Browser-Company auf Schlingerkurs: Netscape-Partner sind verunsichert

20.02.1998

MÜNCHEN: Der einstige Börsenüberflieger gerät zusehends ins Trudeln, Netscape ist tief in die Verlustzone gestürzt. Nun mehren sich die Gerüchte um einen möglichen Aufkauf der Softwareschmiede. Auch in die Riege der Partner kehrt Verunsicherung ein, das Lager ist gespalten.Wir müssen in Zukunft profitabel arbeiten. Denn ohne Profit nützt uns der Umsatz gar nichts", bringt Rainer Caspari, Vertriebsleiter der Netscape Deutschland GmbH in Halbergmoos, die derzeitige Misere auf den Punkt. Denn die Ergebnisse des letzten Geschäftsjahres sehen alles andere als rosig aus: Zwar sind die Umsätze 1997 weltweit um 54 Prozent auf 533,6 Millionen Dollar gestiegen, doch die Gewinne sind ausgeblieben. So mußte das Unternehmen einen Nettoverlust von rund 115 Millionen Dollar hinnehmen. Schuld daran seien vor allem der Zukauf der Firmen Kiva und Actra sowie Kosten für die Umstrukturierungen gewesen.

Nun driftet das Unternehmen von seinen einstigen Zielen immer weiter ab. Denn noch vor gut einem Jahr erklärte Geschäftsführer Karl Klarmann gegenüber ComputerPartner: "Wir müssen in sehr kurzer Zeit eine Milliarde Dollar machen, sonst laufen wir ernsthaft Gefahr, daß wir doch noch aufgekauft werden." Dieses Umsatzziel ist laut Caspari heute nicht mehr relevant, und Karl Klarmann wird ab Mai 1998 nicht mehr auf der Gehaltsliste von Netscape stehen, sein Büro ist schon heute verwaist, ein Nachfolger nicht in Sicht.

Nachdem die Amerikaner - nach Expertenmeinung aufgrund des zunehmenden Drucks seitens Mitbewerber Microsoft - mit der kostenlosen Abgabe ihres Browsers kein Geld mehr verdienen, soll nun der Absatz der Server-Software vorangetrieben werden, um die leere Kasse wieder zu füllen. Distributoren, Partner und Händler von Netscape sind dazu geteilter Meinung. "Durch seine offenen Standards bereitet Netscape den Weg in die Zukunft", glaubt Vertriebsleiter Thomas Geiger von Netscape-Partner Danet GmbH in Darmstadt. "Früher mußten wir immer gegen den Browser von Microsoft argumentieren. Das ist jetzt nicht mehr so", stimmt auch Richard Hellmaier, Vorstandvorsitzender des Münchner Distributor Computerlinks AG, der Strategie von Netscape zu.

Doch nicht jeder äußert sich so zuversichtlich. "Die Produkte sind fehlerhaft, und der Support, den Netscape seinen Partnern angedeihen läßt, ist nach wie vor mehr als dürftig", meldet sich ein Münchner Händler kritisch zu Wort. "Die Aktie ist im Keller. Lange machen die es nicht mehr", lautet seine Prognose. "Die Freigabe des Communicators führt im Moment zu Umsatzausfällen", räumt auch Geiger ein. Ein weiterer Partner, der ebenfalls ungenannt bleiben möchte: "Die Zeichen stehen für Netscape auf Verkauf." (gn/cm)

Der deutsche Netscape-Statthalter Karl Klarmann hat den ins Trudeln geratenen Überflieger mit unbestimmten Ziel verlassen.

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