Beim Thema Entlassungen zeigen viele Chefs wenig Größe

26.09.1997
MÜNCHEN: Das Aussprechen und Abwickeln von Entlassungen ist eine der unangenehmsten Aufgaben des Managements und der Unternehmensleitung. Entlassungen gehören allerdings zum Unternehmensalltag und somit zur Routine im Personalgeschäft. Viele Unternehmen machen es sich viel zu leicht und gehen mit großem Unwillen an derlei Prozesse. Je kürzer desto besser, lautet ihr Motte. Auf der Strecke bleibt der Betroffene. Meist ohne Hilfestellung und meist mit unguten Gedanken an den ehemaligen Arbeitgeber. Es gibt jedoch Möglichkeiten, diese Prozesse optimal und verträglicher zu gestalten, wie Stefan Rohr* im folgenden Beitrag aufzeigt.In Zeiten, in denen die Kündigung von Mitarbeitern nahezu ebenso "alltäglich" ist wie die Einstellung neuer Kollegen, ist es durchaus angemessen, sich auch einmal dem Thema der "Mitarbeiterausstellung" zu widmen.

MÜNCHEN: Das Aussprechen und Abwickeln von Entlassungen ist eine der unangenehmsten Aufgaben des Managements und der Unternehmensleitung. Entlassungen gehören allerdings zum Unternehmensalltag und somit zur Routine im Personalgeschäft. Viele Unternehmen machen es sich viel zu leicht und gehen mit großem Unwillen an derlei Prozesse. Je kürzer desto besser, lautet ihr Motte. Auf der Strecke bleibt der Betroffene. Meist ohne Hilfestellung und meist mit unguten Gedanken an den ehemaligen Arbeitgeber. Es gibt jedoch Möglichkeiten, diese Prozesse optimal und verträglicher zu gestalten, wie Stefan Rohr* im folgenden Beitrag aufzeigt.In Zeiten, in denen die Kündigung von Mitarbeitern nahezu ebenso "alltäglich" ist wie die Einstellung neuer Kollegen, ist es durchaus angemessen, sich auch einmal dem Thema der "Mitarbeiterausstellung" zu widmen.

Was noch vor einigen Jahren als persönliche "Schande" galt - arbeitslos und gekündigt zu sein - ist mittlerweile zum Alltag und zur Normalität geraten, dieses nicht zuletzt deswegen, weil Gesellschaft, Wirtschaft und Politik nicht in der Lage zu sein scheinen, die in unserem Lande vorherrschende Lethargie in Sachen Arbeitswelt rational zu lösen. Es fällt somit leicht, sich in die zwischenzeitlich millionenstarke Gruppe der Arbeitslosen einzureihen und zu resümieren: "Jetzt hat es mich eben auch einmal erwischt."

Selbstverständlich - und das ist das eigentlich Fatale an der Angelegenheit - ist der Mitarbeiterabbau ein wirtschaftlich notwendiges und probates Mittel geworden, die individuelle Situation eines Unternehmens zu verbessern und Gefahr für die Majorität der jeweils vorhandenen Arbeitsplätze abzubauen. Sofern es denn wirtschaftlich nötig ist, zum Beispiel 25 Prozent der Belegschaft betriebsbedingt zu entlassen, so werden immerhin noch Dreiviertel der Arbeitsplätze "gerettet". Wer will sich da beklagen, wer hat hier noch zündende Gegenargumente? Und die Minorität, diejenigen, die es gerade einmal trifft, muß sich loyal zur Masse stellen und erkennen, daß sie nunmehr den Schwarzen Peter gezogen hat, dieses zum Wohl der Mehrheit. Allerdings gibt es durchaus Wege, diese unangenehme Situation für Betroffene und Unternehmen so zu gestalten, daß man einer personalpolitischen Verpflichtung gerecht wird und daß den Betroffenen in der spontan entstandenen Situation geholfen werden kann.

