Bei jedem Kunden sieht die optimale Speicherlösung anders aus

22.11.2001
Ein bestehendes IT-Netzwerk mit leistungsfähigen Speicherressourcen zu versorgen ist keine leichte Aufgabe. Die unterschiedlichsten Lösungsansätze sind vorstellbar. Peter Kimmel und Andreas Bär vom Advanced Technical Support der IBM Storage Systems Group haben NAS, SAN und iSCSI miteinander verglichen.

Die jahrelang bevorzugten Direct-Attached-Storage (DAS)-Lösungen befinden sich seit einiger Zeit auf dem Rückzug. Netzwerkspeicher heißt das neue Schlagwort. Laut den Analysten der International Data Corporation (IDC) werden im Jahr 2004 gut 67 Prozent des Speicherumsatzes auf Storage Area Networks (SANs) und Network-Attached-Storage (NAS)-Systeme entfallen. Welches von beiden das Richtige ist, hängt von den Anforderungen des Kunden ab. Eine Patentlösung für das Aufrüsten einer bestehenden Speicher-Infrastruktur mit Massenspeicher gibt es nicht, denn jedes Konzept hat seine spezifischen Vor- und Nachteile.

Bei der Wahl des Speichersystems sind laut Kimmel und Bär von der IBM Storage Systems Group folgende Punkte zu beachten:

- Soll eine bestehende Infrastruktur erweitert oder einen neue aufgebaut werden?

- Wie einfach soll das System zu warten sein?

- Ist es notwendig, verschiedene kleinere Systeme zu einem großen zusammenzulegen?

- Sind zwei Datenzentren an unterschiedlichen Standorten gewünscht, um Hochverfügbarkeit zu garantieren?

- Welche Ansprüche stellt der Kunde an die Performance?

- Wie wichtig ist Skalierbarkeit im Hinblick auf künftiges Datenwachstum?

- Über welche IT-Kenntnisse verfügen die Mitarbeiter?

- Wie sieht die Backup-Strategie des Kunden aus, um im Falle eines kompletten Datenausfalls eine reibungslose Wiederherstellung zu gewährleisten?

SAN entlastet LAN

Ein SAN ermöglicht Storage-Sharing, das heißt, alle angebundenen Hosts haben unbegrenzten Zugriff auf alle Massenspeicher. Darin sehen Kimmel und Bär einen großen Vorteil. Der Speicher steht online zur Verfügung und lässt sich dynamisch zuweisen. Da das SAN die Daten in einem eigenen Netz transportiert, entlastet es das LAN (Local Area Network). Ein mehrfaches "Verpacken" der Daten vor dem protokollgerechten Verschicken ist nicht notwendig.

Ein eigenes Speichernetz verspricht schnelleren Datentransfer, da die ansonsten auftretenden Latenzzeiten entfallen. Der Zugriff erfolgt blockorientiert und unterstützt somit auch Raw-Volumes, wie sie beispielsweise Oracle-Datenbanken verwenden. Zusätzlich ist in einem SAN auch der Betrieb von parallelen oder geclusterten Datenbanken möglich.

Zwar lässt sich auch in einem NAS Storage-Sharing realisieren, und ebenso können dort Volumes online zur Verfügung gestellt und dynamisch rekonfiguriert werden. Außerdem lässt sich ein NAS-Device innerhalb von Minuten in ein bestehendes Netz einbinden und transportiert die Daten über größere Distanzen als ein SAN.

Allerdings stehen dem auch einige Nachteile gegenüber. Als kritisch betrachten die IBM-Techniker, dass das IP-Netz eventuell aufgerüstet werden muss, um den zusätzlichen Datenverkehr aufzunehmen. Es fehlt die Unterstützung für Raw-Volumes und parallele oder geclusterte Datenbanken. Hochverfügbare Raid-Systeme mit gespiegeltem Cache, wie sie in SANs selbstverständlich sind, finden sich nicht im NAS-Angebot. Zusätzlich erzeugt die Umsetzung der Daten in den TCP/IP-Stack zusätzliche Latenz.

NAS für kleine Arbeitsgruppen

Bei großem Datenaufkommen und hohen Anforderungen an die Performance ist ein SAN einem NAS klar vorzuziehen. Ebenso empfehlen die IBM-Techniker ein SAN, wenn datenbankgestützte Anwendungen, beispielsweise ERP- oder CRM-Systeme, im Einsatz sind.

Allerdings haben Kimmel und Bär die Erfahrung gemacht, dass für kleine Arbeitsgruppen, die Makros, Präsentationen, Zeichnungen oder andere Dateien gemeinsam bearbeiten, ein NAS die bessere Lösung sein kann. Grundsätzlich ist jedoch immer zu überprüfen, ob eine Kombination aus SAN und NAS eventuell die bessere Alternative sein könnte: "Aufgrund des zusätzlichen Overheads, der bei allen NAS-Systemen durch die dateiorientierte Prozessierung der Daten zwangsläufig anfällt, raten wir vom Einsatz eines NAS im Datenbankbetrieb ab."

Anfang des Jahres hat IBM mit dem iSCSI-Verfahren eine NAS-Alternative vorgestellt. Doch Speichernetze via SCSI und TCP/IP-Protokolle anzubinden bringt einige Nachteile mit sich:

- TCP/IP-Netze haben bei Überlastung mit Datenverlust zu kämpfen. Die garantierte Weitergabe der Daten ist nicht gewährleistet.

