird, sind wir einen großen Schritt weiter.

Gut gelöst, für uns aber nicht das Wichtigste

Was alle Hersteller recht gut abdecken, ist der Bereich Marketing. Die meisten haben da von Haus aus schon einen sehr guten Apparat. Nur: Das hat für uns nicht die höchste Priorität. Ähnlich verhält es sich mit "Incentives" wie Reisen etc.: Wenige, die ich kenne, "brauchen" das wirklich. Natürlich will der Hersteller dadurch mehr Bindung schaffen. Aber diese Art von "Anreiz" ist sehr kostspielig und der Erfolg fraglich. Meine persönliche Meinung: Das Geld könnte man besser investieren - zum Beispiel in eine funktionierende Hotline ...

Die Teilnahme an den Programmen unserer strategischen Partner ist jedoch auf jeden Fall ein Vorteil: So haben wir zu Compaq eine sehr gute Beziehung aufgebaut, da werden wir als Partner wirklich ernst genommen. Auch Hewlett-Packard kann man in dieser Hinsicht positiv herausheben, da ist intern alles gut organisiert. Novell mußte aus der Not heraus von einem hohen Roß steigen und ist jetzt sehr kooperativ. IBM ist eine Firma, die immer eine wichtige Rolle spielen wird und auch gute Produkte hat. Ein Problem aber sind hier die häufig wechselnden Ansprechpartner. IBM hat auch sehr gute Programme ins Leben gerufen, die aber häufig innerhalb des Unternehmens selbst leider wenig bekannt sind. Bei Lotus bewegt sich nach einer längeren Selbstfindungsphase jetzt wieder etwas. Unterm Strich funktioniert dort die Zusammenarbeit recht gut.

Wünsche eines Partners

In meinen Augen ist der Partner der verlängerte Arm des Herstellers. Er ist gleichzeitig deren Vertrieb und Support vor Ort beim Kunden. Und so würde man sich auch wünschen, behandelt zu werden. Natürlich gibt es auch auf Herstellerseite Enttäuschungen. Viele Hersteller sehen den Vertriebspartner als "Abzocker", der es immer mundgerecht haben will. Der Vertriebspartner wiederum meint, der Hersteller will ihn nur ausnutzen.

Meiner Meinung nach liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Eins sollte dem Hersteller aber klar sein: Seriöse Unternehmen - und nur diese werden überleben - haben auf jeden Fall auch ein Interesse an einer seriösen Partnerschaft.

Wir als Vertriebspartner stehen an der Front, und die Hersteller sollten uns auch als ihre Partner im Feld sehen und unterstützen. Schließlich liefern sie uns die Produkte und die Logistik; sie sind es, die für uns das Arbeiten für den Kunden möglich machen - und manchmal auch unmöglich ...

Die Zentrale der Bechtle Systemhausgruppe in Heilbronn. Bechtle ist ein EDV-Handels- und Dienstleistungsunternehmen mit 18 Systemhäusern in Deutschland und der Bechtle direkt, die in Deutschland, Österreich, Großbritannien und in der Schweiz tätig ist.

Rainer Pecher:

"Wer vernünftige Partnerschaften will, kommt um die Teilnahme an Partnerprogrammen nicht herum."

*Rainer Pecher ist Geschäftsführer der Bechtle GmbH EDV-Zentrum in Würzburg.

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