Jährlich 3,7 Milliarden Euro für Software-Entwicklung

Bis 2025 sollen bei Bosch alle Produkte auf KI basieren

Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Bosch hat für 2020 eine ehrgeiziges Ziel: Die Schwaben wollen im Bereich KI zum Innovationsführer werden. Dazu investiert das Unternehmen jährlich 3,7 Milliarden Euro in die Software-Entwicklung.
Künstliche Intelligenz von Bosch soll künftig ein Predictive Maintenance auf der raumstation ISS rmöglich sein.
Künstliche Intelligenz von Bosch soll künftig ein Predictive Maintenance auf der raumstation ISS rmöglich sein.
Foto: 3Dsculptor - shutterstock.com

Im Zuge der Diskussionen um die Zukunft des Automobils (Dieselkrise, Elektromobilität) fiel Bosch 2019 eher durch negative Schlagzeilen auf: Der Autozulieferer kündigte für vier deutsche Standorte einen Stellenabbau an. Und mancher Chronist verortete die Schwaben bereits in die lange Liste der deutschen Unternehmen, die die digitale Zukunft verschlafen hätten und demnächst vor dem Aus stünden.

Eine Kritik, die so nicht berechtigt ist, denn auf der anderen Seite konnte sich die Bosch Gruppe mit einer eigenen IoT-Plattform oder Technologien für die Smart Factory einen Namen in Sachen Digitale Transformation machen. Nach IoT will sich das Stuttgarter Unternehmen jetzt verstärkt auf das Thema Künstliche Intelligenz (KI) konzentrieren. Zumal das weltweite Marktvolumen für KI-Anwendungen bis 2025 auf rund 120 Milliarden Dollar steigen soll, so die Prognose des US-amerikanischen Marktforschungsinstituts Tractica, das zur Informa-Gruppe gehört. Das ist nach den Berechnungen von Tractica zwölf Mal so viel wie 2018.

Fokus auf KI

Zum Predictive Maintenance lauschen die NASA-Roboter vom Type Astrobee auf ungewöhnliche Geräusche.
Zum Predictive Maintenance lauschen die NASA-Roboter vom Type Astrobee auf ungewöhnliche Geräusche.
Foto: NASA/Ames Research Center

Das Engagement des Unternehmens - das nach eigenem Selbstverständnis mittlerweile ein Technologie- und Dienstleistungsunternehmen ist, steht dabei unter dem Motto: "Beneficial AI. Building trust together". Der Fokus liegt, so Bosch, auf robuster und sicherer KI zur Herstellung von smarten Produkten. "Ab 2025 enthält jedes Bosch-Produkt künstliche Intelligenz oder wurde mit ihrer Hilfe entwickelt beziehungsweise produziert", konkretisiert Bosch-Geschäftsführer und CDO/CTO Michael Bolle das Ziel des Unternehmens.

Dazu investiert das Unternehmen jedes Jahr 3,7 Milliarden Euro in die Software-Entwicklung und beschäftigt nach eigenen Angaben derzeit mehr als 30.000 Softwareentwickler. Mit KI beschäftigen sich bei Bosch rund 1.000 Mitarbeiter. Zudem hat die Firma ein umfangreiches Schulungsprogramm ins Leben gerufen: "Innerhalb der kommenden zwei Jahre wollen wir annähernd 20.000 Mitarbeiter fit für KI machen", erklärt Bolle. Dazu beinhaltet das Programm Trainingsformate für Führungskräfte, Entwicklungsingenieure und KI-Entwickler auf drei unterschiedlichen Niveaus und schließt Leitlinien für den verantwortungsvollen Umgang mit KI ein. Hierfür haben die Stuttgarter einen eigenen KI-Kodex erarbeitet, der die Fragen nach KI-Sicherheit und -Ethik aufgreift.

Schwäbisches Cyber Valley als Antwort auf Silicon Valley

Modell des geplanten KI-Campus den Bosch in Tübingen baut.
Modell des geplanten KI-Campus den Bosch in Tübingen baut.
Foto: Bosch

Neben Aufwendungen für die Software-Entwicklung investiert Bosch weltweit in Kompetenzzentren. So stellt das Unternehmen 100 Millionen Euro für den Bau eines neuen KI-Campus in Tübingen, Deutschland, bereit. Der Bezug des neuen Forschungskomplexes ist für Ende 2022 angedacht. Dieser wird dann rund 700 KI-Experten Raum für den kreativen und produktiven Austausch bieten. Die Experten stammen dabei von Bosch, von externen Start-ups sowie von öffentlichen Forschungseinrichtungen. Der neue Campus soll den Experten-Austausch im Cyber Valley stärken. Das schwäbische Cyber Valley in der Region Stuttgart-Tübingen soll nach dem Vorbild des US-amerikanischen Silicon Valley dazu beitragen, Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in konkrete industrielle Anwendungen zu überführen. Forschungsschwerpunkte im Cyber Valley sind Robotik, Maschinelles Lernen sowie Computer Vision. An der Initiative sind die Unternehmen Bosch, ZF Friedrichshafen, Daimler, Porsche, BMW sowie Facebook beteiligt.

