SAC-Chef Thorsten Podzimek auf dem Systemhauskongress

„Bei übertriebenen Success Stories höre ich gar nicht mehr hin“

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Über das eigne Scheitern und eigene Misserfolge zu sprechen, ist in Deutschland noch immer ein Tabu – auch wenn am Ende eine Erfolgsstory steht. SAC-Geschäftsführer Thorsten Podzimek zählt zu den Vorreitern, die den Mut dazu haben.

In Ihrer Keynote auf dem Systemhauskongress werden Sie ein Erlebnis schildern, über das die meisten Unternehmer lieber schweigen: Wie ein augenscheinlich lukratives Projekt am Ende fast Ihr eigenes Unternehmen ruinierte - und wie Ihnen die Rettung gelang. Es gibt nur wenige Menschen, die den Mut aufbringen, über Situationen wie diese zu sprechen. Ist Scheitern in unserer Branche immer noch ein Tabu?

Thorsten Podzimek, Geschäftsführer SAC GmbH und Mitglied der ACCAS-Group
Thorsten Podzimek, Geschäftsführer SAC GmbH und Mitglied der ACCAS-Group
Foto: ACCAS-Group

Thorsten Podzimek: Ja, Scheitern ist ein Tabu, nicht nur in der IT-Branche. Im Gegensatz zu den USA, wo Scheitern zum normalen Business-Leben dazu gehört, ist man in Deutschland meines Erachtens, wenn man scheitert, ein Verlierer, mit dem "die anderen" dann nichts mehr zu tun haben wollen.
Es ist wohl in unserer Kultur verankert, und ich habe auch sehr unterschiedliche Reaktionen auf unsere Krise bekommen. Die einen, vermeintlich gute Geschäftspartner, wenden sich ab - mit Verlierern will man nichts zu tun haben. Man selbst ist ja ein Gewinner.
Die anderen, die sehr aufmerksam zuhörten, waren meistens auch Personen, die selbst schon so etwas durchlebt haben.

Man erkennt dann sehr schnell, im Business wie auch privat, wer ein echter Freund ist und wer nur Freund ist, weil man erfolgreich ist. Daher höre ich auch immer nur von tollen Projekten und Margen etc. Wenn ich tiefer einsteige - meistens beginne ich mit dem Satz: "Hand auf Herz", öffnen sich die Menschen und erzählen mir dann auch von Misserfolgen.
Mittlerweile höre ich bei übertriebenen Success Stories gar nicht mehr hin. Sie stimmen sowieso nicht. Seltene Einzelfälle mal ausgenommen. Aus den Misserfolgen kann man viel mehr lernen und Gehalt gewinnen.

Ohne vorab zu viel zu verraten: Was ist damals passiert?

Podzimek: Der Kunde war eine Anwaltskanzlei, und das Projekt wurde auf Vertragsebene geführt und nicht auf der Sachebene. Reale Lösungen waren teilweise gar nicht möglich, da nicht vertragskonform. Problem: Jurist mit Charakter Skorpion - dazu später mehr - trifft auf einen Ingenieur. Der eine beharrt nur auf dem Vertrag, der andere will analytisch die Probleme lösen. Hier ein Beispiel, damit man das versteht:

  • Die von einer 3rd Party gelieferte Anwaltssoftware liefert bei der Abfrage einer Akte eine Wartezeit von 13 Sekunden. Das ist dem Kunden zu lange. Er fordert alle Beteiligten zur Nachbesserung auf.

  • Auf meine Frage, welche Antwortzeit denn abnahmefähig ist, bekomme ich die Antwort: "Steht im Vertrag", und es entspannt sich folgender weiterer Dialog: "Aha. Und wo?" - "Naja hier: 'Der Anbieter schuldet dem Kunden ein System mittlerer Art und Güte'." - "Und wie schnell ist das?" - "Das entscheidet der Richter."

Das System wurde also nicht abgenommen und nicht bezahlt. Der monatliche Betrieb wurde, aufgrund der fehlenden Abnahme, auch nicht bezahlt. Hier kommen schnell wachsende sechsstellige Beträge zustande. Das killt nach einer gewissen Zeit X jedes Unternehmen.

Sie beschreiben den Charakter dieses Kunden als "Skorpion". Was meinen Sie damit?

Podzimek: Es geht um das Gleichnis vom Skorpion und dem Frosch. Der Skorpion sticht am Ende den Frosch, obwohl er weiß, dass er selbst dadurch auch sterben wird. Auf den Charakter des Anwalts übertragen, bedeutet das: Der Anwalt macht Dinge, die völlig unlogisch sind, Dinge, die ihm und anderen schaden, aber vertragskonform sind. Er kann nicht anders, er ist ein Skorpion.

Wie Sie sich aus dieser bedrohlichen Situation befreit haben, werden Sie auf dem Kongress detailliert schildern. Deshalb zurück zur Gegenwart: Wenn Sie heute mit einem Kunden über einen potenziellen Auftrag sprechen: Welche Aussagen lassen bei Ihnen schon im Vorgespräch alle Alarmglocken schrillen?

