Klage ist vor Gericht gescheitert

Bewerberin angeblich als zu dick abgelehnt

13.06.2014
Eine Frau bewirbt sich um eine Stelle, sie wird eingeladen – und nach dem Gespräch abgelehnt. Sie sei zu dick, lautet der Vorwurf. Die Frau empfindet das als diskriminierend und fordert Schmerzensgeld – erfolglos.

Eine angeblich als zu dick abgelehnte Bewerberin um einen Führungsposten kann nicht mit einer Entschädigung wegen Diskriminierung rechnen. Die 42-Jährige scheiterte vor dem Darmstädter Arbeitsgericht mit ihrer Klage auf 30.000 Euro. Das Gericht sah keinen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgesetz.

"Erklären Sie uns mal, warum Sie übergewichtig sind": Auch mit dieser Frage sah sich die Bewerberin beim Vorstellungsgespräch konfrontiert. In ihren Augen eine Diskriminierung.
"Erklären Sie uns mal, warum Sie übergewichtig sind": Auch mit dieser Frage sah sich die Bewerberin beim Vorstellungsgespräch konfrontiert. In ihren Augen eine Diskriminierung.
Foto: Thomas - Fotolia.com

"Die Ablehnung war kein entschädigungspflichtiger Eingriff", sagte die Richterin. Für das Gericht war zudem nicht bewiesen, dass die Klägerin in erster Linie wegen ihres vermeintlichen Übergewichtes erfolglos auf Jobsuche war. Eine gütliche Einigung hatte die 42-Jährige abgelehnt, obwohl die Richterin dies des öfteren vorgeschlagen hatte. Sie erinnerte die Klägerin, dass es sich bei der verklagten Organisation um einen gemeinnützigen Verein handele und nicht um ein börsennotiertes Unternehmen.

Der Fall: Die Frau hatte sich 2012 bei einem Verein aus dem Gesundheitsbereich um einen Führungsposten beworben. Laut Gericht gab es auch ein Vorstellungsgespräch. Nach Angaben des Anwaltes wurde die Frau abgelehnt, weil sie zu dick sei. Nach eigener Aussage wiegt die Frau 83 Kilo bei einer Größe von 1,70 Metern und Kleidergröße 42.

"Es geht um den Schutz der Menschenrechte"

"Ich habe richtig geheult", sagte sie über die Ablehnung, die sie auf ihr Gewicht zurückführt. "Als ob mir jemand mit der Axt in den Nacken schlägt." Um sich vor der Öffentlichkeit zu schützen, trug sie im Gericht meist eine dunkle Perücke mit langen Haaren und eine Sonnenbrille.

Der Anwalt der Klägerin kündigte an, vor das Landesarbeitsgericht in Frankfurt zu ziehen. "Wenn wir in diesem Fall nicht gewinnen, wird kein einziges Verfahren mehr durchkommen", meinte er. "Es geht hier klar um Abschreckung, um den Schutz der Menschenrechte." Die Klägerin zeigte sich schockiert: "Wie kann eine Richterin nur so daneben liegen?" Der potenzielle Arbeitgeber äußerte sich dagegen zufrieden. "Wir fühlen uns bestätigt", sagte ein Vorstand.

"Aussortierung mit dem Auge"

Ist dies ein Einzelfall? Keineswegs, sagt die Berliner Autorin Gisela Enders, die Vorsitzende des Vereins Dicke e.V. im Interview mit der dpa. Allerdings sei Diskriminierung in Bewerbungen schwer nachzuweisen. Dicksein sei sowieso Ansichtssache.

Frau Enders, Dicke belasten das Gesundheitssystem, sie hängen nur auf der Couch rum, essen Chips und machen keine Diät. Kriegen sie solche Aussagen oft zu hören?
Gisela Enders: Wer Zeitungen liest, der wird auch mit solchen Vorurteilen immer wieder konfrontiert. Weil Politiker und andere sie erzählen und sie dadurch weitergetragen werden. Da geht es um falsche Informationspolitik, die auch von wirtschaftlichen Interessen gesteuert ist.

Das klingt aber sehr nach Verschwörung. Ist nicht eher das Schönheitsideal schuld?
Enders: Das kommt noch zu den wirtschaftlichen Interessen hinzu. Wir zeichnen ein Frauenbild, das mit Photoshop bearbeitet ist, wo also selbst die Frauen, die abgebildet werden, nicht der Realität entsprechen. Es sind Fotomodels mit Kleidergröße 34, die sich viel von Knäckebrot ernähren. Dadurch entsteht ein Bild, wie eine Frau zu sein hat, das für den normalen Homo Sapiens unerreichbar ist. Das gilt zunehmend auch für Männer.

Wie spürt ein dicker Mensch diese Diskriminierung im Alltag?
Enders: Die Gesellschaft lässt es zu, dass man die Aussage "Da ist jemand dick" verknüpfen darf mit der Aussage, diese Person sei nachlässig, dumm und mit anderen aus der Luft gegriffenen Vorurteilen. Das führt dann dazu, dass man zum Beispiel beim Arzt nicht ordentlich behandelt wird, dass man sich dumme Bemerkungen anhören muss oder eben auch keinen Job bekommt. Ich erinnere mich auch zum Beispiel an eine Arbeitslose, die kräftig abgenommen hatte und sich wieder beim Arbeitsamt vorstellte. Das kommentierte die Sachbearbeiterin mit dem Satz: "Dann kann ich Sie ja aus der Schublade für Schwerstvermittelbare herausnehmen."

Wie reagiert ein dicker Mensch im Normalfall?
Enders: Den typischen dicken Menschen gibt es nicht, es gibt ja auch nicht den typischen blonden Menschen. Die Reaktionen sind unterschiedlich. Es gibt Menschen, die sich zurückziehen und sich nur noch in den eigenen vier Wänden aufhalten. Und es gibt die selbstbewussteren, die Kontra geben und sich das nicht bieten lassen.

Sie spielen an auf eine Frau vor dem Darmstädter Gericht, die behauptet, einen Job allein wegen ihrer Körperfülle nicht bekommen zu haben. Ist das nur ein Fall von vielen oder eine Ausnahme?
Enders: Die soziale Stigmatisierung bei der Arbeitssuche ist gegeben, aber sie ist schwer nachzuweisen. Meistens werden Menschen ja allein schon wegen ihres Fotos aussortiert. Aber weisen Sie das mal jemandem nach. Bei anonymen Bewerbungen ist das nicht anders, da findet diese Aussortierung mit dem Auge nach dem Bewerbungsgespräch statt.

Ist der Weg vor Gericht der richtige?
Enders: Grundsätzlich finde ich es natürlich gut, weil dadurch das Thema wieder diskutiert wird.

Haben es dicke Menschen heute schwerer als früher?
Enders: Nein, nicht unbedingt. Bei denen, die sich richtig als dick wahrnehmen, hat sich nicht viel verändert. Aber mittlerweile mäkeln auch immer mehr Frauen und Männern an ihren Körpern rum, die wir früher gar nicht als dick wahrgenommen hätten.

Gibt es denn eigentlich das "normale" Gewicht oder ist das alles Ansichtssache?Enders: Nein, wir kommen als Menschen in einer Vielfalt auf die Welt. Und so wie es kleine und große Menschen gibt, so gibt es auch dünne und dicke. Wir sind nicht modellierbar. (dpa/tö)

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