Bei den PC-Herstellern geht die Angst um

04.12.1996
HANNOVER/MÜNCHEN: Im PC-Markt hat das neue Jahr so schlecht begonnen, wie das alte endete. Sinkende Nachfrage, fallende Preise und rote Zahlen treiben den Herstellern tiefe Sorgenfalten auf die Stirn. Immer mehr Unternehmen denken ans Aufgeben. Vor allem kleinere Hersteller.Für Winfried Hoffmann gibt es gar keinen Zweifel. "Im PC-Markt wird es unter den Herstellern in den nächsten zwei Jahren eine Riesenschlacht geben", prophezeit der Geschäftsführer der ASI Computer GmbH in Bad Homburg. Das große Zittern überfällt den erfahrenen Grabenkämpfer bei dem Gedanken an das bevorstehende Gemetzel allerdings nicht. Denn mit dem japanischen Fujitsu-Konzern im Rücken sieht sich Hoffmann auf der Seite der Sieger. Bereits in diesem Jahr will Fujitsu weltweit drei bis 3,5 Millionen PCs absetzen. Damit würden sich die Japaner in der Weltrangliste ganz nach oben katapultieren. In vier Jahren soll der Absatz auf sechs Millionen Stück kontinuierlich ausgebaut werden.

HANNOVER/MÜNCHEN: Im PC-Markt hat das neue Jahr so schlecht begonnen, wie das alte endete. Sinkende Nachfrage, fallende Preise und rote Zahlen treiben den Herstellern tiefe Sorgenfalten auf die Stirn. Immer mehr Unternehmen denken ans Aufgeben. Vor allem kleinere Hersteller.Für Winfried Hoffmann gibt es gar keinen Zweifel. "Im PC-Markt wird es unter den Herstellern in den nächsten zwei Jahren eine Riesenschlacht geben", prophezeit der Geschäftsführer der ASI Computer GmbH in Bad Homburg. Das große Zittern überfällt den erfahrenen Grabenkämpfer bei dem Gedanken an das bevorstehende Gemetzel allerdings nicht. Denn mit dem japanischen Fujitsu-Konzern im Rücken sieht sich Hoffmann auf der Seite der Sieger. Bereits in diesem Jahr will Fujitsu weltweit drei bis 3,5 Millionen PCs absetzen. Damit würden sich die Japaner in der Weltrangliste ganz nach oben katapultieren. In vier Jahren soll der Absatz auf sechs Millionen Stück kontinuierlich ausgebaut werden.

Globale Absatzschwäche am Markt

Andere PC-Hersteller sind weniger zuversichtlich. Nach der jüngsten von IBM und Compaq eingeläuteten Runde im Preiskampf sowie die "globale Absatzschwäche im PC-Markt" (Vobis-Chef Theo Lieven) fragen sich immer mehr Unternehmen, ob für sie eine eigene PC-Fertigung wirtschaftlich eigentlich noch Sinn macht. Vor allem kleineren Anbietern und Herstellern ohne eine breite Technologiebasis droht unter dem Druck der Großen die Luft auszugehen. Meldungen wie die von Digital Equipment über einen herben Absatzeinbruch im PC-Geschäft (vgl. Kasten) verunsichern nicht nur die Kapitalanleger, sondern bringen auch die Mitbewerber ins Grübeln. Der Wind, der ohnhein schon eisig über den Markt hinwegfegte, legt noch einmal an Schärfe zu. Frühling in Deutschland bedeutet in diesem Jahr, daß sich die PC-Hersteller noch wärmer anziehen müssen.

"Die gesamte PC-Branche steht vor dem größten Umbruch in ihrer Geschichte", brachte die Wochenzeitung DIE ZEIT den Ernst der Lage auf den Punkt.

Viele Probleme sind hausgemacht

Kein Wunder daher, daß eine der Lieblingsbeschäftigungen der PC-Hersteller auf der CeBIT darin bestand, über die Zukunftsaussichten ihrer Konkurrenten zu fachsimplen

(vgl. Kommentar). Und natürlich über den Fall Escom. Der Absturz des Discounters hat sicherlich seine Ursachen hauptsächlich im eigenen Hause. Aber nicht nur. Vor allem Hersteller und Händler mit Schwerpunkt Home-Bereich haben derzeit wenig zu lachen. Zum Beispiel auch Vobis-Chef Lieven. "Bei uns geht der Absatz momentan um drei Prozent zurück, der Umsatz wächst nur um fünf Prozent", berichtete er auf der CeBIT. Die Beteiligung von SNI an der Kaufhof-Tochter hat sicherlich nicht ihren Grund darin, daß es Vobis blendend geht.

Ursachen für die derzeit flaue Nachfrageentwicklung gibt es sicherlich zahlreiche. Konjunkturprobleme, Kostendruck bei den Unternehmen, Rekordzahlen bei den Arbeitslosen. Der wesentliche Grund aber ist, wenn man so will, hausgemacht: Die PCs sind schlicht und ergreifend zu teuer. Allem Preisverfall zum Trotz kosten die Rechner noch immer einen Haufen Geld: "In den letzten zwei Jahren ist der durchschnittliche Verkaufspreis pro PC um 100 Mark pro Monat gestiegen", erklärt Lieven. Andere Hersteller halten diese Zahl zwar für etwas zu hoch angesetzt, bestätigen aber den Trend. Der Grund für diese auf den ersten Blick erstaunliche Entwicklung: Um die Möglichkeiten eines modernen Rechners auszuschöpfen (Stichwort Multimedia, Internet) brauchen die Anwender eine immer höhere Rechenleistung und immer mehr zusätzliche Komponenten wie Modem, CD-ROM-Laufwerk, Lautsprecher etc. Und das hat nun einmal seinen Preis.

