Branche ist sich einig: Digitalkamera-Boom wird noch über Jahre anhalten

27.03.2003
Rund 2,5 Millionen digitale Knipser gingen in Deutschland im vergangenen Jahr über den Ladentisch. Wer glaubt, dass eine allmähliche Sättigung des Marktes oder stagnierender Absatz eintreten, irrt sich gewaltig, die Absatzzahlen schwellen weiter an. Allerdings macht die voranschreitende und heftige Preiserosion den Herstellern wie auch dem Handel arg zu schaffen.

"Wir rechnen mit einem Absatz von mindestens 3,5 Millionen Digitalkameras in diesem Jahr, gibt der bei Sony Deutschland zuständige Manager Christian Lücke eine Prognose gegenüber ComputerPartner ab. Mitbewerber wie Branchenprimus Canon oder der auf Rang zwei noch vor Sony liegende Hersteller Olympus bestätigen die Einschätzung unisono. Gerade im vergangenen Jahr hat der Markt extrem zugelegt. "Im Zeitraum November bis Januar 2003 konnten wir doppelt so viele Digitalkameras verkaufen wie noch ein Jahr zuvor", berichtet Jürgen Schmitz, General Manager Marketing bei der Canon Deutschland GmbH in Krefeld.

Dabei hätte die Zahl noch weitaus höher liegen können. Doch die enorme Nachfrage im Weihnachtsgeschäft hat viele Branchenteilnehmer völlig überrascht. Viele Anbieter hatten mit Lieferschwierigkeiten zu kämpfen. Für die kommende Zeit glaubt man inzwischen gerüstet zu sein. Kein Hersteller will sich die Butter vom Brot nehmen lassen, weil ihn Allokationen plagen. Das dürfte die bereits einsetzende stark voranschreitende Preiserosion und den erheblichen Verfall der Margen allerdings noch zusätzlich beschleunigen, wie Marktexperten vermuten.

Zwischen den Absätzen nach Wert und denen nach Stückzahlen wird sich in den kommenden Jahren sicherlich eine deutliche Kluft auftun. Marktkenner gehen deswegen davon aus, dass der eine oder andere Anbieter von der Bildfläche verschwinden oder als Geschäftsbereich aufgeben wird.

In der Branche, so heißt es hinter vorgehaltener Hand, macht bereits Verluste, wer sich auf Marktposition vier oder dahinter befindet. Dabei sind die Aussichten eigentlich glänzend. "In Deutschland beträgt die Marktdurchdringung derzeit nur zwölf Prozent, bei den analogen Kameras liegt sie bei 80 Prozent. Ich bin überzeugt, dass dieser Wert auch mit Digitalkameras erreicht wird", ist sich Lücke sicher.

Der Fernseher rückt immer mehr in den Mittelpunkt

Auch die immer höheren Auflösungen der Digitalkameras, bei denen sich so mancher Anwender allmählich fragt, wofür sie überhaupt gebraucht werden, sieht der Sony-Mann keineswegs als Bremsschuh an. Anders als bei den herkömmlichen Kameras steht bei den digitalen Geschwistern der Ausdruck auf Fotopapier nicht im Vordergrund. Bei den Kölnern geht man davon aus, dass der Fernseher verstärkt als Wiedergabegerät herhalten wird. Dia-Abende sollen eine Renaissance erhalten, bei Kartoffelsalat und Wiener Würstchen flimmern die digitalen Urlaubsfotos über die Mattscheibe, so die Vorstellung.

Auch der verstärkte Einzug der überbreiten Plasma-Bildschirme in die Wohnzimmer der Konsumenten wird dazu beitragen, dass die elektronischen Schnappschüsse nicht nur auf dem heimischen PC betrachtet werden. Immer mehr TV-Geräte werden deshalb mit Einschüben für allerlei Speicherkarten ausgestattet. "Das Thema Fernseher und digitale Kamera ist noch lange nicht ausgereizt. Da gibt es noch Potenzial", glaubt Lücke.

