Bericht vom Cisco Partner Summit 2005: "Viele Partner müssen umdenken"

21.04.2005
Auf seiner jährlichen Partnerveranstaltung demonstrierte IP-König Cisco Stärke. Die Partner nickten diese Darstellung ab - schließlich sind sie es, die Ciscos Geschäfte besorgen. Der Aufruf, sich auf den SMB-und Lösungsmarkt zu spezialisieren, überraschte sie nicht wirklich.

Von Wolfgang Leierseder

Cisco ist derzeit unumstrittener IP-König. Das Unternehmen repräsentiert zurzeit zwei Drittel des Börsenwerts aller Netzwerker und beherrscht eigenen Angaben zufolge zehn IP-Marktsegmente souverän.

Wer also geglaubt hatte, EMEA-Chef Robert Lloyd aus der Reserve locken zu können, wenn mögliche Konkurrenten erläutert werden, der irrte. Er konnte ihn auf dem "Partner Summit" in Vancouver allenfalls zum Schmunzeln bringen. Konkurrenz belebe das Geschäft, tat er zwar kund, doch dass er damit Extreme Networks, Juniper oder 3Com bereits ernst nehmen würde, war ihm nicht anzumerken. "Sie alle sind nur in einem oder zwei Segmenten stark", wiegelte er schließlich ab, "wir aber können komplette Geschäftsprozesse im Netz abbilden."

Um diese gehe es jetzt, erläuterte Lloyd, der sich damit im Einklang mit dem lautstark beworbenen "Intelligent Information Network" (IIN) befand. "Nur Netzkomponenten mit Software-Features" (Lloyd) anzubieten reiche nicht aus, um im IP-Markt eigene Vorstellungen durchzusetzen.

"Wir haben das Momentum, um sagen zu können: In diese oder jene Richtung entwickelt sich das Netz, und wir tragen mit unseren Vorstellungen des intelligenten Netzwerks dazu bei", sagte der Europa-Chef gegenüber ComputerPartner. Genau diese Botschaft ist für ihn die Quintessenz des diesjährigen Partnertreffens, das knapp 2.200 (Vorjahr: knapp 1.600) meist zahlende Cisco-Partner und -Kunden bevölkerten.

"Cisco kann als Marktführer nur bestehen, wenn es jetzt schon Trends erkennt und in Produkte umsetzt", hatte CEO John Chambers in seiner Hauptrede tags zuvor erklärt. Die Partner hatten beifällig im blendend-weiß gestrichenen "Summit 2005"-Treffpunkt genickt, beflügelt von dem Wissen, dass Ciscos Geschäfte "zu 88 Prozent" (Chambers) über sie laufen. Nur das Carrier-Geschäft wickelt der IP-Krösus selbst ab - so war in Vancouver kein Wort über Ciscos Carrier-Router CRS1 zu hören.

SMB-Kunden im Visier

Dass allerdings auch die Distribution, ein zentrales Bindeglied zwischen Cisco und den Partnern, nicht erwähnt wurde, ließ so manchen Angereisten stutzen. Nachdem Cisco nicht weniger als eine Hand voll SMB-Initativen ankündigte und intensiv die Möglichkeiten des Geschäftes mit Kunden mit bis zu 500 Mitarbeitern beschwor, hätte die Rolle der Distribution angesprochen werden müssen, so ein Schweizer Partner. Dieses Fehlen der Distribution passierte "nicht zum ersten Mal", bemängelte ein deutscher Manager des Distributors Comstor.

Ein Kernthema stellten die SMB-Initiativen so oder so dar: So bietet Cisco Partnern mit dem "SMB Support Assistant Service" die Möglichkeit, SMB-Unternehmen Dienstleistungen, etwa technische Unterstützung und termingenaue Support-Kontrakte für Router und Switches, anzubieten.

Zudem stellt der mit der Version 2.0 erweiterte "Network Assistant" ein Konfigurations- und simples Management-Tool dar, das Partnern Argumente bei solchen Unternehmen bieten soll, die vor der Komplexität von Ciscos IOS-Betriebssystem bis heute zurückschrecken. "Cisco-Komponenten sind nicht billig, sodass es uns bei Kunden helfen könnte, Komponenten zu verkaufen", kommentierte ein deutscher Händler die Software.

Dass Cisco zudem ankündigte, weltweit rund 750 Millionen Dollar für zertifizierte Reseller bereitzustellen, damit diese leichter und schneller als bisher Projektkredite bei Cisco aufnehmen können beziehungsweise Inventarfinanzierung erhalten, unterstrich die SMB-Ambitionen. Die Company will "diesen Riesenmarkt" (Channel-Chef Paul Mountford) unbedingt für sich gewinnen.

