Bluechip macht in Meuselwitz Dampf

06.08.2000
Bluechip war einer der ersten PC-Assemblierer in Ostdeutschland. Heute ist das Unternehmen ein Hoffnungsschimmer in einer strukturschwachen Region.

Hubert Wolf mag es nicht, wenn man ihn als Samariter der Region sieht, weil er den Menschen in und um Meuselwitz Arbeit verschafft. "Bei allem Leid wegen der hohen Arbeitslosigkeit: Wir sind in erster Linie Unternehmer, die eben unternehmerisch denken und entscheiden", meint der Gründer und künftige Vorstandsvorsitzende der Bluechip AG. Dass das Altenburger Land einen wie ihn gut brauchen kann, steht außer Frage. Bei einer offiziellen Arbeitslosenquote von 23 Prozent kommt Wolf, der schon heute 117 Leute beschäftigt und bis in vier Jahren die Mitarbeiterzahl auf 300 aufstocken will, wie gerufen. Groß geworden ist Bluechip mit dem Assemblieren von PCs. Gegründet wurde das Unternehmen 1992.

Unternehmerisch denken und entscheiden kann der Bluechip-Gründer, sonst hätte das Unternehmen nicht gerade in eine AG umfirmiert. Im gerade zu Ende gegangenen Geschäftsjahr hat die Bluechip Computer GmbH einen Umsatz von 114 (Vorjahr: 94) Millionen Mark erwirtschaftet (siehe ComputerPartner 21/00, Seite 14). Das ist zwar etwas weniger als im Dezember geplant war (damaliges Ziel: 126 Millionen Mark), aber das schwache PC-Geschäft in den vergangenen Monaten hat die Planung von Bluechip wie in der gesamten IT-Branche über den Haufen geworfen. Im Jahr 2004 will Bluechip die 400-Millionen-Mark-Umsatzgrenze durchbre-chen. 53.000 PCs sollen in dem im November bezogenen Gebäude in Meuselwitz heuer zusammengeschraubt werden. Die weitläufigen Hallen, Reste einer ehemaligen Gummifabrik, sind innen so großzügig ausgelegt, dass dort in vier Jahren 200.000 Rechner jährlich assembliert werden können.

Weil der Umzug erst kürzlich stattgefunden hat, sind die Anlagen neu. Die Folge: Bei Bluechip wird mit hoher Produktivität und geringeren Kosten gearbeitet. Ganz im Gegensatz zu anderen ostdeutschen Betrieben, deren Produkte oft nicht konkurrenzfähig sind, weil sie mit veralteten Anlagen zu teuer hergestellt werden.

Auf Herz und Nieren getestet

Mit der Qualität der Bluechip- und Funline-PC-Linie grenzt sich die Bluechip-Mannschaft vom Mitbewerb ab. "So lange die Thücobs und Cobbits dieser Welt ihre Produkte so weiterbauen wie bisher, brauchen wir uns keine Sorgen zu machen", meint Wolf. Frank Oelsch, zuständig für die Qualitätsprüfung, erklärt, wie Bluechip sicherzustellen versucht, dass die Ausfallrate bei drei Prozent bleibt: "Die Fehlerkurve der Komponenten sieht aus wie eine Badewanne: Zuerst sehr steil und dann sehr flach. Wir versuchen, den steilen Abschnitt bei uns zu erwischen."

Von Haus aus liefert Bluechip die Systeme mit dreijähriger Garantie aus. Um dabei nicht den Kürzeren zu ziehen, testet Bluechip die Rechner auf Herz und Nieren. Dementsprechend gelassen steht der Bluechip-Gründer dem Thema A-Marke oder Handelsmarke gegenüber: "Der Name, der vorne dran steht, ist für unsere Kunden zweitrangig, wir stehen für Qualität." Der PC-Assemblierer kann in den neuen Hallen nicht nur vier von fünf CE-Prüfkriterien selbst testen, auch auf bald aktuell werdende Themen wie die EU-Rücknahme-Verordnung ist man vorbereitet. Dass die PCs dann etwas teurer sind als die des Mitbewerbs, gehört dazu. "Systemhäuser sollten den Unterschied zwischen Preis und Kosten kennen und die Zuverlässigkeit schätzen", meint Wolf selbstbewusst.

Einmal doch verrechnet

Trotz allen unternehmerischen Denkens - oder vielleicht gerade deswegen - hat er sich einmal aber doch fast verrechnet. Nämlich als er seine PCs über Lebensmittelketten absetzen wollte, ganz nach dem Fujitsu-Modell. Der Vertrag sah vor, dass Bluechip in einem Monat 6.500 Rechner liefern sollte, und das zusätzlich zu den bestehenden Aufträgen und kurz nach dem ohnehin anstrengenden Weihnachtsgeschäft. Die Unternehmenskultur habe da stark gelitten, die Mitarbeiter waren überarbeitet, und viel verdient habe man damit auch nicht. "PCs über Lebensmittelketten anbieten? Davon bin ich geheilt", erklärt Wolf. Weil die Liefertermine der angestammten Kunden, Fachhändler und Systemhäuser, sehr unter diesem Experiment gelitten hatten, hat sich Bluechip danach entschuldigt. Alle Liefertermine werden seitdem schriftlich bestätigt. Innerhalb von zwei Werktagen sind die individuell konfigurierten Rechner beim Kunden.

Noch ist Bluechip vor allem regional ein starker Player. Wolf ist 100 Meter von seinem jetzigen Unternehmenssitz zur Schule gegangen, die Kunden kommen noch vorwiegend aus dem Osten. Damit die Stückzahlen so wachsen wie geplant, muss Bluechip im Westen zulegen. Dass das möglich ist, hat schon einmal ein Produkt aus dem Altenburger Land gezeigt, nämlich das Skatspiel. Kein Wunder also, dass Wolf im Skatjargon bleibt, wenn er an die Zukunft seines Unternehmens denkt: "Wir werden alle Trümpfe ausreizen." (is)

www.bluechip.de

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