Gerade die privaten Verbraucher aber sind kompromißlos. Sie wollen alles oder gar nichts. Einen simplen PC für Textverarbeitung holt sich keiner mehr ins Haus. Rund 3.000 Mark muß ein Familienvater für einen zeitgemäßen PC heute auf den Tisch legen. Dafür muß ein Durchschnittsverdienen einen ganzen Monat lang arbeiten. Kein Wunder daher, daß er es sich dreimal überlegt, ob sein Filius dieses Gerät wirklich braucht oder ob er das Geld nicht sinnvoller für den Kauf eines neuen Fernsehers oder eines neuen Autos oder einfach für schlechte Zeiten auf die hohe Kante legen sollte. "Die Kühe haben es satt, gemolken zu werden", erklärt Lieven.

Multimedia-Boom bleibt aus

Mit anderen Augen betrachten jetzt auch immer mehr Hersteller die Versprechen von Marktforschern über die tollen zukünftigen Absatzentwicklungen im Consumermarkt. Vor allem der Hinweis auf die niedrige Durchdringung der Haushalte mit PCs ruft bei den Marketingexperten zunehmend allergische Reaktionen hervor. Denn: Die Penetrationsrate von Homecomputern in privaten Haushalten in Deutschland liegt heute bei etwa 26 Prozent. Steigerung gegenüber Mitte 1985: Fehlanzeige!

Damals hießen die Homecomputer C64, Amiga und Atari und waren noch bezahlbar. Heute gibt es derartige Geräte in dieser Preiskategorie gar nicht mehr. Kein Wunder, daß der Markt nicht anzieht. "Wenn wir es nicht schaffen, PCs mit einer vernünftigen Basisausstattung für unter 2.000 Mark anzubieten und damit zusätzliche Käuferschichten anzusprechen, bekommen wir ein ernsthaftes Problem", sagte Helmut Jost noch in seiner Funktion als Leiter des PC-Geschäftes der IBM auf der CeBIT. Auch John Tu, Chef des amerikanischen Speichermedien-Herstellers Kingston Technology, hält die Preise für zu hoch. "1.000 Dollar ist der richtige Preis für den Home-Markt", erklärt er.

Doch selbst dann fragt es sich, ob die Durchdringung der Haushalte mit PCs jemals auch nur annähernd an die Zahlen anderer Konsumgüter heranreichen werden. Eine Marktdurchdringung von 80 Prozent läßt sich nur bei echten Nutzbringern wie zum Beispiel Waschmaschinen oder aber im Unterhaltungssektor erzielen. Auch diejenigen, die immer noch auf den schon lange erwarteten Multimedia-Boom warten, werden nach Ansicht von Vobis-Chef Lieven enttäuscht werden. "Der PC und der Fernseher werden nicht zusammenwachsen. Zumindest nicht der PC, so wie er heute ist."

Aber vielleicht der sogenannte Internet-PC? Auch hier mehren sich die kritischen beziehungsweise zweifelnden Stimmen. Daß Intel-Geschäftsführer Dr. Guido de Frènes ("Den PC für unter 1.000 Mark wird es nicht geben.") von diesen Geräten nichts hält, ist schon aufgrund seiner Betriebszugehörigkeit klar. Aber auch von seiten IBM, deren US-Boß Louis Gerstner sich noch vor kurzem sehr weit für diesen neuen Rechenknecht aus dem Fenster gelehnt hatte, sind jetzt andere Töne zu hören. "Es wird sicher noch einige Zeit dauern, bis solche Geräte auf den Markt kommen", sagte IBMs Deutschland-Chef Edmung Hug kürzlich in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Den Prototypen hat Big Blue jedenfalls erst einmal wieder aus dem Verkehr gezogen.

Skepsis auch bei dem frischgebackenen Escom-Vorstandsvorsitzenden Helmut Jost. "Das Network Centric Computing wird in den nächsten Jahren noch nicht der Wachstum-Generator sein", glaubt er. Vor allem die unbefriedigende Situation im Übertragungsbereich steht seiner Meinung nach einer breiten Marktöffnung im Wege. Ohne Glasfaserkabel läuft hier nichts. Doch das bedeutet eine enorme Investitionsanstregung. "Es kostet locker eine Billion Dollar, um diese Holperstrecke in einen Daten-Highway zu verwandeln", ist auch Lieven skeptisch. Dazu kommen vor allem in Deutschland die hohen Übertragungsgebühren der Telekom. Selbst ein dem französischen Minitel vergleichbarer "Internet-PC" dürfte trotz eines niedrigen Preises auf wenig Gegenliebe bei den Käufern stoßen, wenn die Gebühren nicht drastisch gesenkt werden.

Vobis-Chef Lieven hält sogar die ganze Aufregung um Internet und Internet-PCs für einen Sturm im Wasserglas. "Wir werden nicht mehr erleben, daß es einen solchen Rechner gibt. Wer will denn schon ins Internet? Dafür kauft niemand einen PC. Noch nie habe ich soviel geballten Schwachsinn über Internet, Telekom und andere Themen gehört wie auf dieser Messe," nahm er auf der CeBIT in gewohnter Weise kein Blatt vor den Mund.

Fazit: Für viele PC-Hersteller gibt es derzeit nur eine Devise: Augen zu und durch. Mit dem Risiko freilich, daß einige ihre Augen für immer geschlossen halten müssen. Es gibt aber auch noch Optimisten. Einer von ihnen ist Acer-Geschäftsführer Klaus Muus. "Ich glaube", so der kühle Blonde aus dem hohen Norden, "daß die Abschwächung nur von vorübergehender Natur ist."

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