Börse sieht "Sicherheitsprobleme als Chance"

29.11.2001
Das erhöhte Sicherheitsbedürfnis sorgt für Schwung in der Biometrie. Die Computerindustrie könnte davon profitieren. An den Aktienkursen ist dies bisher nur vereinzelt erkennbar.

Die Biometrie teilte das Schicksal mancher Technologietrends. Viel versprechend und hoch gelobt hat sich die Erkennung körpereigener Merkmale am Markt bisher nicht durchgesetzt. "Biometrie funktioniert, und das freut alle. Aber für den breiten Einsatz ist sie noch nicht reif", sagte ein Analyst der US-Marktforschungsfirma Meta Group Mitte vorigen Jahres.

Nur rund 100 Millionen Dollar wurden 1999 damit umgesetzt, davon 60 Prozent in den USA. Aber was technisch machbar ist, soll nach den Anschlägen von New York und Washington nun auch hierzulande Einzug halten. Die konsequente Nutzung der Biometrie ist einer der zentralen Punkte im Sicherheitspaket von Bundesinnenminister Otto Schily (Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus). Welche Merkmale in den Dokumenten gespeichert werden, ist noch offen (siehe Kasten). Von der Informations- und Kommunikationstechnikbranche wird die Absicht größtenteils begrüßt.

Bei einschlägigen Aktien finden sich auch Nieten

Die Börse hat sich für Biometrie lange Zeit kaum interessiert. Doch jetzt sieht sie, so Analysten, die "Sicherheitsprobleme als Chance". Bis der Trend an Fahrt gewinnt, scheint es indes noch zu dauern. Sieht man sich bei den einschlägigen Aktien um, findet man auch Nieten. Die Kurse von weniger bekannten Biometriespezialisten wie beispielsweise Iridian, Safelink (Software), Keyware (Spracherkennung) oder Recognition Systems (Handgeometrie) dümpeln seit Monaten auf niedrigem Niveau dahin.

Einer der wenigen Ausreißer ist die Aktie von Viisage Technology. Der Kurs schoss schlagartig im Oktober von 2,5 auf 17 Euro hinauf und notierte Mitte November bei zehn Euro. Die Software zur Gesichtserkennung von Viisage sucht an Flughäfen nach verdächtigen Subjekten. Laut Vorstand hängt die Wirksamkeit wesentlich vom eingespeisten Basismaterial ab - je mehr, desto besser. Hier haken Oracle-Chef Lawrence Ellison und andere Industrieexperten ein, die vom Verkauf von noch mehr und noch leistungsfähigeren Datenbanken profitieren.

Aber der Schlüssel ist die schlauere Software, um "aus den riesigen Datenmengen schnell Brauchbares herauszufiltern", stellt das US-Magazin "Business Week" fest. Denn die bisherigen Resultate lassen zu wünschen übrig. Das Computer Assisted Passenger-Screening-System (CAPS) hat die September-Terroristen laut "Business Week" allesamt nicht erkannt. Die Technik könnte besser sein. Ein neues Produkt hat der US-Softwarefabrikant Sybase im Programm, ohne dass die Aktie bisher davon profitiert hätte.

Biometrische Methoden können überall eingesetzt werden, wo man bislang eine PIN (Persönliche Iden-tifikationsnummer) oder ein Passwort braucht - zum Beispiel in der Gebäudesicherung oder am Geldautomaten. In Nuklear-Kraftwerken wird die Zugangsberechtigung zu bestimmten Bereichen mit einem System zur Gesichtserkennung kontrolliert.

Das Rechenzentrum der Deutschen Bank in Eschborn und Microsoft Europe in München sind ähnlich ausgestattet. Bereits 1997 stellte der Geldautomatenproduzent NCR auf der Cebit ein System vor, dessen Irisscanner die deutschen Sicherheitsfachleute eine "bestechende Erkennungsleistung" bescheinigten. Aber solche Geräte sind offenbar noch zu teuer, oder es hapert bei der Kundschaft mit der Akzeptanz. NCR verdient dennoch gut, entsprechend ordentlich hält sich der Aktienkurs.

Sichere Sache: Chipkarte plus Biometrie

Auch die Kombination aus Chipkarten und Biometrie scheint eine sichere Sache zu sein. Utimaco Safeware stellte Safeguard Biometrics vor, eine Smartcard-basierende Sicherheitslösung zur Authentisierung, Verschlüsselung und digitalen Signatur, die einen biometrischen Schlüssel nutzt. Die Per-formance der IT-Security-Aktien am Neuen Markt, wozu Utimaco gehört, ist infolge der mageren Ertragslage bislang aber dünn. So verpuffte die Kursrallye des an sich zukunftsträchtigen und schon öfters groß herausgestellten Computersegments rasch. Auch einschlägige US-Papiere wie Check- point Soft, Verisign oder Entrust gingen nach den Anfangsgewinnen wieder zurück.

Das in biometrischer Technologie tätige größte US-Unternehmen Indentix führte mit Kursen zwischen einem und vier Dollar jahrelang ein Schattendasein, obwohl der Umsatz zwischen 1990 und 1995 von 1,2 auf 27 Millionen Dollar stieg. Inzwischen ist er bei 83 Millionen Dollar angelangt. So riss der Kurs Anfang des Jahres 2000 von 8,5 auf 35,5 Dollar aus, fiel allerdings dann auf vier Dollar zurück. Im Oktober führten die Ereignisse zu einer Verdreifachung auf zwölf, jetzt ist er wieder bei acht Dollar angelangt. Die Scan-Technik von Identix ist an acht US-Flughäfen im Einsatz. Großkunde ist das US-Verteidigungsministerium. Erstaunlicherweise macht das Unternehmen seit 1986 mit Ausnahme der Jahre 1996 bis 1998 Verluste.

Prognose: Umsätze sollen explodieren

Die Analysten von Value Line in New York führten das auf die fehlende kommerzielle Akzeptanz für die Fingerabdrucklesegeräte, Gefängnissicherheits- und Verifizierungssysteme zurück. Andere Experten raten, wegen des riesigen Potenzials die Aktie zu kaufen. Glaubt man den Prognosen der Marktforscher, dann werden die Umsätze mit biometrischen IT-Produkten regelrecht explodieren. Frost & Sullivan prognostizierte bereits vor dem Terroranschlag ein Marktvolumen von 2,6 Milliarden Dollar im Jahr 2006. Jedoch ist auch die Konkurrenz in der Alltagsbiometrie riesig. Siemens gehört zu den Anbietern von Systemen zur Iris-Kontrolle. Den Münchner Flughafen rüstet der Konzern mit neuen Chipkarten aus.

Halbleiterhersteller Infineon entwickelte einen Chip für das Scannen von Fingerabdrücken. Der ge-scante Fingerabdruck dient als Zugangsausweis zum PC-Arbeitsplatz. Ein Sensorchip zwischen den Maustasten oder den Tastaturen erkennt den Finger des Users. Wenn die Daten nicht übereinstimmen, verweigert das System die Anmeldung. Neben vielen kleineren Firmen sind hier auch Konzerne wie Acer oder Fujitsu tätig. (kk)

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