EU-Kommission befragt Online-Händler

Brüssel nimmt Hindernisse beim grenzüberschreitenden Handel ins Visier



Matthias Hell ist Experte in Sachen E-Commerce und Retail sowie  Buchautor. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge in renommierten Handelsmagazinen und E-Commerce-Blogs. Zuletzt erschien seine Buchveröffentlichung "Local Heroes 2.0 – Neues von den digitalen Vorreitern im Einzelhandel".
Die EU-Kommission will konsumentenfeindliche Hindernisse beim grenzüberschreitenden Online-Handel abbauen. Um Ausmaß und Art bestehender Beschränkungen zu ermitteln, befragt die Brüsseler Behörde nun Online-Händler.

Die EU-Kommission startet eine sogenannte Sektoruntersuchung zu dem Thema "Wettbewerbshindernissen auf den europäischen Märkten für den elektronischen Handel". Mit der Ermittlung soll festgestellt werden, ob beim grenzüberschreitenden Verkauf wettbewerbswidrige Situationen für Online-Händler und deren Kunden bestehen, zum Beispiel durch Beschränkungen Seitens von Herstellern oder Marktplatzbetreibern.

"Die europäischen Verbraucher stoßen beim grenzüberschreitenden Online-Kauf von Waren und Dienstleistungen auf zu viele Hindernisse, und einige dieser Hindernisse werden von den Unternehmen selbst geschaffen", erklärt dazu EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager in Brüssel. Mit der Sektoruntersuchung solle ermittelt werden, wie weit diese Hindernisse verbreitet seien und welche Auswirkungen sie auf den Wettbewerb und auf die Verbraucher hätten. "Wenn gegen Wettbewerbsregeln verstoßen wird, werden wir nicht zögern, die im EU-Kartellrecht vorgesehenen Durchsetzungsmaßnahmen zu ergreifen", so die EU-Kommissarin.

Bereits 2009 sammelte eBay mit einer Petition gegen Vertriebsbeschränkungen europaweit mehr als 750.000 Unterschriften. Jetzt untersucht die EU-Kommission das Thema.
Bereits 2009 sammelte eBay mit einer Petition gegen Vertriebsbeschränkungen europaweit mehr als 750.000 Unterschriften. Jetzt untersucht die EU-Kommission das Thema.
Foto: eBay

Online-Händler-Verband ruft zu Teilnahme an Befragung auf

Um mit ihren Erkenntnissen zu der Untersuchung beizutragen, haben in dieser Woche viele Online-Händler in Deutschland, Frankreich und Großbritannien einen Fragebogen bekommen. Dabei werden Antworten zu acht verschiedenen Kapiteln abgefragt: Unternehmensdaten, Beschränkungen im Online Shop, auf Marktplätzen, bei Preissuchmaschinen, ferner Beschränkungen durch Hersteller, Internationaler Handel, Preisgestaltung, Geo-Blocking, Versand sowie Zahlungsarten.

"Wir begrüßen diesen Vorstoß von Frau Vestager ausdrücklich, denn Folgen von Herstellerbeschränkungen sind eine schwere Last für viele Onlinehändler - nicht nur in Deutschland", erklärt Oliver Prothmann. Präsident des Bundesverband Onlinehandel (BVOH). "Deshalb bitten wir alle angeschriebenen Händler ganz herzlich: Machen Sie mit! Wir haben hier als Onlinehandel die einmalige Chance, nachhaltig etwas gegen Hindernisse und Beschränkungen im Onlinehandel zu tun. Je umfassender die Informationen, desto umfassender können auch die EU-Maßnahmen sein." Da die Fragen sehr komplex seien, stehe der BVOH Onlinehändlern gern mit Rat und Tat zur Seite - auf Wunsch auch vertraulich unter 030-49876660 bzw. per E-Mail unter gs@bvoh.de.

Philips, Samsung und Redcoon im Visier der EU-Kommission

Vor allem Internet-Marktplätze wie eBay prangern die Benachteiligung durch Hersteller-Beschränkungen bereits seit längerem an, aber auch vielen Online-Händlern wird z.B. der grenzüberschreitende Verkauf von der Industrie untersagt. Nach Ansicht des BVOH bedrohten einseitige Verkaufsverbote durch einzelne Hersteller Arbeitsplätze und die Existenz von Händlern. Durch diese Verbote würden Händler von ihrem oft wichtigsten Verkaufskanal abgeschnitten und ihnen damit die Möglichkeit genommen, preisgünstige und beliebte Online-Plattformen in einem wettbewerbsorientierten Markt zum Vorteil der Kunden zu nutzen. "Den Verbrauchern nimmt man so den Zugang zu transparenten Preisen und der zusätzlichen Auswahl, von der sie im Onlinehandel profitieren", so BVOH-Präsident Prothmann.

Unabhängig von der Sektoruntersuchung ermittelt die EU-Kommission bereits seit längerem wegen unzulässiger Wettbewerbsbeschränkungen im Online-Handel. Im Dezember 2013 sowie zuletzt im März 2015 wurden auf Initiative der EU-Behörde in diesem Zusammenhang mehrere Unternehmen im Bereich Unterhaltungselektronik durchsucht, darunter Philips, Samsung und die Metro-Tochter Redcoon. Dabei ging es um den Verdacht einer unzulässigen Beschränkung des grenzüberschreitenden Handels. (mh)

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