Bull: Die Schlagzeilen von gestern sind die Schlagzeilen von heute!

11.02.2005

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München, 14.02.2005

Bull: Die Schlagzeilen von gestern sind die Schlagzeilen von heute!

Sehr geehrter Herr Gerhards,

neulich habe ich in der ersten Ausgabe unserer Zeitschrift geblättert, die ziemlich genau vor zehn Jahren erschienen ist. Da fiel mir ein Artikel über Bull auf, der sich mit "Bulls Schicksal" befasste. Darin schreibt der Autor unter anderem:

"Für den traditionsreichen Computerhersteller Bull geht es ums Überleben. Das chronisch defizitäre Unternehmen wurde zum offiziellen Sanierungsfall erklärt."

Heute, zehn Jahre später, hat sich die Situation von Bull nicht geändert. Bull ist noch immer ein Sanierungsfall und hängt am Geldtropf des französischen Staates. Erst vor wenigen Wochen, im Dezember 2004, hat die EU-Kommission die staatliche Finanzspritze (die wievielte eigentlich?) in Höhe von 517 Millionen Euro (!) für Bull genehmigt.

Jetzt sitzt seit dem 1. Februar mit dem ehemaligen IBM-Manager Didier Lamouche ein neuer Chef in der Pariser Bull-Zentrale. Interessant seine Erklärung, dass Bull seiner Überzeugung nach "ein führendes europäisches IT-Unternehmen sein kann". "Sein kann", sagt er, nicht "sein wird". Ein kluger Mann offensichtlich. Führend, so der amerikanische Nachrichtendienst "Computerwire", ist Bull in den vergangenen Jahren eher auf einem anderen Gebiet gewesen: darin nämlich, endlose Subventionen von der französischen Regierung einzustreichen. Ohne diesen staatlichen Protektionismus hätte Bull sicherlich schon längst das Schicksal anderer "Dinosaurier" der IT-Branche wie Wang, NCR, Nixdorf, DEC, ICL und Control Data geteilt.

Für mich hat der Fall Bull aber auch etwas Tröstliches. Die IT-Branche hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verändert, sie ist noch hektischer geworden, Themen kommen und gehen in einer atemberaubenden Geschwindigkeit, wer länger als zwei Wochen Urlaub macht, verliert den Anschluss, schnell verliert man Überblick und Orientierung. Nur Bull - Bull bleibt sich gleich. Vor zehn Jahren ein Sanierungsfall, heute ein Sanierungsfall. Auch eine Form von Stabilität.

Doch plötzlich gibt es positive Meldungen. Das Geschäftsjahr 2004 konnte der Bull-Konzern mit einem Nettogewinn von 10,8 Millionen Euro abschließen, mehr als eine Verdoppelung gegenüber 2003. Leider ist der Umsatz nach wie vor rückläufig.

Die Rekapitalisierung ist, so schreibt die Pariser Bull-Zentrale vergangene Woche, abgeschlossen. Jetzt frage ich Sie, sehr geehrter Herr Gerhards: Soll das etwa heißen, dass wir in Zukunft andere Schlagzeilen über Bull schreiben müssen? Was raten Sie mir: Soll ich die alten Bull-Überschriften wegschmeißen oder zwecks möglicher Wiederverwendung vorsichtshalber doch noch aufbewahren? Sind die Bull-Schlagzeilen von gestern vielleicht auch die Bull-Schlagzeilen von morgen?

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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