Nichts ist leichter und konfrontationsloser, als dem Betroffenen den berühmten "Blauen Brief" zuzustellen und ihn zu bitten, seinen Schreibtisch bis 12:00 Uhr unter Aufsicht geräumt zu haben. Das gute Arbeitszeugnis oder ein kleines Übergangsgeld dienen dabei noch als Hilfe, die Situation möglichst kommentarlos und konfliktfrei zu gestalten. Der persönliche Kontakt allerdings wird vermieden. Es könnten ja unangenehme Fragen gestellt und Rechtfertigungen verlangt werden.

Die Ausstellung von Mitarbeitern ist jedoch ein ebensolches "Verfahren", wie es die Einstellung selbst ist. Wird verglichen, wie in den Unternehmen, oft geschönt, verklärt und vollmundig, das Verfahren der Neueinstellung durchgeführt wird und wie im Kündigungsfall im gleichen Unternehmen verfahren wird, so stehen Welten dazwischen. Vielen Firmen und Managern ist es einfach nicht klar, daß das Ausstellen von Mitarbeitern ein ebensolcher Prozeß ist, wie es die Einstellung darstellt.

Natürlich ist der Unterschied zwischen positiver Einstellung und negativer Ausstellung deutlich vorhanden. Während die Einstellung einen meist sehr positiven Charakter aufweist, ist die Ausstellung eben mit vielen negativen Momenten behaftet. Doch dieser Umstand darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Unternehmensimage und die Leitgedanken zur Mitarbeiterführung auch bei Entlassungen unmittelbar betroffen sind.

Überrumpelung von zu entlassenden Mitarbeitern ist die schlechteste Taktik. Leicht läßt es sich nachvollziehen, mit welchen Gedanken und Kommentaren ein auf diese Weise entlassener Mitarbeiter über sein "ehemaliges" Unternehmen urteilt. Zuvor allerdings spricht er noch mit Kollegen, Kunden und Freunden. Im Zuge seiner anschließenden Arbeitssuche spricht er dann mit Wettbewerbern, gegebenenfalls wieder mit Kunden oder Dienstleistern des ehemaligen Arbeitgebers.

Nur dieser kleine Ausblick läßt schnell erkennen, daß sich hier negative Auswirkungen ergeben können, die sich dem entlassenden Unternehmen, insbesondere, wenn mehr als ein paar Mitarbeiter zu gehen haben, als durchaus unrühmlich und imageschädigend erweisen werden. Dieses übrigens nach innen und nach außen. Die Internen werden schnell abwägen, ob nicht auch ihr eigener Kopf in der Schlinge hängt, werden Unruhe produzieren und vielleicht sogar selbst die Initiative ergreifen, dieses um dem wackelnden Arbeitgeber zuvorzukommen (obwohl dieser es in diesem Falle gar nicht will). Nach außen ergeben sich vielerlei Schäden, die fallbezogen mehr oder weniger auftreten können. Sofern zum Beispiel die Branche sehr klein oder gut zu überschauen ist, werden schnell Gerüchte, Imageschäden entstehen, die vielleicht sogar die Rekrutierung anderer Kräfte erheblich beeinträchtigen können (Motto: in diesem Haus fliegen Mitarbeiter schneller als sie eingestellt werden, in diesem Hause herrscht ein schlimmes Klima etc.).

Die verantwortlichen Manager und Führungskräfte können allerdings ein Prozedere vereinbaren, daß menschlich vorbildlich ist und viele der negativen Auswirkungen erst gar nicht entstehen läßt. Das Prozedere der Ausstellung sollte die folgenden Inhalte aufweisen:

1. Vor jeder geplanten Ausstellung ist eine organisatorische und wirtschaftliche Prüfung voranzustellen, ob die geplante Entlassung wirklich notwendig ist und das "Problem" nicht anderweitig gelöst werden kann.

2. Die geplante Ausstellung sollte von den beteiligten Führungs-kräften ausführlich argumentiert und schriftlich dokumentiert werden. Das trifft insbesondere dann zu, wenn die Entlassung auf einer Historie bestimmter Anlässe, mangelnder Leistungen oder bestimmter Vorfälle beruht.