Laut Luca Marinelli, verantwortlich für das Channel-Geschäft in Europa (EMEA), kann Cisco zurzeit auf über 8.400 Wiederverkäufer in Europa, davon mehr als 2.200 in Deutschland, zählen. Diese müssen SMB-Unternehmen von Cisco-Komponenten überzeugen. "Ohne sie erreichen wir diese Unternehmen nicht. Sie haben die Kenntnisse, nicht wir", so Marinelli gegenüber ComputerPartner. Dem hätte kein Partner widersprochen, auch wenn jedem klar sein dürfte, dass Cisco für ihn kein Selbstläufer ist oder wird.

Echtzeitnetze

Zugleich mit den SMB-Programmen kündigte Cisco ein "Trade in"-Programm nicht nur für eigene Komponenten an. Wenn Cisco-Händler Kunden davon überzeugen, ihre älteren (Fremdhersteller-)Komponenten auszu- tauschen, bekommen sie 15 Prozent des aktuellen Wertes dieser Komponenten gutgeschrieben.

"Ist das ein gutes Angebot?", fragte Channel-Chef Mountford die Zuhörer. "Ja", schallte es zurück. Dass Mountford daran sogleich das Thema "Austausch älterer Komponenten" anschloss, gehörte zu seiner wohlkalkulierten Inszenierung.

"Drei bis fünf Jahre alte Komponenten im Wert von insgesamt 40 Milliarden Dollar warten darauf, ausgetauscht zu werden", zeigte er auf. "Die meisten davon haben Sie verkauft - es ist also Ihr Geschäft."

Doch bereits das ebenfalls erweiterte "Cisco Learning Credits Program", womit Partner Trainings anbieten, zeigte, wohin für Cisco die Netzwerk-Reise geht: in Richtung IIN und Services und im Galopp in vertikale Märkte.

Der Kunde müsse davon überzeugt werden, dass erst "Echtzeit-Netze" - integrierte, standortunabhängige IP-Netze für Daten, Sprache und Video - seine Geschäftsprozesse adäquat unterstützten. Konkret heiße das, wie Chambers und seine Manager in mehreren Vorträgen ausführten, dass in vertikalen Märkten, insbesondere in solchen mit starkem Dienstleistungsanteil - etwa Retail, Finanzinstitute, Behörden und Verwaltung - , der Bedarf an einer Kombination von Netzwerkinfrastruktur und -lösungen zunehmen werde.

"Während der Unternehmensmarkt noch immer mit Investitionen zögert", so Chambers, seien die genannten Segmente darauf angewiesen, ihre Netze auf Vordermann zu bringen. So erregte auch das bereits im vorigen Jahr vorgestellte SIP-Programm (Solution Incentive Programm), mit dem Cisco zertifizierte Lösungen von Partnern auf den Markt bringen will, große Aufmerksamkeit.

Zwar wusste der Netzwerker noch nicht, ob solche Lösungen lokal, überregional oder weltweit vermarktet werden sollen, wie EMEA-Chef Lloyd während einer Partner-Diskussion zugab. Doch wisse man sehr genau, dass der Markt und Cisco auf solche Lösungen angewiesen seien, um dessen Bedürfnissen sowie der Absicht Ciscos, stärker als der Markt zu wachsen, nachzukommen.

Partnerprobleme

Während Marinelli im SIP-Zusammenhang zwei europäische Pilotlösungen für das Gebäudemangement und eine Hotelverwaltung präsentierte, gab Mike Hermann, in Europa für die Global-Solution-Abteilung verantwortlich und deshalb auch mit den Pilotprojekten befasst, gegenüber ComputerPartner zu bedenken, dass die vertikale Stoßrichtung Cisco-intern für schwierige Veränderungen sorge. "Vertriebsbeauftragte müssen umdenken: Sie verkaufen keine Hard- und Software mehr, sondern müssen die Märkte kennen, um sich beim Lösungsverkauf auf einer Höhe mit den Kunden zu befinden." Dasselbe werde nun nach und nach vom Cisco-Partner erwartet.

Damit ließ er als einziger Cisco-Manager anklingen, dass der Netzwerker auch den Begriff Problem kennt. Denn davon, dass der eisige Projektmarkt in Deutschland die Menge der Gold- und Silber-Partner mittlerweile "in 20.000-Euro-Projekten auftauchen lässt", wie ein Partner monierte, dass die Menge der Cisco-Partner in den angestammten Segmenten Router und Switches "für offene Konkurrenz und Margenverfall sorgt", wie der Geschäftsführer eines Systemhauses beklagte - davon und anderem mehr war in Vancouver allenfalls in den Pausen und in den Hotelbars zu hören. "Hier will niemand was von Problemen hören", fasste ein Partner seinen Eindruck zusammen, "sondern jeder will hören, wie toll alles ist."

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