Podzimek: Folgende Umstände:

  • Wenn es von Kundenseite keinen Projektleiter mit entsprechendem Sachverstand gibt

  • Wenn es keinen klaren Anforderungskatalog gibt, mit der Begründung, der Lieferant wisse ja, was man bräuchte

  • Wenn es einen unrealistischen Zeitplan gibt

  • Wenn man mit einem 3rd-Party-Anbieter in die Haftung genommen werden soll

  • Wenn es Vertragspönalen gibt

  • Wenn mangels eines klaren Anforderungskatalogs keine klare Abnahme erfolgen kann

  • Moving Targets: "Und das noch"- "Und das auch noch …", etc.

  • Wenn der Kunde nicht anzahlt oder keinem Zahlungsplan zustimmt

  • Wenn der Kunde schon vorab Termine nicht einhält

  • Wenn es keinen klar identifizierbaren Entscheider gibt

Was hat sich in der Zusammenarbeit mit Kunden generell und hinsichtlich der Projekt- oder Auftrags-Evaluierung verändert?

Podzimek: Die Angst vor Anwälten und furchteinflößenden Schreiben ist nicht mehr vorhanden. Ich habe so viele davon erhalten, dass ich völlig abgestumpft bin und besser verstehe, was man mir damit eigentlich sagen will. (schmunzelt) Außerdem schreibe ich jetzt oft selbst mit Anwaltsfloskeln.

Unsere eigenen Strukturen und Geschäftsprozesse haben sich nicht geändert. Wir waren vor diesem Fall sehr gut aufgestellt und behalten das bei. Das Misstrauen ist grundsätzlich etwas größer geworden, und wir klopfen mit dem ein oder anderen Trick den Kunden vor dem Projekt ab. Wenn er die Prüfung nicht besteht, gehen wir nicht in das Projekt.

Ihr Unternehmen unterstützt Kunden bei der Gestaltung und Verbesserung von Betriebsprozessen, stellt dafür die erforderliche hochverfügbare IT-Infrastruktur bereit und betreibt diese auf Wunsch auch als Managed Service. Wie haben Sie es geschafft, diese Managed- und Cloud-Services im Unternehmen strategisch zu verankern?

Podzimek: Unser Betriebskonzept ist unser USP. Alle wissen das. Es gibt wöchentliche Schulungen dazu, es wird permanent weiterentwickelt und natürlich heute auch automatisiert.
Bei uns werden alle Prozesse auf das spätere Betriebskonzept ausgerichtet. Wenn wir einen Kunden mit diesem Modell nicht betreiben können, machen wir auch kein Projekt mit ihm.

Der Satz "Systemhäuser müssen sich zu Prozessberatern wandeln" wird in der Branche fast gebetsmühlenartig wiederholt. Klingt einfach, verlangt aber in der Umsetzung sicherlich einen radikalen Umbau. Was sind die größten Hürden auf diesem Weg?

Podzimek: Ganz würde ich das nicht unterschreiben. Richtig ist, dass der Kunde selbst auch den Druck von Automatisierung und Digitalisierung spürt und sein Heil zunächst beim IT-Dienstleister sucht, weil er diesen bereits kennt.
Dort kann meistens der Geschäftsführer dem Kunden bei der eigenen Prozessgestaltung helfen. Technische Mitarbeiter können das meistens nicht und die kann man meines Erachtensauch nicht dazu machen.

Man muss also neue Mitarbeiter für diese Bereiche einstellen. Das Problem liegt auf der Hand: Für einen Kundenauftrag rechnet sich der neue Mitarbeiter noch nicht. Ein Prozessberater wird aber wahrscheinlich sein Heil auch nicht bei einem IT-Dienstleister suchen. Das heißt, der IT-Dienstleister bekommt diese Personen am Markt eventuell gar nicht. Das ist wohl die größte Hürde.

Wenn der Geschäftsführer des IT-Dienstleisters aber größtenteils als Prozessberater für Kunden tätig ist, fehlt ihm die Zeit, das eigene Unternehmen weiterzuentwickeln.

Das Problem:

• Mangelnde eigene Ressourcen, der Geschäftsführer muss ran

• Mangelnde Investitionsmöglichkeiten in neue Geschäftsbereiche, um neue Mitarbeiter, die zunächst keinen wirtschaftlichen Ertrag leisten, einzustellen.

• Am Markt überhaupt die Skills zu finden, und diese an das eigene Unternehmen zu binden

Wie haben Sie selbst diese Herausforderungen gemeistert?

Podzimek (schmunzelt): Ich bin auch ein Skorpion und hatte extremes Glück. Mehr gibt's dann im Vortag.

Worauf kommt es an?

Podzimek: Unerschöpflicher Optimismus, niemals Aufgeben, ein sehr kämpferisches Team und Glück.

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