Bruderkrieg tobt bei Microsoft Business Solutions

29.08.2002
Die Integration der beiden übernommenen ERP-Hersteller Great Plains und Navision bereitet Microsoft weiter Schwierigkeiten. Nach der Selektion in der Great-Plains-Führungsetage stehen jetzt die ApertumVertriebspartner in der Schusslinie.

Die Zentrale von Microsoft Business Solutions Deutschland steht in Hamburg, da wo Navision seinen Hauptsitz hatte. Die Great-Plains-Geschäftsstelle in Fürstenfeldbruck fungiert nur noch als Niederlassung der neuen Microsoft-Unit. Damit liegt nahe, wer hier zu Lande den Ton angibt. Sowohl Great-Plains-Vertriebspartner als auch Mitarbeiter bekommen das zu spüren: 12.500 Euro müssen die Channel-Partner jetzt für einen Stand auf der Systems berappen. Das entspricht dem Standard-Messepreis von Navision. Nur 12.000 Mark, also rund 6.000 Euro, bezahlten dagegen die Great-Plains-Partner im vorigen Jahr. "Wir können keine Zwei-KlassenGesellschaft einführen", erklärt dazu Sven Buck, Marketingleiter bei Microsoft Business Solutions.

Doch im Great-Plains-Channel sehen viele Partner genau dies eintreten, und entsprechend schlecht ist die Stimmung unter ihnen: "Niemand weiß, wie es weitergeht" oder "Navision hat wenig Interesse, Apertum weiterzupflegen", erklärten Apertum-Vertriebspartner, die jedoch nicht genannt werden möchten.

Aber auch in der Belegschaft von Great Plains macht sich Unmut über Navision breit, denn wegrationalisiert wird fast nur bei ihnen: Während bei Navision fünf Angestellte ihren Hut nehmen mussten, wie Jürgen Baier, Geschäftsführer bei Microsoft Business Solutions, mitteilt, schied rund die Hälfte der Great-Plains-Mitarbeiter in Deutschland aus. Nach Informationen aus Unternehmenskreisen gehören dazu jetzt auch Dirk Janssen, European Front- und Backoffice General Manager, Thorsten Stockmann, European Product-Manager CRM, zwei Channel-Manager, zwei Apertum-Entwickler und ein Support-Mitarbeiter für das Produkt "E-Enterprise".

Das Apertum-Urgestein Stefan Gries, ehemaliger Vertriebsleiter Deutschland bei Great Plains, arbeitet jetzt als Partnermanager für die Region Süddeutschland: "Wichtig ist für mich, dass meine Partner und Kunden sauber in die Dotnet-Welt gelangen", betont Gries. Ob es noch eine Version 5 von Apertum geben wird, lässt der von Navision kommende Geschäftsführer Microsoft Business Solutions, Baier, offen: "Wir entwickeln das, was der Markt benötigt."

Für die im ersten Quartal 2001 angekündigte Version 4 von Apertum forderte das Apertum-Team jetzt schon mal Hilfe bei seinen Partnern an. In einer ComputerPartner vorliegenden Mail bittet der Great-Plains-Support Germany diese um Hilfe für die termingerechte Fertigstellung der ERP-Lösung.

www.greatplains.de www.navision.com www.microsoft.com

ComputerPartner-Meinung:

Das in den USA mächtige Great Plains schickte den Navision-Country-Manager in Amerika, John Frederiksen, nach Hause. In Deutschland musste dagegen Great-Plains-Chef Thilo Roetger seinen Hut nehmen. Die Starken setzen sich gegen die Schwachen durch, auch wenn Erstere nicht zwangsläufig die Besseren sind. Doch nicht Navision oder Great Plains trifft die Schuld an diesem Darwinschen Auswahlprinzip, sondern Microsoft. Der Softwareriese sollte sich seiner Verantwortung gegenüber seinen Mitarbeitern, Kunden und Vertriebspartnern bewusst werden, und nicht tatenlos zusehen, wie sich die beiden übernommenen Unternehmen gegenseitig zerfleischen. (hei)

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