Bitte ein Kilo Konvergenz

20.11.2003
Dr. Thomas Hafen thafen@computerpartner.de

Es gibt Schlagwörter, die kann man einfach nicht mehr hören. Schon bei ihrer bloßen Erwähnung sträuben sich einem die Nackenhaare. Zu diesen negativ besetzten Begriffen gehören "Konvergenz" und "Voice over IP". Seit Jahren "im Kommen", wie uns die Marketingstrategen von Cisco & Co. weismachen wollen - und immer noch nicht da. Immer noch nicht da? Falsch, ganz falsch! Vor kurzem kündigte QSC einen VoIP-Service für Privatkunden an, Sony stellt Multimedia-PCs fürs Wohnzimmer in Serie vor, und Apples "I-Pod" ist als "Digital Hub" für Musik und Daten ein absoluter Renner.

Konvergenz ist also längst schon Realität, nur scheint es keiner so recht gemerkt zu haben. Zumindest die Hälfte der TK-Fachhändler ignoriert weiter das Thema, wie eine Umfrage des TK-Distributors Partners in Europe zeigt (siehe Seite 50 der vorliegenden Ausgabe): Während 50 Prozent der Befragten angaben, Konvergenzprodukte wie beispielsweise Computer Telephony Integration erfolgreich zu verkaufen, hat die andere Hälfte nichts damit am Hut.

Warum diese Händler sich verweigern, kann man nur vermuten. Vielleicht sind sie durchs Kistenschieben derart ausgelastet, dass sie zum Telefonhörer nicht auch noch Software verkaufen wollen. Vielleicht bekommen sie schon bei der Vorstellung graue Haare, einen "Konvergenzbeauftragten" abkommandieren oder ein "Kompetenzzentrum Konvergenz" gründen zu müssen. Wahrscheinlich sind sie aber von der Tatsache überzeugt, dass man Konvergenz nicht verkaufen kann. Und damit liegen sie absolut richtig. Kein Kunde - egal ob fürs Unternehmen oder für zu Hause - kauft sich eben schnell mal ein "Kilo Konvergenz". Aber wer beim Freund oder Kollegen gesehen hat, wie leicht sich Sprachnachrichten an E-Mail-Programme weiterleiten und dort verwalten lassen, der will diese Funktion vielleicht auch haben - und ist mittendrin im Konvergenzthema Unified Messaging.

Dumm nur, wenn der Händler seiner Wahl das nicht bieten will, weil das alles ja "so kompliziert" ist und nicht in sein Portfolio zwischen Kabel und TK-Anlage passt. Dann macht das Geschäft eben ein anderer, der ohne Berührungsängste und ohne den Anspruch, alles abdecken zu müssen, genau dort konvergente Lösungen anbietet, wo der Kunde sie haben will. Zugegeben, das erfordert ein bisschen Mut, Gespür für die Bedürfnisse der Kunden und den Willen, in neue Kompetenzen zu investieren. Aber es bedeutet sicher nicht, dass man Unsummen und Mannjahre investieren muss, damit man jedes Konvergenzthema, von der VoIP-Anlage bis zum Metro-Ethernet, abfeiern kann. Wer mutig, aber besonnen handelt und sich auf neue Geschäftsfelder einlässt, dort, wo der Kunde dies honoriert, wird auch in Zukunft zu den 50 und mehr Prozent der Händler gehören, die mit der ungeliebten Konvergenz gute Geschäfte machen - ohne sie unbedingt beim abgenutzten Namen nennen zu müssen.

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