Branchenbrief der Raiffeisenbank München: Computershop Bayern

09.03.1998

MÜNCHEN: Für die meisten Banken ist die Gründung eines Computershops in Deutschland immer noch ein heißes Eisen - und dementsprechend vorsichtig vergeben sie auch Kredite oder sonstige Hilfen. Die Raiffeisenbank München gibt in ihrem Branchenbrief 094 m "Computershop Bayern" Einblick in ihre Einschätzung des Marktes und liefert Gründe für und wider eine Existenzgründung in diesem Bereich.Der Computermarkt ist ein Wachstumsmarkt, auf dem Prognosen über zukünftige Entwicklungen so schnell veralten wie neue Techniken eingeführt werden. Diese Lawine von Neuentwicklungen hat weltweit zur Verwirrung der Käufer beigetragen. Die Folge ist ein seit Jahren unvermindert anhaltender Preisdruck, der oft eine Kaufzurückhaltung bewirkt. Die Käufer fragen sich, ob sie in einem halben Jahr die gewünschte Ausstattung nicht zum halben Preis bekommen.

Die Expertenschätzungen in bezug auf lohnende Marktsegmente und Wachstumschancen innerhalb der Branche lassen sich nur schwer auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Auch die stetig wachsenden Umsatzzahlen der Branche sagen gerade für den Neueinsteiger wenig aus, da sie die immer größer werdende Beherrschung des Marktes durch die erfolgreichen Branchenriesen nicht deutlich machen.

Steigende Umsätze im Computerbereich sagen nichts aus

Die Zahl der Pleiten ist unter den Computerhändlern enorm hoch, und in der Mehrzahl betrifft dies Firmen, die jünger als zwei Jahre sind. Fachleute raten heute sogar fast ausnahmslos von einem Einstieg in den Computerhandel ab. Selbst mit einer ausgeprägten Nischenpolitik, einer genau angepeilten Zielgruppe und

einem guten Kapitalpolster ist der Start hier ausgesprochen schwierig. Personalcomputer mit immer leistungsfähigeren Prozessoren werden zunehmend in die heutigen Leistungsbereiche von Großrechnern vordringen. Hier muß vor allem die Kompetenz der Händler durch Schulungen wachsen.

Hohe Zuwachsraten sollen die "Tragbaren" bringen, Laptops - die immer kleiner und leistungsfähiger werdenden, Computer im Aktentaschenformat. Derzeit verbuchen die Umsätze von tragbaren PCs und elektronischen Notizbüchern (Notebook-PC), auch mit Telefaxanschluß, zweistellige Wachstumsraten. Nach Schätzungen von Marktforschern werden sie jedoch nicht mehr als 16 - 17 Prozent Marktanteil erreichen können.

Schulung und Service werden immer wichtiger, um bestehen zu können

Auch den Märkten für sogenannte "Arbeitsstationen" (Workstations) und Lan-Ausstattungen (lokale Netzwerke) werden weiterhin gute Wachstumsraten vorausgesagt. Trotz der enormen Preissenkungen werden gute Umsätze auf diesen Teilmärkten erzielt, da ständige Innovationen eine anhaltende Nachfrage auslösen.

Der DV-Markt insgesamt, speziell aber in Hinsicht auf die Zielgruppen, ist durch einen Strukturwandel gekennzeichnet: Dem weiten Bereich "Software & Service" - inklusive der Systemintegration, das heißt, dem Zusammenfügen der Hard- und Software verschiedener Anbieter zu einem Gesamtsystem - kommt eine immer größere Bedeutung zu. Schulung und Service werden immer wichtiger für Computershops, um auf dem hart umkämpften Markt bestehen zu können.

Bis Multimediageräte ihren Durchbruch erleben, werden noch einige Jahre vergehen, Nach Vorhersage der Prognos AG können in den nächsten fünf Jahren maximal 25 bis 30 Prozent der Haushalte für Multimediadienste gewonnen werden. Bis zum Jahr 2.000 soll in 40 Prozent der Haushalte ein PC stehen. Etwas mehr als die Hälfte der Computer werden multimediatauglich sein, etwas weniger werden über einen Online-Anschluß verfügen. Erst im Jahr 2010 soll es in 80 Prozent der Haushalte einen PC geben, wobei die Geräte auch fast alle multimedial und online einzusetzen sind.