3. In jedem Fall ist mit dem Mitarbeiter ein ausführliches Gespräch zu führen, in dem die Gründe für die Entlassung klar und deutlich bezeichnet und die nicht vorhandenen Alternativen aufgezeigt werden.

4. Jeder Betroffene muß die Gelegenheit erhalten, sich zu der entstehenden Situation zu äußern und seine Meinung hierzu abzugeben. Gegebenenfalls ist der Betroffene ja bereit, bestimmte Einschränkungen in Kauf zu nehmen, an die im Vorfeld noch nicht gedacht wurde, oder die als "abwegig" verworfen worden sind.

5. Ist es irgendwie machbar, so sollte der Mitarbeiter nicht von heute auf morgen das Unternehmen verlassen müssen. Die sozialen Konsequenzen im privaten (z.B. familiären) Umfeld sind oft zu stringent und stellen den Betroffenen vor persönliche Härten. Hat der Mitarbeiter noch ein bestimmtes "Zeitfenster" innerhalb des Unternehmens, so kann er sich persönlich auf die Situation einstellen und seine Maßnahmen aus einem (noch) geregelten Arbeitsverhältnis heraus zu lösen versuchen.

6. Das Unternehmen muß stets Hilfe anbieten. Hilfe kann sein, dem Mitarbeiter durch die verantwortlichen Führungskräfte oder die Personalleitung Unterstützung bei den nun folgenden Bewerbungsaktivitäten anzubieten. Auch die Zusage, daß der Mitarbeiter für Bewerbungen bezahlte Freistellungen in Anspruch nehmen kann, ist in vielen Fällen eine gute Unterstützung. Sofern möglich, ist es hilfreich, dem Mitarbeiter zu garantieren, daß persönliche Referenzen auf Ansprache eines potentiellen neuen Arbeitgebers abgegeben werden, die mit dem Zeugnis korrespondieren. Auch das Angebot der Unterstützung durch einen professionellen Outplacement-Berater (Kosten trägt das Unternehmen) kann in die Ausstellungsbemühungen einbezogen werden.

7. Das Unternehmen sollte sich regelmäßig danach erkundigen, ob der entlassene Mitarbeiter bereits eine neue Anstellung gefunden hat und ob es gegebenenfalls weitere Punkte gibt, dem Betroffenen hilfreich zur Seite zu stehen.

8. Kündigungsformulierungen haben stets eine rechtliche Relevanz. Dennoch kann auch das Kündigungsschreiben inhaltlich so aufgebaut sein, daß es nicht wie eine "Ohrfeige" erscheint.

9. Helfen Sie dem Betroffenen auch bei der Abwicklung der arbeitsamtlichen Folgen, der gegebenenfalls entstehenden behördlichen Abläufe und sonstigen verwaltungsbedingten Folgen.

10. Für eine adäquate Übergangszeit sollte der Betroffene zudem sein Firmenfahrzeug oder seine firmenseitigen Mitarbeiterkredite behalten können. Die Vereinbarung von Übergangsregelungen und "sanfteren" Trennungskonsequenzen in derlei Bereichen ist in vielen Fällen eine enorme Hilfe.

Es zählt somit die Fairneß und das Einfühlungsvermögen in die individuelle Situation des zu entlassenden Kandidaten. Der Umstand als solcher wird hierdurch zwar aus Sicht des Betroffenen nicht vereitelt, allerdings entsteht ein Klima, das verträglich und seriös geprägt ist und das das Image des entlassenden Unternehmens auch in der Erinnerung des Einzelnen positiv erhalten wird. Und das ist nach allen Grundlagen der Moral, Ethik und Fairneß ein bedeutender Wert für das Unternehmen.

*) Stefan Rohr ist geschäftsführender Gesellschafter der r&p management consulting Hamburg/Düsseldorf/Frankfurt/Speyer.

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