Briefkasten gesucht!

24.04.2003
Was die Wirtschaft aus den 70ern lernen sollte

Der Weg zum gelben Kasten, der meine nicht virtuelle Korrespondenz schluckt, ist weiter geworden. Nach den Telefonzellen und der Kastration des öffentlichen Nahverkehrs sind es heuer die Briefkästen, die auf der Abschussliste der Privatisiererstehen. Anscheinend soll mehr konsumiert als kommuniziert werden. Nachdem halb Deutschland auf der Retrowelle schwimmt und nach den Achtzigern die Siebziger ins Visier genommen hat, treten auch Erinnerungen an die damalige Infrastruktur wieder ins Bewusstsein. Das waren noch Zeiten, als das Fernsehen öffentlich-rechtlich war und Gewerkschaften etwas Gutes. Weniger Staat wurde damals gefordert, mehr Wirtschaft gefördert. Hotpants und Plateausohlen entwickelten eine Generation Jugendlicher ohne alte Schuldgefühle und mit der Option, alles erreichen zu können. Diese Zeit wird einmal als eine Blütezeit der Kultur beschrieben werden. Weder vorher noch nachher wurden Kunst, Musik, Bildung und die sonstige Lebensqualität gemeinsam auf einem so hohen Niveau geführt. Und die Wirtschaft boomte. Trotz Ölkrise. Trotz 6,4 Prozent Gehaltsforderung. Trotz Willy Brandt. Es wurde nach Lösungen der Weltnöte geforscht. Der Kampf gegen Krieg, Hunger und Ungerechtigkeit schärfte das Bewusstsein des Verbrauchers. Öko war in, Arbeitslosigkeit Thema des Geschichtsunterrichts. Inzwischen wird das Rad kräftig zurückgedreht. Galt es damals, Gutes zu verbessern, wird heute Schlechtes nur häufiger und billiger gemacht. Masse statt Klasse. Ob Kultur, Gesundheit, Bildung, Stütze oder das TV-Programm, das Niveau droht in längst vergangene Zeiten abzurutschen. Die Verantwortlichen für den Richtungswechsel genießen bereits ihren staatlich abgesicherten Luxusruhestand auf unsere Kosten. Deren Rente war wirklich sicher. Die heutigen Ängste um Arbeitslosigkeit und finanzielle Versorgung im Alter belasten nicht nur die Sozialkassen, auch die Kaufkraft lässt in wirtschaftlich unsicheren Zeiten nach. Doch gerade die Umsätze sind es, die wir jetzt dringend benötigen. Reformen stehen an, und auch diesmal kann ich mir eine Verbesserung der Konjunktur nicht vorstellen. Nur wer Geld verdient, kann auch unsere Produkte kaufen! Momentan fehlt eben so einiges am Standort Deutschland, nicht nur Briefkästen!

Mein Fazit: Wir sollten den Leuten das Geld abnehmen, bevor es Staat und Versicherungen tun. Und ein bisschen zurückgeben. Wie in guten alten Zeiten.

Bis demnächst, euer Querschläger!

Der ComputerPartner-Autor "Querschläger" ist Fachhändler in Rheinland-Pfalz.

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