Profibereich beginnt sich zu entwickeln

Auch Canon-Manager Schmitz hat bereits eine Zielgruppe für die hochauflösenden Kameras ausgemacht. Auf gut der Hälfte aller in Deutschland befindlichen Spiegelreflexkameras prangt das Canon-Logo. Das sind zumeist Fotobegeisterte mit gehobenen Ansprüchen, dazu noch sehr loyal, was die Marke anbelangt. "Es sollte uns doch gelingen, mindestens 20 Prozent der Besitzer dazu zu bewegen, sich zusätzlich ein digitales System zu kaufen", so Schmitz gegenüber ComputerPartner. Und reibt sich die Hände: "Da entsteht gerade ein Markt, der vom Wert her gesehen äußerst lukrativ ist."

Nach wie vor bemängelt wird das unterdurchschnittliche Engagement in Sachen digitale Fotografie seitens des IT-Fachhandels. Gerade mal schlappe sieben Prozent aller Olympus-Geräte werden beispielsweise über Computerhändler und Systemhäuser vertrieben, wie Unternehmenssprecherin Annette David zu berichten weiß. Das Gros der Produkte wird über den klassischen Fotofachhandel abgesetzt, gefolgt von den Großflächenvermarktern, dem Versandhandel und den UE-Händlern.

Auch bei den anderen Anbietern sind die prozentualen Anteile ähnlich gelagert. Hersteller Sony hat deshalb aus diesem Grund die Zusammenarbeit mit seinen IT-Distributoren verstärkt und ein Team gebildet, das den Fachhandel betreut. Gleiches gilt für Canon, speziell aufgesetzte Schulungsangebote sollen IT-Händler für den Verkauf dieser Produkte begeistern. Möglicherweise ist auch der rapide Margenverfall bei der Produkte der Grund dafür, dass der IT-Fachhandel sich bisher wenig für Digitalkameras begeistert.

"Es lohnt sich trotzdem. Vor allem, weil Zusatzprodukte wie Drucker oder Scanner verkauft werden können. Und das Zubehörgeschäft ist nach wie vor sehr lukrativ", setzt Canon-Manager Schmitz dem entgegen. Auch Sony-Mann Lücke verspricht den Händlern, dass man mit den Kameras nach wie vor gutes Geld verdienen könne. Die Kölner sind bekannt dafür, dass sie sich für ein konstantes Preisniveau ihrer Produkte stark machen - quer über alle Vertriebskanäle.

Der "Pixel-Krieg" gilt als beendet

Wenigstens scheint nunmehr der mühsame Wettlauf um immer höhere Auflösungen, der die Branche bis dato prägte, vorbei zu sein. "Der Pixel-Krieg der letzten Jahre ist sicherlich beendet. Verstärkt in den Vordergrund treten wird die Ausstattung der Geräte", ist sich Lücke sicher. Technische Raffinessen wie eine verbesserte Bildaufbereitung und qualitativ hochwertige Objektive sind sicherlich Merkmale, die die Kamera-Marketiers künftig verstärkt betonen werden. Auch das Design der Kameras sowie Haptik und Anmutung der Geräte haben einen sehr hohen Stellenwert in der Käufergunst, wie auch Canon-Manager Schmitz hervorhebt: "Das Thema Fotografie ist und bleibt von Emotionen geprägt."

www.canon.de; www.olympus.de

www.sony.de

ComputerPartner-Meinung

Der Markt für digitale Kameras ist gewaltig und besitzt nach wie vor ein gewaltiges Potenzial. Doch leider ist die Branche nach der unermüdlichen Jagd nach Marktanteilen drauf und dran, einen möglicherweise verheerenden Preiskrieg zu führen, über dessen Sinnhaftigkeit es müßig ist zu diskutieren. Ein Shake-out bei den Herstellern dürfte in naher Zukunft beginnen. IT-Händler, die in diesem Segment bereits tätig sind oder den Einstieg planen, sollten den Markt genau unter die Lupe nehmen und unter ständiger Beobachtung halten. Sicherlich lukrativ ist der gehobene Bereich. Etliche Retailer, die Preis-Angstgegner vieler IT-Fachhändler, haben das Premium-Segment mittlerweile aus dem Sortiment genommen, die Beratungsleistung kann dieser Vertriebskanal kaum erbringen. (cm)

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