- In TCP/IP-Netzen herrscht generell ein hoher Protokoll-Overhead. Die Bandbreite wird ineffizient genutzt, hinzu kommen die relativ kleine Ethernet-Frames.

- TCP/IP hat eine hohe Anfälligkeit für Übertragungsengpässe - zum einen durch den SCSI-Protokoll-Overhead, der CPU und Netz belastet, und zum anderen, weil TCP/IP im Gegensatz zu Fibre-Channel nicht sofort mit voller Netzwerkgeschwindigkeit loslegt.

Durch die höheren Geschwindigkeiten von Gigabit-Ethernet und die Möglichkeit, die TCP/IP-Verarbeitung weg von den Servern in speziell konstruierte Host-BusAdapter zu verlagern, seien diese Argumente hinfällig, so Kimmel und Bär.

Den entscheidenden Unterschied zwischen NAS und iSCSI sehen sie jedoch in der Prozessierung der Daten. NAS weist eine dateiorientierte Struktur auf, die es für alle File-Server- und Data-Sharing-Anwendungen geeignet macht. Der Umweg, Daten erst Datei für Datei einzeln darzustellen, entfällt bei iSCSI. Hier findet der Zugriff blockweise auf segmentierte Daten statt. Dies erlaubt auch Kunden, die nicht über ein Fibre-Channel-Netzwerk verfügen, Datenbankapplikationen zu betreiben.

iSCSI als SAN-Alternative

Da für iSCSI lediglich IP-Netzwerkkomponenten installiert werden müssen, die sich im Plug & Play-Verfahren anschließen lassen, verkürzt sich die Installationsphase im Vergleich zu einem SAN. Hinzu kommen die Kostenvorteile und die Möglichkeit auf bereits getätigte Investitionen in Netzsicherheit (zum Beispiel Virtual Private Networks, Firewalls oder Verschlüsselung) aufzubauen.

Zudem verwendet iSCSI die vorhandene IP-Infrastruktur zum Transport der Daten.. Künftige Generationen schneller Ethernet-Verbindungen (10Gbit/s und mehr) werden ohnehin zuerst für IP erhältlich sein, bevor es sie für Fibre-Channel geben wird. Mit Interoperabilitätsproblemen rechnen Kimmel und Bär bei iSCSI aufgrund der bewährten IP-Technik nicht.

Diese Vorteile von iSCSI könnten zu der Annahme verleiten, dass dieses Protokoll Fibre Channel generell vorzuziehen sei. Dem ist aber nicht so: "Für Umgebungen, in denen höchste Performance gefragt ist, bei gleichzeitig hohen Anforderungen an Verfügbarkeit, gibt es zu der Effizienz eines Fibre-Channel-SANs keine gleichwertige Alternative", so Kimmel.

Für die Administration großer Speichernetze ist ein zentralisiertes Monitoring- und Konfigurationswerkzeug sinnvoll. Kimmel und Bär raten deshalb, beim Abwägen zwischen iSCSI und SAN zu beachten, dass die derzeit verfügbare Verwaltungssoftware für Speichernetze speziell für SANs geschrieben worden ist. "Wir gehen davon aus, dass sich Storage über Fibre-Channel und über IP-Netze noch auf lange Zeit hin als gleichberechtigte Alternativen am Markt halten werden. Tendenziell empfehlen wir Fibre-Channel eher Großkunden, während iSCSI bei einzelnen Abteilungen, Arbeitsgruppen oder überall dort zum Einsatz kommen kann, wo kein Bedarf für ein SAN besteht", erklärt Bär.

Abschließend stellen Kimmel und Bär fest, dass der Anteil der direkt angebundenen Speicher (Direct Attached Storage, DAS) zwar rapide sinkt, eine eindeutige Präferenz für SAN, NAS oder iSCSI jedoch nicht möglich ist. Da alle drei Modelle ihre spezifischen Vor- und Nachteile besitzen, ist in Abhängigkeit der Anwendung beim jeweiligen Kunden und der dort bereits vorhandenen Infrastruktur zu entscheiden, welche dieser Optionen oder eine Kombination daraus die Passende ist. Vor der Wahl sollte der Anspruch an Administrierbarkeit, Kosten, Verfügbarkeit und Performance definiert sein. Kimmel und Bär glauben, dass Fibre-Channel- und IP-basierende Systeme auf absehbare Zeit nebeneinander im Markt existieren werden. Deshalb raten sie: "Es ist wichtig, dass sich der Kunde von einem VAR beraten lässt, der alle drei Arten von Speichersystemen im Angebot hat und nach einer eingehenden Analyse der speziellen Situation vor Ort bei der Auswahl der Lösung mit hilft". (sd/ce)

www.storage.ibm.com/snetwork

www.fibrechannel-europe.com

www.ietf.org

www.iscsistorage.com

www.netapp.com

www.snia.org

ComputerPartner-Meinung:

IBM ist der iSCSI-Erfinder und zieht daher diese Technologie den Speicherarchitekturen SAN und NAS vor. Die IBM-Techniker Kimmel und Bär glauben, dass neue Netzwerktechnologien immer zuerst IP-basiert sein werden. Andere Storage-Hersteller halten hingegen weiterhin am SAN-Standard Fibre-Channel fest. (rw)

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