Sieben KI-Standorte

Im schwäbischen Cyber Valley in der Region Stuttgart-Tübingen arbeitet Bosch mit anderen Firmen an der Umsetzung konkreter industrieller Anwendungen (im Bild eine Fertigungslinie nach dem Baukastenprinzip).
Im schwäbischen Cyber Valley in der Region Stuttgart-Tübingen arbeitet Bosch mit anderen Firmen an der Umsetzung konkreter industrieller Anwendungen (im Bild eine Fertigungslinie nach dem Baukastenprinzip).
Foto: Bosch

Zudem unterhält Bosch im Rahmen seines Bosch Center for Artificial Intelligence (BCAI) weltweit sieben Standorte - unter anderem in den USA in Sunnyvale, Kalifornien, und in Pittsburgh, Pennsylvania. Im BCAI arbeiten derzeit insgesamt rund 250 KI-Spezialisten an mehr als 150 Projekten aus den Bereichen Mobilität, Produktion, Smart Home und Landwirtschaft.

Erste KI-Produkte

Das Engagement der Stuttgarter zeigt bereits erste Ergebnisse. So hat das Unternehmen eine Anwendung für die vorausschauende Wartung der Raumstation ISSentwickelt, ein System zum Beobachten des Fahrzeuginnenraums konstruiert, sowie eine smarte Plattform für die medizinische Diagnose realisiert oder die transparente digitale Sonnenblende Virtual Visor für das Auto.

Bosch-KI für Raumstation ISS

Das Bosch Senorsystem SoundSee soll mit KI-Algorithmen auf der ISS ungewöhnliche Geräusche erkennen.
Das Bosch Senorsystem SoundSee soll mit KI-Algorithmen auf der ISS ungewöhnliche Geräusche erkennen.
Foto: Bosch

Zu der ISS-Anwendung gehört das Sensorsystem SoundSee, das Ende 2019 ins All geschickt wurde. Es wird vom autonom fliegenden NASA-Roboter Astrobee aus in der Raumstation ISS ungewöhnliche Geräusche herausfiltern, mithilfe von KI-Algorithmen analysieren und signalisieren, wann eine Wartung erforderlich ist. Die Audio-Dateien sollen ab Frühjahr 2020 an eine von der NASA spezifizierte Bodenkontrollstation im Bosch-Forschungszentrum Pittsburgh gesendet werden. SoundSee, das kaum größer als eine Brotdose ist, wurde in den USA zusammen mit Astrobotic im Rahmen einer NASA-Forschungskooperation entwickelt.

Die smarte Plattform Vivascope soll künftig per intelligenter Zellanalyse bei der medizinischen Diagnose helfen.
Die smarte Plattform Vivascope soll künftig per intelligenter Zellanalyse bei der medizinischen Diagnose helfen.
Foto: Bosch

Weniger spacig ist dagegen die medizinische KI-Entwicklung Vivascope zur Zellanalyse. Hierbei handelt es sich um eine smarte Plattform, die bei der medizinischen Diagnose helfen soll. Vivascope kann, wie es heißt, die Proben von Blut und anderen Körperflüssigkeiten mikroskopisch vergrößern und digital abbilden, sowie mithilfe von künstlicher Intelligenz analysieren. Es sei in der Lage, Unregelmäßigkeiten in Zellen schnell und präzise zu erkennen und Ärzte bei Auswertung und Diagnose zu unterstützen.

CO2-neutrale Produktion dank KI

Doch KI fließt bei Bosch nicht nur in neue Produkte. Mit Hilfe von KI will das Unternehmen auch den Klimaschutz in seinen Werken voranbringen. An einzelnen Standorten nutzt beispielsweise eine unternehmenseigene Energieplattform intelligente Algorithmen, um Abweichungen im Energieverbrauch zu identifizieren. Allein dadurch konnte, so heißt es bei Bosch, in einigen Produktionswerken der CO2-Ausstoß innerhalb der vergangen zwei Jahre um mehr als zehn Prozent gesenkt werden. "Bis Ende 2020 werden alle unsere 400 Standorte weltweit klimaneutral gestellt sein und von der Entwicklung über die Produktion bis zur Verwaltung keinen CO2-Fußabdruck mehr hinterlassen. Für die deutschen Standorte haben wir das bereits realisiert", führt Bolle aus.

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