Angstgegner Direktvertrieb und Handelsketten

In bezug auf gewerbliche Käufer und Freiberufler könnten außerdem steuerliche Umstände den erhofften Absatzboom bremsen: Die Finanzämter versagen multimediafähigen PCs die steuerliche Absetzbarkeit als Betriebsausgaben/Werbungskosten, da eine partielle private Nutzung nicht glaubhaft auszuschließen ist*. Anders liegt der Fall bei Profisystemen, wie sie in Werbeagenturen, Erstellern von Multimedia-Shows, Videobearbeitern und dergleichen zum Einsatz kommen. Hier wiederum liegt jedoch, auf den jeweiligen Standort des Computershops bezogen, in der Regel nur ein sehr kleines Absatzsegment vor. Zum jetzigen Zeitpunkt mit einem Computershop zu starten, erfordert nicht nur technischen Sachverstand und Computerwissen, sondern vor allem hartes kaufmännisches Rechnen. Denn für den einzelnen Händler ist der Markt in den vergangenen Jahren immer enger geworden und der Kapitaleinsatz sprunghaft angestiegen. Ein Großteil der Geräte wird nämlich über zwei andere Vertriebswege verkauft, gegen die es sich zu behaupten gilt: Dies sind zum einen der Direktvertrieb vom Hersteller zum Kunden und zum anderen die großen Handelsketten und Franchisesysteme, die durch Großeinkauf günstige Konditionen aushandeln können. Der kleine Händler hat dagegen oft damit zu kämpfen, seine Mindestumsätze pro Hersteller zu erzielen.

Insgesamt verläuft die Entwicklung ähnlich wie einst im Lebensmitteleinzelhandel: Weg von den "Tante-Emma-Computer-Läden" hin zu Ketten und großen Vertriebssystemen. Knapp 4.000 Computerhändler mit Umsätzen zwischen drei und 300 Millionen Mark pro Betrieb konkurrieren in den alten Bundesländern um Kunden. Manche sind in einer kleinen lokalen Nische tätig, andere beliefern regional eine breite Palette von zumeist gewerblichen Abnehmern.

Aufs Gemüt schlagen den Computershops auch der permanente Preisverfall bei den Geräten und die teilweise ruinösen Rabatte. Die Listen mit den empfohlenen Herstellerpreisen etwa gelten unter Experten längst als Makulatur. Fachleute ziehen von diesen Preisen von Haus aus erst einmal 15 Prozent ab. Rabatte inklusive, gehen die Geräte bis zu 40 Prozent unter Listenpreis weg. Größeren Abnehmern werden von Fachhändlern schon mal 30 Prozent Rabatt angeboten, ohne daß der Kunde feilschen muß. Die Händler können deshalb allein durch den Verkauf von Hardware kaum noch etwas verdienen. Eigentlich, so wird bisweilen zugespitzt formuliert, zahlen die Kunden für Service, Betreuung und Beratung, den PC gibt es quasi umsonst dazu. Der Ruf der Billiganbieter von PCs - häufig steht in der Preisliste lapidar: "Tagespreise auf Anfrage" - ist im übrigen nicht der beste. Beratung und Service kommen zu kurz, der Kunde ist der Dumme.

Experten raten vom Einstieg in den Computerhandel ab

Aus all dem folgt, daß der Handel mit schnellen Rechnern ein knallhartes Geschäft geworden ist. Für die Kleineren reicht das reine Computer-Verkaufen oft nicht mehr, der Trend geht zu Spezialisierung, Dienstleistung, Schulung und Software. Gut im Geschäft sind mancherorts beispielsweise Anbieter von kompletten Lösungen (Hardware, Software, Schulung, Service), etwa für Zahnärzte oder vollständige Netzwerklösungen. Bereits 500 dieser sogenannten "Systemhäuser" haben sich hierzulande etabliert, die Zahl der reinen Computerfachhändler wird auf 2.500 bis 3.000 geschätzt. Daher raten Fachleute den Händlern zu einer gründlichen Markt- und Standortanalyse, in der die möglichen Anwenderbranchen im Einzugsgebiet ermittelt werden.

(In einer der nächsten Ausgaben lesen Sie, ebenfalls aus dem Branchenbrief der Raiffeisenbank München: Möglichkeiten der Finanzierung)

*Diese Regelung ist nach der

neuesten Gesetzgebung überholt (Anm.d.Red.)

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